Bulle & Bär
Profis ziehen die Reißleine
Kurseinbrüche und Turbulenzen belegen, dass sich die Stimmung an den Börsen empfindlich eingetrübt hat. Emotionen und Verlustängste dominieren. Fundamentale Daten wie Firmengewinne und Bewertungen zählen nicht mehr. Vor allem Profis ziehen die Reißleine, weil sie Schieflagen vermeiden wollen.
DÜSSELDORF. In nur einem Monat ist so viel Porzellan zerschlagen worden, dass die dreijährige Hausse erst einmal zu Ende ist. Höhere Kurse helfen nicht mehr, neues Geld an die Börse zu bringen. Anleger nutzen jetzt kurze Erholungen für Gewinnmitnahmen. Und Kurstiefs lösen neue Verkäufe aus.
Für die Kettenreaktion und abrupte Kehrtwende machen Händler und Analysten institutionelle Adressen verantwortlich. Diese gehen ganz anders an die Börse ran als viele Privatanleger. Vor allem Versicherer setzen sich bei jedem Aktienkauf und zu Beginn jedes Geschäftsjahres feste Verlustgrenzen. Sie steigen aus, sobald die Kurse unter das Limit fallen.
Die Vorsicht der Profis ist eine Lehre aus der Baisse nach der Jahrtausendwende. Damals gerieten einige Assekuranzen in Schieflagen, weil ihre Anlage- und damit die Versichertengelder dramatisch an Wert verloren. Damit sich das nicht wiederholt, bauen die Institutionellen jetzt auf ein striktes Risikomanagement.
Der Konjunkturaufschwung, hohe Unternehmenserträge und niedrige Bewertungen rücken dabei in den Hintergrund. Ja, harte Fakten werden außer Kraft gesetzt. Obwohl die Firmen Rekordgewinne einfahren, ihre Prognosen nach oben anpassen und die Bewertungen sich damit weiter reduzieren, fallen die Kurse technisch bedingt weiter.
Um sich abzusichern, können Privatanleger den Anlagestil der Profis natürlich imitieren und mit engen Stopp-Loss-Marken die Verluste begrenzen. Allerdings verzichten sie dann auch darauf, vielleicht kurzfristige Verluste auszusitzen, womöglich billig einzusteigen oder nachzukaufen und damit langfristige Gewinne zu maximieren.
Welche Taktik sich am Ende auszahlt, ist offen. Fundamental deutet einiges darauf hin, dass sich die Börsen ähnlich wie nach dem Einbruch im Jahr 1998 erholen. Damals brachen die Kurse kurzzeitig ein, als die Russlandkrise und die Beinahe-Pleite des Hedge-Fonds LTCM die Märkte in Atem hielten.
Auf der anderen Seite spiegeln die heutigen guten Daten nur den Ist-Zustand wider. Niemand kann ausschließen, dass die Firmengewinne im nächsten oder übernächsten Jahr um die Hälfte einbrechen – so wie 2001, als die Internetblase zu platzen begann.
Immerhin: Die Konjunktur läuft, die Firmen haben ihre Kosten nachhaltig gesenkt und Produktionsabläufe gestrafft. Sie stehen heute viel besser da als je zuvor. Und ganz wichtig: Von überbordendem Optimismus und überzogenen Gewinnerwartungen wie früher ist bei Unternehmen und Finanzanalysten derzeit weit und breit keine Spur.
Quelle: HANDELSBLATT, Donnerstag, 22. Juni 2006, 07:00 Uhr
Euch,
Einsamer Samariter
Profis ziehen die Reißleine
Kurseinbrüche und Turbulenzen belegen, dass sich die Stimmung an den Börsen empfindlich eingetrübt hat. Emotionen und Verlustängste dominieren. Fundamentale Daten wie Firmengewinne und Bewertungen zählen nicht mehr. Vor allem Profis ziehen die Reißleine, weil sie Schieflagen vermeiden wollen.
DÜSSELDORF. In nur einem Monat ist so viel Porzellan zerschlagen worden, dass die dreijährige Hausse erst einmal zu Ende ist. Höhere Kurse helfen nicht mehr, neues Geld an die Börse zu bringen. Anleger nutzen jetzt kurze Erholungen für Gewinnmitnahmen. Und Kurstiefs lösen neue Verkäufe aus.
Für die Kettenreaktion und abrupte Kehrtwende machen Händler und Analysten institutionelle Adressen verantwortlich. Diese gehen ganz anders an die Börse ran als viele Privatanleger. Vor allem Versicherer setzen sich bei jedem Aktienkauf und zu Beginn jedes Geschäftsjahres feste Verlustgrenzen. Sie steigen aus, sobald die Kurse unter das Limit fallen.
Die Vorsicht der Profis ist eine Lehre aus der Baisse nach der Jahrtausendwende. Damals gerieten einige Assekuranzen in Schieflagen, weil ihre Anlage- und damit die Versichertengelder dramatisch an Wert verloren. Damit sich das nicht wiederholt, bauen die Institutionellen jetzt auf ein striktes Risikomanagement.
Der Konjunkturaufschwung, hohe Unternehmenserträge und niedrige Bewertungen rücken dabei in den Hintergrund. Ja, harte Fakten werden außer Kraft gesetzt. Obwohl die Firmen Rekordgewinne einfahren, ihre Prognosen nach oben anpassen und die Bewertungen sich damit weiter reduzieren, fallen die Kurse technisch bedingt weiter.
Um sich abzusichern, können Privatanleger den Anlagestil der Profis natürlich imitieren und mit engen Stopp-Loss-Marken die Verluste begrenzen. Allerdings verzichten sie dann auch darauf, vielleicht kurzfristige Verluste auszusitzen, womöglich billig einzusteigen oder nachzukaufen und damit langfristige Gewinne zu maximieren.
Welche Taktik sich am Ende auszahlt, ist offen. Fundamental deutet einiges darauf hin, dass sich die Börsen ähnlich wie nach dem Einbruch im Jahr 1998 erholen. Damals brachen die Kurse kurzzeitig ein, als die Russlandkrise und die Beinahe-Pleite des Hedge-Fonds LTCM die Märkte in Atem hielten.
Auf der anderen Seite spiegeln die heutigen guten Daten nur den Ist-Zustand wider. Niemand kann ausschließen, dass die Firmengewinne im nächsten oder übernächsten Jahr um die Hälfte einbrechen – so wie 2001, als die Internetblase zu platzen begann.
Immerhin: Die Konjunktur läuft, die Firmen haben ihre Kosten nachhaltig gesenkt und Produktionsabläufe gestrafft. Sie stehen heute viel besser da als je zuvor. Und ganz wichtig: Von überbordendem Optimismus und überzogenen Gewinnerwartungen wie früher ist bei Unternehmen und Finanzanalysten derzeit weit und breit keine Spur.
Quelle: HANDELSBLATT, Donnerstag, 22. Juni 2006, 07:00 Uhr
Euch,
Einsamer Samariter