In der Hauptstadt gilt nach den Angriffen der USA auf Afghanistan Sicherheitsstufe eins, der Bürgermeister erwägt sogar Kontrollposten auf Berlins Straßen. Wirklich ernst jedoch, so fürchten die Sicherheitsbehörden, wird die Lage erst, wenn Deutschland sich an den Angriffen gegen den Terror beteiligt.
Berlin - Für Touristen ist das Sightseeingvergnügen in Berlin dieser Tage leicht getrübt. Dafür kommen Fans von schweren Polizeipanzern und Bundesgrenzschützern mit schussbereiten Maschinengewehren umso mehr auf ihre Kosten. Besonders der Bezirk Mitte, in dem sowohl das deutsche Regierungsviertel als auch ein Großteil der internationalen Botschaften liegt, gleicht mehr und mehr einem Sperrgebiet. An fast jeder Straßenkreuzung stehen Mannschaftswagen mit acht Bereitschaftspolizisten in Kampfmontur. Alle amerikanischen und jüdischen Einrichtungen sind mit Sperrgittern gesichert.
So scheuen die Behörden vor fast keiner Maßnahme mehr zurück. Schon am frühen Morgen setzten sich die Verantwortlichen erneut zusammen und diskutierten die Lage. Das erste Ergebnis teilte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gleich mit: In Zukunft müssen sich Berliner Bürger und Touristen auf Straßenkontrollen einrichten. An Zufahrtsstraßen sollen Ausweis- und Fahrzeugkontrollen durchgeführt werden. Bisher jedoch hat noch keine Polizeidirektion der Hauptstadt eine solche Maßnahme beschlossen.
Lange Kontrollen drohen
"Solange der Krieg dauert, sollte jeder seinen Ausweis dabei haben, sonst muss er mit langen Kontrollen über Funk rechnen", warnte ein leitender Polizeibeamter schon am Montag. Darüber hinaus sollen alle Genehmigungen für Demonstrationen intensiver geprüft werden. Der Berliner Wahlkampf wird in den kommenden Tagen zum Erliegen kommen, da mehrere Veranstaltungen aus Sicherheitsgründen abgesagt werden sollen.
Schon wenige Minuten nach den ersten Meldungen über die Bombenattacken auf Kabul und andere Städte in Afghanistan setzte die Polizei am Sonntagabend ihren Sicherheitsplan für die Hauptstadt in Kraft. Über ein Codewort wurden alle verfügbaren Kräfte aktiviert und zum Dienst beordert. Schon vor den Angriffen hatte die Schutzpolizei gemeinsam mit dem Staatsschutz und dem Verfassungsschutz ein Szenario entworfen, um die Sicherheit in der Hauptstadt zu gewährleisten.
Bisher jedoch schätzen die Experten die Lage als ruhig ein. Dies könnte sich jedoch ändern, wenn die deutsche Bundeswehr die USA bei ihren Militäraktionen unterstützt. "Eine deutsche Beteiligung würde eine ganz neue Lage schaffen, denn dann ist auch Deutschland ein potentieller Feind für Extremisten", warnte ein Beamter. Spätestens dann tritt auch ein neuer Sicherheitsplan in Kraft, der noch wesentlich mehr Polizeischutz und Kontrollen vorsieht.
Gefahr von außen und von innen
Bei den Maßnahmen kämpfen die Beamten an mehreren Fronten: Zum einen müssen sie den Schutz der deutschen Regierungseinrichtungen gewährleisten sowie den der amerikanischen Botschaft und anderer Institutionen. Zum anderen müssen sich die Behörden auch auf Reaktionen in den muslimischen Gemeinden Berlins einstellen. Von ihnen kann ebenfalls eine Gefahr ausgehen, gleichzeitig müssen aber auch sie vor Angriffen geschützt werden.
Die Maßnahmen dieses umfassenden Plans sind in Berlin nicht zu übersehen. Die amerikanische Botschaft gleicht einer Festung, umringt von Polizeipanzern und schwer bewaffneten Uniformierten. Den Botschaftsschutz hat mittlerweile der Bundesgrenzschutz übernommen. Auch die englische Landesvertretung nahe des Brandenburger Tors wird wegen der britischen Beteiligung an den Angriffen mit mehreren Dutzend Polizisten geschützt. Insgesamt werden mehr als 500 internationale und nationale Einrichtungen gesondert bewacht.
Observationen vor Moscheen
Dabei hat die Polizei fast jeden verfügbaren Mann auf der Straße - in zivil und in Uniform. Überall in der Stadt sind Spezialeinheiten unterwegs. Die Beamten observieren neben potenziell gefährdeten Institutionen auch Plätze und Objekte, von denen Gefahr ausgehen kann. So beobachtet der Staatsschutz mehrere Moscheen und Kulturvereine, die den Beamten als Treffpunkte für Radikal-Islamisten bekannt sind. Ebenso haben die Behörden die Beobachtung linker Treffs verstärkt.
Die Berliner Landesregierung wollte am Montag weitere Sicherheitsmaßnahmen beraten. Sowohl der Bürgermeister als auch der Innensenator warnten vor einer Panik in der Bevölkerung und betonten, dass es zurzeit keine konkreten Anhaltspunkte für Anschläge oder ähnliches gebe.