SPIEGEL ONLINE - 22. September 2002, 22:38
URL: www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,215217,00.html
Reaktionen der Wirtschaft
"Das bedeutet nichts Gutes"
Schlimmer hätte es nicht kommen können - so werten zumindest viele Wirtschaftsführer das denkbar knappe Wahlergebnis. Sie fürchten, dass der Reformstau bestehen bleibt.
Hamburg - "Für die nächsten vier Jahre bedeutet dieser Wahlausgang nichts Gutes - da wird sich der Reformstau nicht auflösen", sagte Andreas Scheuerle, Volkswirt der DekaBank. Ähnliche Befürchtungen hegt Ulla Kochwasser von der Mizuho Corporate Bank: "Es wird bei diesem Ergebnis sehr schwierig zu regieren, das ist klar." Eine Reformwelle habe sie allerdings auch bei einer klaren Mehrheit nicht erwartet. "Echte Reformen am Arbeitsmarkt kann man unter keiner Konstellation erwarten." Für Carsten Demski von der Bankgesellschaft Berlin fehlt es generell am Willen zu Veränderungen: "Weder die Volksparteien noch die Bevölkerung wollen ernsthafte Reformen. Der Leidensdruck ist noch nicht groß genug", sagte er.
Die Wahrscheinlichkeit von Reformen unter einer großen Koalition zwischen den Unionsparteien und der SPD stuften die Volkswirte ebenfalls als gering ein. "Eine große Koalition steht auf jeden Fall für Stillstand und wird von den Märkten gar nicht gerne gesehen", sagte Kochwasser.
"Ich hoffe sehr, dass die neue Regierungsmannschaft, wie auch immer sie aussehen mag, den öffentlichen Druck zum Handeln verspürt, denn wir können mit dem aktuellen Null-Wachstum nicht leben", sagte der Vorstandschef der Bayer AG, Werner Wenning. Auch der Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Diether Klingelnberg, forderte umfassende und zügige Reformen. "Egal wer die Wahl letztendlich gewinnt, es muss etwas passieren in Deutschland." Wichtig seien rasche und durchgreifende Reformen. "Denn die Probleme sind ja da", sagte er. Es könne nicht sein, dass Deutschland weiterhin den "Wachstumszug in Europa" bremse.
Der Bundesverband deutscher Banken (BDB) mahnte eine weitere Steuerreform an. "Um die ausgeprägte Eigenkapitalschwäche des deutschen Mittelstandes zu beseitigen, ist eine nachhaltige Rückführung der Steuer- und Abgabenbelastung unabdingbar." "Aus Börsensicht ist das eine unangenehme Situation", kommentierte der Chefanalyst vom Bankhaus Metzler, Johannes Reich, das knappe Wahlergebnis. Eine nur hauchdünne Mehrheit für die künftige Bundesregierung könne die schwache Wirtschaftslage und miese Börsenstimmung weiter verschlechtern. "Jede Art von Verunsicherung ist wenig positiv und bringt Instabilität", fügte Reich hinzu.
"Eine knappe Mehrheit ist ein negatives Signal, auch an ausländische Investoren. Das hat sicherlich keine guten Auswirkungen auf den Standort", urteilte auch Anlagestratege Volker Borghoff von HSBC Trinkaus & Burkhardt. Das knappe Wahlergebnis bedeute Instabilität, sagte auch Analyst Giuseppe Amato vom Handelshaus Lang & Schwarz. Die hauchdünne Mehrheit sei kein gutes Klima für Reformen, da bei jeder Abstimmung gezittert werden müsse. Viele Anleger würden voraussichtlich erst einmal abwarten. Der Wahlausgang selbst werde die Börsen aber nur kurzzeitig beeinflussen. Bereits ab Dienstag würden die aktuelle Konjunkturlage und die Spannungen in Nahost wieder in den Mittelpunkt des Interesses rücken.
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Reaktionen der Wirtschaft
"Das bedeutet nichts Gutes"
Schlimmer hätte es nicht kommen können - so werten zumindest viele Wirtschaftsführer das denkbar knappe Wahlergebnis. Sie fürchten, dass der Reformstau bestehen bleibt.
Hamburg - "Für die nächsten vier Jahre bedeutet dieser Wahlausgang nichts Gutes - da wird sich der Reformstau nicht auflösen", sagte Andreas Scheuerle, Volkswirt der DekaBank. Ähnliche Befürchtungen hegt Ulla Kochwasser von der Mizuho Corporate Bank: "Es wird bei diesem Ergebnis sehr schwierig zu regieren, das ist klar." Eine Reformwelle habe sie allerdings auch bei einer klaren Mehrheit nicht erwartet. "Echte Reformen am Arbeitsmarkt kann man unter keiner Konstellation erwarten." Für Carsten Demski von der Bankgesellschaft Berlin fehlt es generell am Willen zu Veränderungen: "Weder die Volksparteien noch die Bevölkerung wollen ernsthafte Reformen. Der Leidensdruck ist noch nicht groß genug", sagte er.
Die Wahrscheinlichkeit von Reformen unter einer großen Koalition zwischen den Unionsparteien und der SPD stuften die Volkswirte ebenfalls als gering ein. "Eine große Koalition steht auf jeden Fall für Stillstand und wird von den Märkten gar nicht gerne gesehen", sagte Kochwasser.
"Ich hoffe sehr, dass die neue Regierungsmannschaft, wie auch immer sie aussehen mag, den öffentlichen Druck zum Handeln verspürt, denn wir können mit dem aktuellen Null-Wachstum nicht leben", sagte der Vorstandschef der Bayer AG, Werner Wenning. Auch der Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Diether Klingelnberg, forderte umfassende und zügige Reformen. "Egal wer die Wahl letztendlich gewinnt, es muss etwas passieren in Deutschland." Wichtig seien rasche und durchgreifende Reformen. "Denn die Probleme sind ja da", sagte er. Es könne nicht sein, dass Deutschland weiterhin den "Wachstumszug in Europa" bremse.
Der Bundesverband deutscher Banken (BDB) mahnte eine weitere Steuerreform an. "Um die ausgeprägte Eigenkapitalschwäche des deutschen Mittelstandes zu beseitigen, ist eine nachhaltige Rückführung der Steuer- und Abgabenbelastung unabdingbar." "Aus Börsensicht ist das eine unangenehme Situation", kommentierte der Chefanalyst vom Bankhaus Metzler, Johannes Reich, das knappe Wahlergebnis. Eine nur hauchdünne Mehrheit für die künftige Bundesregierung könne die schwache Wirtschaftslage und miese Börsenstimmung weiter verschlechtern. "Jede Art von Verunsicherung ist wenig positiv und bringt Instabilität", fügte Reich hinzu.
"Eine knappe Mehrheit ist ein negatives Signal, auch an ausländische Investoren. Das hat sicherlich keine guten Auswirkungen auf den Standort", urteilte auch Anlagestratege Volker Borghoff von HSBC Trinkaus & Burkhardt. Das knappe Wahlergebnis bedeute Instabilität, sagte auch Analyst Giuseppe Amato vom Handelshaus Lang & Schwarz. Die hauchdünne Mehrheit sei kein gutes Klima für Reformen, da bei jeder Abstimmung gezittert werden müsse. Viele Anleger würden voraussichtlich erst einmal abwarten. Der Wahlausgang selbst werde die Börsen aber nur kurzzeitig beeinflussen. Bereits ab Dienstag würden die aktuelle Konjunkturlage und die Spannungen in Nahost wieder in den Mittelpunkt des Interesses rücken.