Automobile
Araber sind bei Daimler-Chrysler willkommen
Von Susanne Preuß
01. Februar 2005 "Jetzt sind die Araber dank ihrer erpresserischen Ölpolitik die Neureichen der Welt geworden und klopfen an die Türen der Industriestaaten." So faßte der Kommentator der F.A.Z. im Dezember 1974 zusammen, was damals die deutsche Wirtschaftswelt erschütterte: Das Emirat Kuweit hatte eine Milliarde Mark auf den Tisch der Familie Quandt geblättert und dieser ihren 14-Prozent-Anteil an Daimler-Benz abgekauft, der Vorzeigeadresse der deutschen Industrie.
"Soll man sie hereinlassen?" fuhr der Kommentator fort, und in der Rückschau fühlt man sich, gerade in dieser Jahreszeit, an die ähnlich lautende Frage aus närrischen Sitzungen erinnert. Damals, vor 30 Jahren, wurde berichtet, einige Börsianer seien den Tränen nahe gewesen. Harte Worte seien gefallen, von "verschenktem, schwer erarbeitetem Produktivkapital" sei die Rede gewesen.
Daimler-Chrysler-Aktien für eine Milliarde Dollar
Mit Arabern verknüpften sich Erinnerungen an die Ölkrise mit ihren (damals unmittelbar zurückliegenden) autofreien Sonntagen, und in der Politik wurde schnell eine Genehmigungspflicht für ausländische Beteiligungen diskutiert. Gelassen zeigte sich allenfalls der damalige Daimler-Vorstandschef Joachim Zahn, der versicherte: "Daimler-Benz bleibt ein schwäbisches Unternehmen." Heute ist es kein echter Aufreger mehr, wenn Araber ihre Petrodollars in deutsche Konzerne investieren.
Daß die Kuweitis mit 7,2 Prozent der zweitgrößte Aktionär bei Daimler-Chrysler sind, gehört einerseits zur Normalität, fällt andererseits nicht einmal bei den Hauptversammlungen auf. "Man hat doch keinerlei Berichte gehört über irgendeinen Einfluß der Kuwaitis", gibt Albrecht Denninghoff, Analyst der Hypovereinsbank zu bedenken - entsprechende Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. Am Tag nachdem das Emirat Dubai vermeldet hat, es habe eine Milliarde Dollar in Daimler-Chrysler-Aktien investiert, bewegt sich das Papier in einem insgesamt freundlichen Markt stabil im Plus, bei Kursen meist über 35 Euro.
Probleme mit Chrysler weitgehend überwunden
"Es gibt zig Gründe, warum man Daimler-Aktien kauft", meint Arndt Ellinghorst, Auto-Analyst bei Dresdner Kleinwort Wasserstein: "Vor allem, wenn man mit Blick auf die nächsten zehn Jahre investiert." Unter diesem Blickwinkel geraten aktuelle Probleme an den Rand: die massiven Qualitätsprobleme, mit denen Mercedes-Benz zu kämpfen hat ebenso wie die ungelöste Zukunft der Kleinwagenmarke Smart, die den Konzern im zurückliegenden Jahr wieder einmal Hunderte von Millionen Euro gekostet hat.
In Dubai registriert man eher, daß die Probleme mit Chrysler nun weitgehend überwunden sind, daß allmählich die Zeit beginnen könnte, die Früchte der Fusion von Daimler-Benz und Chrysler zu ernten. Das Management habe in den vergangenen Jahren effizient und professionell gearbeitet: "Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, Aktien von Daimler-Chrysler zu kaufen", meint Mohammed al-Gergawi, CEO der Dubai Holding, über deren Tochtergesellschaft Dubai International Capital die Daimler-Transaktion abgewickelt worden ist.
Wichtiger und wachsender Absatzmarkt
Warum sich die Investoren aus Dubai öffentlich geäußert haben, gibt freilich Anlaß zu Spekulationen - schließlich sind Anteilskäufe erst meldepflichtig, wenn die Grenze von 5 Prozent überschritten wird. Ein Freundschaftsdienst für Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp in schwierigen Zeiten könnte dahinterstecken, mutmaßen manche. Schrempp persönlich hatte den Investoren erst im vergangenen Herbst seine Pläne präsentiert und offenbar mit seiner Vision vom Weltkonzern überzeugt.
Daimler-Chrysler hat andererseits in Dubai längst Fuß gefaßt, unter anderem mit seiner Zentrale für den Mittleren Osten, einem wichtigen und wachsenden Absatzmarkt nicht nur für die Vorzeigelimousinen der Marke Maybach. Möglicherweise, wird nun schon spekuliert, könnte Daimler-Chrysler in Dubai weitere Investitionen planen, die nun durch eine Kapitalbeteiligung belohnt werden. Das könnte vor allem dann sinnvoll sein, wenn es sich um energieintensive Herstellungsverfahren handelt, meinen Analysten. Bei Daimler-Chrysler allerdings heißt es ausdrücklich: "Solche Pläne gibt es nicht."
Jährliches Wachstum von 8 Prozent
In den Investmentabteilungen der Banken wird ohnedies viel lieber darüber spekuliert, ob Dubai der kommende Großaktionär von Daimler-Chrysler sein könnte. Die Deutsche Bank hat schließlich längst erklärt, sich von ihrer Beteiligung an dem Autohersteller trennen zu wollen und hat den Anteil auch schon etwas reduziert. Allerdings strebt die Bank dem Vernehmen nach mindestens einen Erlös von 40 Euro je Aktie an - und von solchen Kursen war die Daimler-Chrysler-Aktie in den zurückliegenden Monaten meist weit entfernt. Die gut 2 Prozent, die Dubai nun erworben hat, wurden nun zwar vorsichtig über die Börse gekauft, wie die Investoren selbst mitteilten. Doch das könnte vielleicht auch der Auftakt zu Verhandlungen mit anderen Inhabern größerer Pakete sein, auch der Deutschen Bank, spekuliert beispielsweise Albrecht Denninghoff von der Hypovereinsbank, der das durchaus beruhigend fände: "Damit wäre das Aktionärsgefüge endlich wieder stabilisiert."
Das nötige Kleingeld wäre in Dubai problemlos aufzutreiben. Die Dubai Holding gehört dem Kronprinzen des Emirats, Mohammed bin Rashid Al Maktoum, dessen Familie über ein umfangreiches Geflecht von aufstrebenden Firmen herrscht. Den Nachteil, über relativ geringe Ölvorkommen zu verfügen, hat Dubai längst in sein Gegenteil verkehrt, indem schon früh Milliarden in die Infrastruktur investiert wurden, um Dubai zu einer internationalen Handelsdrehscheibe zu machen. In den Jahren zwischen 1993 und 2003 wuchs die Wirtschaft von Dubai im Durchschnitt jährlich um 8 Prozent.
Schrittmacher der arabischen Welt
Heute ist das Emirat der Schrittmacher der arabischen Welt. Allein in die Entwicklung neuer Immobilien dürften in den nächsten sechs Jahren 50 Milliarden Dollar investiert werden, schätzen Experten. Im Vergleich dazu wirkt das Engagement bei Daimler-Chrysler geradezu dürftig: Der ganze international tätige Autokonzern ist, gemessen am aktuellen Börsenkurs, gerade gut 35 Milliarden Euro wert.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.02.2005, Nr. 26 / Seite 18
Bildmaterial: picture-alliance / dpa, F.A.Z.
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MaMoe ...
Araber sind bei Daimler-Chrysler willkommen
Von Susanne Preuß
01. Februar 2005 "Jetzt sind die Araber dank ihrer erpresserischen Ölpolitik die Neureichen der Welt geworden und klopfen an die Türen der Industriestaaten." So faßte der Kommentator der F.A.Z. im Dezember 1974 zusammen, was damals die deutsche Wirtschaftswelt erschütterte: Das Emirat Kuweit hatte eine Milliarde Mark auf den Tisch der Familie Quandt geblättert und dieser ihren 14-Prozent-Anteil an Daimler-Benz abgekauft, der Vorzeigeadresse der deutschen Industrie.
"Soll man sie hereinlassen?" fuhr der Kommentator fort, und in der Rückschau fühlt man sich, gerade in dieser Jahreszeit, an die ähnlich lautende Frage aus närrischen Sitzungen erinnert. Damals, vor 30 Jahren, wurde berichtet, einige Börsianer seien den Tränen nahe gewesen. Harte Worte seien gefallen, von "verschenktem, schwer erarbeitetem Produktivkapital" sei die Rede gewesen.
Daimler-Chrysler-Aktien für eine Milliarde Dollar
Mit Arabern verknüpften sich Erinnerungen an die Ölkrise mit ihren (damals unmittelbar zurückliegenden) autofreien Sonntagen, und in der Politik wurde schnell eine Genehmigungspflicht für ausländische Beteiligungen diskutiert. Gelassen zeigte sich allenfalls der damalige Daimler-Vorstandschef Joachim Zahn, der versicherte: "Daimler-Benz bleibt ein schwäbisches Unternehmen." Heute ist es kein echter Aufreger mehr, wenn Araber ihre Petrodollars in deutsche Konzerne investieren.
Daß die Kuweitis mit 7,2 Prozent der zweitgrößte Aktionär bei Daimler-Chrysler sind, gehört einerseits zur Normalität, fällt andererseits nicht einmal bei den Hauptversammlungen auf. "Man hat doch keinerlei Berichte gehört über irgendeinen Einfluß der Kuwaitis", gibt Albrecht Denninghoff, Analyst der Hypovereinsbank zu bedenken - entsprechende Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. Am Tag nachdem das Emirat Dubai vermeldet hat, es habe eine Milliarde Dollar in Daimler-Chrysler-Aktien investiert, bewegt sich das Papier in einem insgesamt freundlichen Markt stabil im Plus, bei Kursen meist über 35 Euro.
Probleme mit Chrysler weitgehend überwunden
"Es gibt zig Gründe, warum man Daimler-Aktien kauft", meint Arndt Ellinghorst, Auto-Analyst bei Dresdner Kleinwort Wasserstein: "Vor allem, wenn man mit Blick auf die nächsten zehn Jahre investiert." Unter diesem Blickwinkel geraten aktuelle Probleme an den Rand: die massiven Qualitätsprobleme, mit denen Mercedes-Benz zu kämpfen hat ebenso wie die ungelöste Zukunft der Kleinwagenmarke Smart, die den Konzern im zurückliegenden Jahr wieder einmal Hunderte von Millionen Euro gekostet hat.
In Dubai registriert man eher, daß die Probleme mit Chrysler nun weitgehend überwunden sind, daß allmählich die Zeit beginnen könnte, die Früchte der Fusion von Daimler-Benz und Chrysler zu ernten. Das Management habe in den vergangenen Jahren effizient und professionell gearbeitet: "Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, Aktien von Daimler-Chrysler zu kaufen", meint Mohammed al-Gergawi, CEO der Dubai Holding, über deren Tochtergesellschaft Dubai International Capital die Daimler-Transaktion abgewickelt worden ist.
Wichtiger und wachsender Absatzmarkt
Warum sich die Investoren aus Dubai öffentlich geäußert haben, gibt freilich Anlaß zu Spekulationen - schließlich sind Anteilskäufe erst meldepflichtig, wenn die Grenze von 5 Prozent überschritten wird. Ein Freundschaftsdienst für Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp in schwierigen Zeiten könnte dahinterstecken, mutmaßen manche. Schrempp persönlich hatte den Investoren erst im vergangenen Herbst seine Pläne präsentiert und offenbar mit seiner Vision vom Weltkonzern überzeugt.
Daimler-Chrysler hat andererseits in Dubai längst Fuß gefaßt, unter anderem mit seiner Zentrale für den Mittleren Osten, einem wichtigen und wachsenden Absatzmarkt nicht nur für die Vorzeigelimousinen der Marke Maybach. Möglicherweise, wird nun schon spekuliert, könnte Daimler-Chrysler in Dubai weitere Investitionen planen, die nun durch eine Kapitalbeteiligung belohnt werden. Das könnte vor allem dann sinnvoll sein, wenn es sich um energieintensive Herstellungsverfahren handelt, meinen Analysten. Bei Daimler-Chrysler allerdings heißt es ausdrücklich: "Solche Pläne gibt es nicht."
Jährliches Wachstum von 8 Prozent
In den Investmentabteilungen der Banken wird ohnedies viel lieber darüber spekuliert, ob Dubai der kommende Großaktionär von Daimler-Chrysler sein könnte. Die Deutsche Bank hat schließlich längst erklärt, sich von ihrer Beteiligung an dem Autohersteller trennen zu wollen und hat den Anteil auch schon etwas reduziert. Allerdings strebt die Bank dem Vernehmen nach mindestens einen Erlös von 40 Euro je Aktie an - und von solchen Kursen war die Daimler-Chrysler-Aktie in den zurückliegenden Monaten meist weit entfernt. Die gut 2 Prozent, die Dubai nun erworben hat, wurden nun zwar vorsichtig über die Börse gekauft, wie die Investoren selbst mitteilten. Doch das könnte vielleicht auch der Auftakt zu Verhandlungen mit anderen Inhabern größerer Pakete sein, auch der Deutschen Bank, spekuliert beispielsweise Albrecht Denninghoff von der Hypovereinsbank, der das durchaus beruhigend fände: "Damit wäre das Aktionärsgefüge endlich wieder stabilisiert."
Das nötige Kleingeld wäre in Dubai problemlos aufzutreiben. Die Dubai Holding gehört dem Kronprinzen des Emirats, Mohammed bin Rashid Al Maktoum, dessen Familie über ein umfangreiches Geflecht von aufstrebenden Firmen herrscht. Den Nachteil, über relativ geringe Ölvorkommen zu verfügen, hat Dubai längst in sein Gegenteil verkehrt, indem schon früh Milliarden in die Infrastruktur investiert wurden, um Dubai zu einer internationalen Handelsdrehscheibe zu machen. In den Jahren zwischen 1993 und 2003 wuchs die Wirtschaft von Dubai im Durchschnitt jährlich um 8 Prozent.
Schrittmacher der arabischen Welt
Heute ist das Emirat der Schrittmacher der arabischen Welt. Allein in die Entwicklung neuer Immobilien dürften in den nächsten sechs Jahren 50 Milliarden Dollar investiert werden, schätzen Experten. Im Vergleich dazu wirkt das Engagement bei Daimler-Chrysler geradezu dürftig: Der ganze international tätige Autokonzern ist, gemessen am aktuellen Börsenkurs, gerade gut 35 Milliarden Euro wert.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.02.2005, Nr. 26 / Seite 18
Bildmaterial: picture-alliance / dpa, F.A.Z.
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