Prognosen
„Aktienmarkt erholt sich frühestens Mitte 2009“11. Dezember 2008 In diesem Jahr zeigen die Volkswirte und Analysten der Banken ungewohnte Einigkeit in ihren Ausblicken auf den Kapitalmarkt 2009: Es wird zunächst einmal düster bleiben, darüber herrscht Konsens. Wie düster es jedoch werden wird und wann sich der dunkle Schleier dann doch lüftet - darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Mehrzahl der Analysten rechnet damit, dass der Druck auf die Aktienmärkte im ersten Halbjahr zunächst einmal nicht abnehmen wird. Am Mittwoch hat sich der deutsche Leitindex Dax wenig verändert; kurz vor Handelsschluss lag er mit 4784 Punkten um 0,2 Prozent im Plus.
„Eine Erholung ist erst Ende nächsten Jahres absehbar“, schätzt Citigroup-Volkswirt Jürgen Michels. Aktien seien zwar günstig, aber bei den Gewinnschätzungen sei noch lange nicht das Rezessionsszenario eingepreist, das die Citigroup erwarte. „Industriestaaten müssen auch 2009 mit einer erheblichen Abschwächung rechnen, erst im späteren Verlauf des kommenden Jahres kann es zu einer Stabilisierung kommen“, sagt Michels. Von daher sei auch in den kommenden Monaten eine Belastung der Aktienkurse zu erwarten.
Rat für Privatanleger: Noch 2008 in den Aktienmarkt einsteigen
Ein etwas anderes Szenario entwirft hingegen Sal. Oppenheim. Die Fachleute der Privatbank gehen zwar auch davon aus, dass sich der künftige Gewinneinbruch in den Analystenschätzungen noch nicht ausreichend widerspiegelt. Die Gewinnschätzungen für 2009/10 seien noch um 20 bis 30 Prozent überhöht, bis zum zweiten Quartal 2009 dürften sie weiter nach unten revidiert werden. Allerdings erwartet Sal. Oppenheim ab dem zweiten Quartal 2009 eine sukzessive Stabilisierung der weltweiten Konjunktur durch eine sehr aggressive Fiskal- und Geldpolitik. Das könne dem Aktienmarkt Ende des ersten Halbjahres wiederum Auftrieb geben. „Zur Jahresmitte könnte der Dax bei 6000 Punkten stehen“, sagt Matthias Jörss, leitender Aktienstratege bei Sal. Oppenheim. Auf diese Erholung folge jedoch ein abermaliger Abschwung am Aktienmarkt. „Die Zweifel über eine Nachhaltigkeit der Erholung bremsen die Aktien im zweiten Halbjahr“, prognostiziert Jörss. Am Jahresende könnte der Dax dann wieder auf einen Stand von 4800 bis 5400 Punkten fallen.
Privatanlegern rät Sal. Oppenheim, sogar noch 2008 in den Aktienmarkt einzusteigen - vor allem jedoch wegen der Abgeltungsteuer. Anleger sollten vor allem auf Titel mit einer hohen Dividende setzen, die durch einen hohen Mittelzufluss gestützt werde. Weitere Kriterien für die Aktienauswahl sollten eine niedrige Verschuldung und ein konjunkturstabiles Geschäftsmodell sein. In der Zwischenerholung zur Jahresmitte favorisiert Sal. Oppenheim zyklische Werte, weil alle Investoren defensive Branchen übergewichten würden. „Wir bevorzugen Branchen, die von einer Reflationierung profitieren, wie Chemie, Grundstoffe und Versorger“, sagt Jörss. Der Ausblick der Dresdner Bank auf den deutschen Aktienmarkt klingt zunächst einmal weniger zuversichtlich. Einen Stand des Dax zwischen 4200 und 4700 Punkten prognostiziert Michael Heise, Chefvolkswirt des Instituts, für die kommenden drei Monate. Danach gehe es jedoch wieder bergauf.
EZB wird Zins auf unter 2 Prozent senken
Einig sind sich die Bankvolkswirte in der Annahme, dass sowohl die amerikanische Notenbank Fed als auch die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsen noch weiter senken und den Markt mit Liquidität fluten werden. „Die Notenbanken haben die Schleusen geöffnet. Die Fed hat ihren Leitzins der Grenze von null Prozent angenähert, und auch die EZB wird ihren Leitzins Anfang 2009 unter 2 Prozent senken“, prognostiziert die Commerzbank. Die Citigroup geht sogar noch einen Schritt weiter. Auch sie sieht den Zinssatz in den Vereinigten Staaten 2009 auf null Prozent sinken; Michels will aber auch für den Euro-Raum eine Nullzinspolitik nicht ausschließen. Mitte des Jahres werde die EZB den Zins wohl auf ein Prozent senken. Norbert Braems, Chefvolkswirt von Sal. Oppenheim, rechnet mit einer Senkung des Leitzinses durch die EZB auf 1,5 Prozent. Durch die Kreditkrise sei die Geldpolitik jedoch nur partiell und verzögert wirksam.
Immerhin ein Quentchen Trost bietet der Ausblick von HSBC. „Die Rezession wird nicht in eine Depression münden“, zeigt sich Christian Heger, Mitglied der Geschäftsführung von HSBC Global Asset Management, überzeugt. Mit einer Bodenbildung am Aktienmarkt rechnet er zwar erst Ende des ersten Halbjahres 2009, allerdings stünden die Zeichen für eine technisch bedingte vorübergehende Erholung in den nächsten Monaten gut, sagt Heger.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: F.A.Z.