Putins Rede
Wladimir Putin hat am Dienstag als erster russischer Präsident eine Rede vor dem Deutschen Bundestag gehalten. Er sprach nur wenige einleitende Sätze auf Russisch und hielt den größten Teil auf Deutsch. Auszüge aus der Rede:
(...) Russland hatte gegenüber Deutschland immer besondere Gefühle. (...) Heute erlaube ich mir so die Kühnheit, einen großen Teil meiner Ansprache in der Sprache von Goethe, Schiller und Kant zu halten - in der deutschen Sprache.
(...) Unsererseits existiert die Berliner Mauer nicht mehr. Sie ist vernichtet. (...) Gerade die politische Wahl des russischen Volkes ermöglichte der ehemaligen UdSSR-Führung, die Beschlüsse zu fassen, die letzten Endes zum Abriss der Berliner Mauer geführt hatten.
(...) Niemand bezweifelt den großen Wert der Beziehungen Europas und der Vereinigten Staaten - nur bin ich einfach der Meinung, dass Europa sicher und langfristig den Ruf eines mächtigen und real selbstständigen Mittelpunktes der Weltpolitik festigen wird, wenn es die eigenen Möglichkeiten mit den russischen (...) vereinigen kann. (...) Jetzt ist es an der Zeit, daran zu denken, was zu tun ist, damit das einheitliche und sichere Europa zum Vorboten einer einheitlichen und sicheren Welt wird (...).
Russland ist ein freundliches europäisches Land (...). Wenn wir aber (...) angefangen haben, von der Sicherheit zu sprechen, müssen wir uns zuerst klarmachen, vor wem wir uns schützen müssen und wie. In diesem Zusammenhang kann ich die Katastrophe, die am 11. September in den Vereinigten Staaten geschehen ist, nicht unerwähnt lassen (...). Ich finde, dass wir alle daran schuldig sind, vor allem wir, die Politiker (...). Wir leben weiterhin im alten Wertesystem. Wir sprechen von einer Partnerschaft - nur in Wirklichkeit haben wir immer noch nicht gelernt, einander zu vertrauen. (...)
Als ob wir nicht bemerken, dass die Welt sich nicht mehr in zwei feindliche Lager teilt. Die Welt ist (...) viel, viel komplizierter geworden. Wir wollen nicht oder können nicht erkennen, dass die Sicherheitsstruktur, die wir in den vorigen Jahrzehnten erschaffen haben (...) heute nicht in der Lage ist, den neuen Bedrohungen zu widerstehen. (...)
Als Folge der Explosionen der bewohnten Häuser in Moskau und anderen großen Städten Russlands kamen hunderte friedlicher Menschen ums Leben. Religiöse Fanatiker, nachdem sie die Macht in Tschetschenien ergriffen haben und einfache Bürger zu Geiseln gemacht haben, begannen sie einen unverschämten, großräumigen bewaffneten Angriff auf die benachbarte Republik Dagestan. Internationale Terroristen haben offen (...) ihre Absichten über die Erschaffung eines neuen fundamentalistischen Staates zwischen dem Schwarzen und Kaspischen Meer angekündigt (...). Fehlerhaft wäre es, ein Gleichheitszeichen zwischen Moslems im Generellen und religiösen Fanatikern zu stellen. (...)
Natürlich soll das Böse bestraft werden (...). In diesem Sinne bin ich voll und ganz mit dem amerikanischen Präsidenten einverstanden. (...) Diese Gefahren können von weiten Grenzen unseres Kontinents in die Mitte des Herzens Europas stechen. (...) Trotz allem Positiven, das in den vergangenen Jahrzehnten erreicht wurde, haben wir es bisher nicht geschafft, einen effektiven Mechanismus der Zusammenarbeit auszuarbeiten. Die bisher ausgebauten Koordinationsorgane geben Russland keine realen Möglichkeiten, bei der Vorbereitung der Beschlussfassung mitzuwirken. Heutzutage werden Entscheidungen manchmal überhaupt ohne uns getroffen. Nur werden wir dann nachdrücklich gebeten, sie zu bestätigen. (...)
(...) Es schien mir vor kurzem, bald würde auf dem Kontinent ein richtiges Gemeinhaus entstehen, in welchem Europäer nicht in östliche und westliche, nördliche und südliche geteilt werden, solche Trennungslinien aber bleiben. Und zwar deswegen, weil wir wir uns bis jetzt noch nicht endgültig von vielen Stereotypen und ideologischen Klischees des Kalten Krieges befreit haben. (...) Der Kalte Krieg ist vorbei. (...). Ich kann mit Zuversicht sagen, das Hauptziel der Innenpolitik von Russland ist vor allem die Gewährleitung der demokratischen Rechte und Freiheiten. (...)
Meine Damen und Herren, in unserer gemeinsamen Geschichte hatten wir verschiedene Seiten, manchmal auch schmerzhafte, besonders im 20. Jahrhundert. Aber früher waren wir viel öfter Verbündete (...). Heutzutage ist Deutschland wichtigster Wirtschaftspartner von Russland, unser bedeutsamster Gläubiger, einer der Hauptinvestoren, maßgebender außenpolitischer Gesprächspartner. (...)
Wir sind natürlich am Anfang des Aufbaus der demokratischen Gesellschaft und der Marktwirtschaft. Aber abgesehen von den objektiven Problemen und manchmal (...) eigener Ungewandtheit schlägt unter dem allen das starke lebendige Herz Russlands, welches für vollwertige Zusammenarbeit und Partnerschaft geöffnet ist (...).
Quelle: Der Spiegel
Wladimir Putin hat am Dienstag als erster russischer Präsident eine Rede vor dem Deutschen Bundestag gehalten. Er sprach nur wenige einleitende Sätze auf Russisch und hielt den größten Teil auf Deutsch. Auszüge aus der Rede:
(...) Russland hatte gegenüber Deutschland immer besondere Gefühle. (...) Heute erlaube ich mir so die Kühnheit, einen großen Teil meiner Ansprache in der Sprache von Goethe, Schiller und Kant zu halten - in der deutschen Sprache.
(...) Unsererseits existiert die Berliner Mauer nicht mehr. Sie ist vernichtet. (...) Gerade die politische Wahl des russischen Volkes ermöglichte der ehemaligen UdSSR-Führung, die Beschlüsse zu fassen, die letzten Endes zum Abriss der Berliner Mauer geführt hatten.
(...) Niemand bezweifelt den großen Wert der Beziehungen Europas und der Vereinigten Staaten - nur bin ich einfach der Meinung, dass Europa sicher und langfristig den Ruf eines mächtigen und real selbstständigen Mittelpunktes der Weltpolitik festigen wird, wenn es die eigenen Möglichkeiten mit den russischen (...) vereinigen kann. (...) Jetzt ist es an der Zeit, daran zu denken, was zu tun ist, damit das einheitliche und sichere Europa zum Vorboten einer einheitlichen und sicheren Welt wird (...).
Russland ist ein freundliches europäisches Land (...). Wenn wir aber (...) angefangen haben, von der Sicherheit zu sprechen, müssen wir uns zuerst klarmachen, vor wem wir uns schützen müssen und wie. In diesem Zusammenhang kann ich die Katastrophe, die am 11. September in den Vereinigten Staaten geschehen ist, nicht unerwähnt lassen (...). Ich finde, dass wir alle daran schuldig sind, vor allem wir, die Politiker (...). Wir leben weiterhin im alten Wertesystem. Wir sprechen von einer Partnerschaft - nur in Wirklichkeit haben wir immer noch nicht gelernt, einander zu vertrauen. (...)
Als ob wir nicht bemerken, dass die Welt sich nicht mehr in zwei feindliche Lager teilt. Die Welt ist (...) viel, viel komplizierter geworden. Wir wollen nicht oder können nicht erkennen, dass die Sicherheitsstruktur, die wir in den vorigen Jahrzehnten erschaffen haben (...) heute nicht in der Lage ist, den neuen Bedrohungen zu widerstehen. (...)
Als Folge der Explosionen der bewohnten Häuser in Moskau und anderen großen Städten Russlands kamen hunderte friedlicher Menschen ums Leben. Religiöse Fanatiker, nachdem sie die Macht in Tschetschenien ergriffen haben und einfache Bürger zu Geiseln gemacht haben, begannen sie einen unverschämten, großräumigen bewaffneten Angriff auf die benachbarte Republik Dagestan. Internationale Terroristen haben offen (...) ihre Absichten über die Erschaffung eines neuen fundamentalistischen Staates zwischen dem Schwarzen und Kaspischen Meer angekündigt (...). Fehlerhaft wäre es, ein Gleichheitszeichen zwischen Moslems im Generellen und religiösen Fanatikern zu stellen. (...)
Natürlich soll das Böse bestraft werden (...). In diesem Sinne bin ich voll und ganz mit dem amerikanischen Präsidenten einverstanden. (...) Diese Gefahren können von weiten Grenzen unseres Kontinents in die Mitte des Herzens Europas stechen. (...) Trotz allem Positiven, das in den vergangenen Jahrzehnten erreicht wurde, haben wir es bisher nicht geschafft, einen effektiven Mechanismus der Zusammenarbeit auszuarbeiten. Die bisher ausgebauten Koordinationsorgane geben Russland keine realen Möglichkeiten, bei der Vorbereitung der Beschlussfassung mitzuwirken. Heutzutage werden Entscheidungen manchmal überhaupt ohne uns getroffen. Nur werden wir dann nachdrücklich gebeten, sie zu bestätigen. (...)
(...) Es schien mir vor kurzem, bald würde auf dem Kontinent ein richtiges Gemeinhaus entstehen, in welchem Europäer nicht in östliche und westliche, nördliche und südliche geteilt werden, solche Trennungslinien aber bleiben. Und zwar deswegen, weil wir wir uns bis jetzt noch nicht endgültig von vielen Stereotypen und ideologischen Klischees des Kalten Krieges befreit haben. (...) Der Kalte Krieg ist vorbei. (...). Ich kann mit Zuversicht sagen, das Hauptziel der Innenpolitik von Russland ist vor allem die Gewährleitung der demokratischen Rechte und Freiheiten. (...)
Meine Damen und Herren, in unserer gemeinsamen Geschichte hatten wir verschiedene Seiten, manchmal auch schmerzhafte, besonders im 20. Jahrhundert. Aber früher waren wir viel öfter Verbündete (...). Heutzutage ist Deutschland wichtigster Wirtschaftspartner von Russland, unser bedeutsamster Gläubiger, einer der Hauptinvestoren, maßgebender außenpolitischer Gesprächspartner. (...)
Wir sind natürlich am Anfang des Aufbaus der demokratischen Gesellschaft und der Marktwirtschaft. Aber abgesehen von den objektiven Problemen und manchmal (...) eigener Ungewandtheit schlägt unter dem allen das starke lebendige Herz Russlands, welches für vollwertige Zusammenarbeit und Partnerschaft geöffnet ist (...).
Quelle: Der Spiegel