HANDELSBLATT, Donnerstag, 09. Februar 2006, 08:29 Uhr
Baldige Einigung erwartetIndische Konzerne ringen um Betapharm
Der größte indische Pharmakonzern Ranbaxy hat nach Medienberichten 500 Mill. Euro für den deutschen Medikamentenhersteller Betapharm geboten.
HB FRANKFURT. Indische Pharmahersteller drängen aggressiv auf die europäischen Märkte. Ihr neuester Vorstoß gilt dem deutschen Generikahersteller Betapharm, der sich zur Zeit noch im Besitz der britischen Investmentgruppe 3i befindet. Die indischen Firmen Ranbaxy und Dr. Reddy’s liefern sich jetzt offenbar einen Bieterkampf um das Augsburger Unternehmen, das zuletzt 185 Mill. Euro Umsatz erzielte und 370 Mitarbeiter beschäftigt. Indischen Medien zufolge offeriert dabei Ranbaxy rund 500 Mill. Euro, der Konkurrent Dr. Reddy will nur 466 Mill. Euro zahlen. Weitere Interessenten für das zum Verkauf stehende Pharmaunternehmen sollen aus Israel und Frankreich kommen. Der Chairman von Dr. Reddy’s, Anji Reddy, bestätigte gestern dem Wall Street Journal Asia, dass sein Unternehmen für Betapharm biete und dabei mit Ranbaxy konkurriere. Branchenkreisen zufolge könnten die Gespräche in den nächsten 14 Tagen zum Abschluss kommen.
Betapharm ist der viertgrößte deutsche Hersteller von Nachahmermedikamenten, so genannten Generika. Vor zwei Jahren hatte der britische Finanzinvestor 3i das Augsburger Unternehmen für 300 Mill. Euro übernommen. Ende November hatte Stephan Krümmer, Geschäftsführer des Deutschlandgeschäfts von 3i, erklärt, sein Unternehmen erwäge den Verkauf von Betapharm.
Eine Vorentscheidung könnte nach Informationen aus Unternehmenskreisen noch in dieser Woche fallen. Bankenkreise gehen indessen davon aus, dass sich ein endgültiger Abschluss noch deutlich länger hinauszögert. Außer den beiden indischen Firmen hätten auch die israelische Teva-Gruppe sowie der französische Pharma-Konzern Sanofi-Aventis Interesse an Betapharm gezeigt, bisher aber deutlich weniger geboten. 3i bestätigte lediglich, man habe mehrere Angebote für Betapharm erhalten, machte aber keine weiteren Angaben zum Stand der Gespräche.
Indische Pharmahersteller wollen bereits seit einigen Jahren mit Hilfe ihrer kostengünstigen Fertigung stärker auf den westlichen Märkten für patentfreie Nachahmermedikamente (Generika) Fuß fassen. Zuletzt zettelten sie im Rahmen dieser Strategie vor allem auf dem US-Markt einen harten Preiswettbewerb an, der die Erträge der Branche zum Teil deutlich unter Druck setzte. Ranbaxy zum Beispiel verbuchte 2005 lediglich einen stagnierenden Umsatz von umgerechnet 1,2 Mrd. Dollar und einen Gewinneinbruch auf 59 Mill. Dollar, gegenüber 154 Mill. Dollar ein Jahr zuvor.
Lesen Sie weiter auf Seite 2: Branchenkenner zeigen sich überrascht von der Höhe der Offerten.-->Der finanzielle Bewegungsspielraum der indischen Firmen hielt sich bisher eher in Grenzen, weil die Gründerfamilien in aller Regel eine Verwässerung ihrer Anteile vermeiden wollen. Nach Einschätzung von Branchenvertretern dürften aber inzwischen die relativ hohen Bewertungen an der Börse eine Refinanzierung über Bankkredite erleichtern. Ranbaxy etwa bringt trotz schwacher Ergebnisse einen Börsenwert von 3,4 Mrd. Dollar auf die Waage, Dr. Reddy’s wird mit 2,1 Mrd. Dollar oder rund dem Fünffachen des Umsatzes bewertet.
Betapharm wäre die mit Abstand größte Akquisition eines indischen Pharmaunternehmens in Europa, wo es bereits zu einer ganzen Reihe kleinerer Zukäufe gekommen ist. So erwarb Ranbaxy in den vergangenen Jahren bereits die Generikasparte von Bayer in Deutschland sowie die Generikatochter von Aventis in Frankreich. Torrent kaufte 2005 den Generikahersteller Heumann. „Die indischen Unternehmen erkennen jetzt, dass die bisherigen Zukäufe keine besonders starke Basis bieten, um das Geschäft hier weiter voranzubringen“, sagt Thimo Sommerfeld, Partner der Unternehmensberatung Abolon Consulting.
Dennoch zeigen sich Branchenkenner überrascht von der Höhe der Offerten. Immerhin ist Betapharm lediglich die Nummer Vier auf dem deutschen Generikamarkt, hinter Novartis (die sich 2005 durch den Kauf von Hexal verstärkte), Ratiopharm und Stada. Die Produktpipeline des Unternehmens gilt als eher durchschnittlich. Zudem könnten sich die Bedingungen auf dem deutschen Generikamarkt mit der bevorstehenden Gesundheitsreform verschlechtern.
Die israelische Teva war vor diesem Hintergrund nach Informationen aus Branchenkreisen nicht bereit, mehr als 350 Mill. Euro zu bieten. 3i hatte Betapharm vor zwei Jahren von den Hexal-Gründern Thomas und Andreas Strüngmann für rund 300 Mill. Euro gekauft.
Angesichts vieler Patentabläufe in der Pharmabranche gilt das Generika-Geschäft indessen weiter als interessanter Markt mit zweistelligen Wachstumsraten. Weltweit werden in diesem Segment – je nach Definition des Marktes – zwischen 35 und 50 Mrd. Dollar pro Jahr umgesetzt.