Reformstaaten holen bei Maastricht-Kriterien rasch auf
Angst vor Lohndumping aus dem Osten stark übertrieben
Die Kandidatenländer stehen vor der Entscheidung, rasch in die Währungsunion zu drängen (und damit die Strukturanpassung zu gefährden) oder die Aufholjagd außerhalb des Euro fortzusetzen.
Die österreichischen Banken sind in den Reformländern ganz vorne mit dabei. Die Bank Austria ist das drittgrößte Geldinstitut in Polen. | (c) apa
WIEN (ju). Die Angst, daß nach einem EU-Beitritt der Reformstaaten (beziehungsweise nach dem Ende der entsprechenden Übergangsfristen) osteuropäische Arbeitskräfte Österreich überschwemmen und Lohndumping hervorrufen könnten, sei "stark übertrieben", sagt die Chef-Volkswirtin der Bank Austria, Marianne Kager, im "Presse"-Gespräch. So etwas sei höchstens im unmittelbaren Grenzbereich durch Tages-Einpendler denkbar.
Aber auch hier habe Österreich keine schlechten Karten: Die Region um Bratislava/Preßburg und die grenznahen westungarischen Gebiete hätten sich bedeutend besser entwickelt als der Rest der Slowakei und Ungarns, sodaß in diesen Regionen bereits Arbeitskräftemangel herrsche, der aus Ostungarn und der Ostslowakei aufgefüllt werden müsse. Da sei der Druck auf Arbeitsmärkte jenseits der Grenze nicht gegeben.
Gerade in den Bereichen, in denen Lohndumping befürchtet werde - bei niederqualifizierten Beschäftigungen -, seien zudem die Lohnunterschiede dies- und jenseits der Grenze nicht mehr so enorm, daß sich größere Wanderbewegungen ergeben könnten, meint Kager. Man könne also ruhig davon ausgehen, daß die Vorteile der EU-Erweiterung für Österreich deren Nachteile bei weitem überwiegen würden.
Schon im Vorfeld der EU-Erweiterung habe sich die Öffnung der ehemaligen Ostblockstaaten überaus günstig auf die österreichische (aber auch auf die deutsche) Wirtschaft ausgewirkt: Vor dem Fall des eisernen Vorhanges sei der heimische Osthandel eher gering gewesen, jetzt läge der Export in die Reformländer hinter den Ausfuhren nach Deutschland schon an zweiter Stelle der heimischen Exportstatistik.
Und dieses enorme Geschäft sei noch ausbaufähig, zumal das Wirtschaftswachstum in den meisten Reformländern nach wie vor deutlich über jenem Westeuropas liegt.
Allerdings könnten die Reformstaaten durch ein zu frühes Drängen in die Währungsunion in eine Art Wachstumsfalle tappen: Um die Maastricht-Kriterien für die Währungsunion zu erfüllen, müssen die Reformländer Staatsverschuldung, Defizite und Inflationsraten herunterbringen. Ein zu kräftiger Tritt auf diese Bremse könnte auch das Wachstum herunterbremsen - und damit den Aufholprozeß der Reformstaaten zum Erliegen bringen. Dies sei sicher ein Nachteil für diese Länder. "Das wird noch zu wenig diskutiert", meint Kager.
Jedenfalls würde ein verfrühter Beitritt zur Währungsunion den Strukturanpassungsprozeß verlangsamen, was nicht im Interesse der betroffenen Länder liegen könne. Strukturprobleme haben aus der ersten Runde der Beitrittskandidaten vor allem Polen und die Slowakei. Beide Länder haben Arbeitslosenraten, die knapp unter 20 Prozent liegen, wobei es in der Slowakei wie erwähnt extreme Unterschiede zwischen dem boomenden Großraum Preßburg und den ärmeren Regionen im Osten des Landes gibt.
Einige Reformländer sind bei der formalen Erfüllung der Maastricht-Kriterien (siehe Graphik), die Voraussetzung für die Euro-Teilnahme ist, schon sehr weit. Mehrere Kandidaten erfüllen schon bis zu drei Kriterien, besonders Estland ist sehr weit. "Wenn die Kriterien formal erfüllt sind, dann wird man den neuen Mitgliedern die Euro-Teilnahme schwer verwehren können", sagt Kager. Und die Beitrittsländer würden auch darauf bestehen. Schließlich gehe in den Reformstaaten schon jetzt die Befürchtung um, EU-Mitglieder zweiter Klasse zu werden.
Die Kandidatenländer seien insgesamt in die internationalen Kapitalmärkte noch nicht ausreichend integriert, meint die Chef-Volkswirtin der bank Austria. Der Vorwurf, ihr Finanzsektor sei dafür noch nicht reif, gehe aber daneben: Schließlich ist der Auslandsanteil im Bankensektor der Reformstaaten schon bei rund 80 Prozent. Und die Österreicher sind ganz vorne mit dabei. Die Bank Austria etwa ist das drittgrößte Geldinstitut Polens (noch vor der Deutschen Bank).
Angst vor Lohndumping aus dem Osten stark übertrieben
Die Kandidatenländer stehen vor der Entscheidung, rasch in die Währungsunion zu drängen (und damit die Strukturanpassung zu gefährden) oder die Aufholjagd außerhalb des Euro fortzusetzen.
Die österreichischen Banken sind in den Reformländern ganz vorne mit dabei. Die Bank Austria ist das drittgrößte Geldinstitut in Polen. | (c) apa
WIEN (ju). Die Angst, daß nach einem EU-Beitritt der Reformstaaten (beziehungsweise nach dem Ende der entsprechenden Übergangsfristen) osteuropäische Arbeitskräfte Österreich überschwemmen und Lohndumping hervorrufen könnten, sei "stark übertrieben", sagt die Chef-Volkswirtin der Bank Austria, Marianne Kager, im "Presse"-Gespräch. So etwas sei höchstens im unmittelbaren Grenzbereich durch Tages-Einpendler denkbar.
Aber auch hier habe Österreich keine schlechten Karten: Die Region um Bratislava/Preßburg und die grenznahen westungarischen Gebiete hätten sich bedeutend besser entwickelt als der Rest der Slowakei und Ungarns, sodaß in diesen Regionen bereits Arbeitskräftemangel herrsche, der aus Ostungarn und der Ostslowakei aufgefüllt werden müsse. Da sei der Druck auf Arbeitsmärkte jenseits der Grenze nicht gegeben.
Gerade in den Bereichen, in denen Lohndumping befürchtet werde - bei niederqualifizierten Beschäftigungen -, seien zudem die Lohnunterschiede dies- und jenseits der Grenze nicht mehr so enorm, daß sich größere Wanderbewegungen ergeben könnten, meint Kager. Man könne also ruhig davon ausgehen, daß die Vorteile der EU-Erweiterung für Österreich deren Nachteile bei weitem überwiegen würden.
Schon im Vorfeld der EU-Erweiterung habe sich die Öffnung der ehemaligen Ostblockstaaten überaus günstig auf die österreichische (aber auch auf die deutsche) Wirtschaft ausgewirkt: Vor dem Fall des eisernen Vorhanges sei der heimische Osthandel eher gering gewesen, jetzt läge der Export in die Reformländer hinter den Ausfuhren nach Deutschland schon an zweiter Stelle der heimischen Exportstatistik.
Und dieses enorme Geschäft sei noch ausbaufähig, zumal das Wirtschaftswachstum in den meisten Reformländern nach wie vor deutlich über jenem Westeuropas liegt.
Allerdings könnten die Reformstaaten durch ein zu frühes Drängen in die Währungsunion in eine Art Wachstumsfalle tappen: Um die Maastricht-Kriterien für die Währungsunion zu erfüllen, müssen die Reformländer Staatsverschuldung, Defizite und Inflationsraten herunterbringen. Ein zu kräftiger Tritt auf diese Bremse könnte auch das Wachstum herunterbremsen - und damit den Aufholprozeß der Reformstaaten zum Erliegen bringen. Dies sei sicher ein Nachteil für diese Länder. "Das wird noch zu wenig diskutiert", meint Kager.
Jedenfalls würde ein verfrühter Beitritt zur Währungsunion den Strukturanpassungsprozeß verlangsamen, was nicht im Interesse der betroffenen Länder liegen könne. Strukturprobleme haben aus der ersten Runde der Beitrittskandidaten vor allem Polen und die Slowakei. Beide Länder haben Arbeitslosenraten, die knapp unter 20 Prozent liegen, wobei es in der Slowakei wie erwähnt extreme Unterschiede zwischen dem boomenden Großraum Preßburg und den ärmeren Regionen im Osten des Landes gibt.
Einige Reformländer sind bei der formalen Erfüllung der Maastricht-Kriterien (siehe Graphik), die Voraussetzung für die Euro-Teilnahme ist, schon sehr weit. Mehrere Kandidaten erfüllen schon bis zu drei Kriterien, besonders Estland ist sehr weit. "Wenn die Kriterien formal erfüllt sind, dann wird man den neuen Mitgliedern die Euro-Teilnahme schwer verwehren können", sagt Kager. Und die Beitrittsländer würden auch darauf bestehen. Schließlich gehe in den Reformstaaten schon jetzt die Befürchtung um, EU-Mitglieder zweiter Klasse zu werden.
Die Kandidatenländer seien insgesamt in die internationalen Kapitalmärkte noch nicht ausreichend integriert, meint die Chef-Volkswirtin der bank Austria. Der Vorwurf, ihr Finanzsektor sei dafür noch nicht reif, gehe aber daneben: Schließlich ist der Auslandsanteil im Bankensektor der Reformstaaten schon bei rund 80 Prozent. Und die Österreicher sind ganz vorne mit dabei. Die Bank Austria etwa ist das drittgrößte Geldinstitut Polens (noch vor der Deutschen Bank).