Jüngstes Gerücht - nur noch neun Tage, und der Haarspezialist ist in die USA verkauft. Angeblich ist der Familienclan Ströher von seiner resoluten Anti-Verkaufshaltung abgewichen.
Darmstadt/Cincinnati - 78 Prozent der profitablen Wella AG liegen in den Händen der Nachkommen des Friseurmeisters Franz Ströher, der das Unternehmen vor 123 Jahren gründete. Die Mehrheitseigner des Haarpflege- und Kosmetik-Spezialisten hatten sich in den vergangenen Monaten und Jahren stets resistent gegen Kauf-Avancen gezeigt - jetzt scheinen sie eingeknickt zu sein.
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Unternehmensperle in Darmstadt: Wella-Firmensitz
Bei einem Gebot von fünf bis sechs Milliarden Euro, das der US-Gigant Procter & Gamble vorgelegt hat, sollen die Entscheider schwach geworden sein. Denn die Marktkapitalisierung von Wella liegt bei "nur" 4,5 Milliarden Euro - trotz des seit September 2002 fast verdoppelten Aktienkurses.
Schon vor der nächsten Aufsichtsratssitzung am 13. März könnte der Deal nach einem Bericht des Handelsblatts unterzeichnet sein.
"Ein Verkauf wäre immer noch eine Überraschung"
Bestätigt ist bisher jedoch nur aus unternehmensnahen Quellen, dass es Gespräche zwischem dem US-Konzern, der Produkte wie Pantene, Lenor, Pampers, Crest und Ariel anbietet, und Wella in Darmstadt gegeben hat.
Der Arbeitnehmer-Vertreter im Wella-Aufsichtsrat, Peter Haacke, dementiert jedoch noch und nennt die mögliche Entscheidung für einen Verkauf "immer noch eine Überraschung".
HypoVereinsbank-Analyst Christian Weiz ist ebenfalls skeptisch: "Es fällt mir schwer, Argumente zu finden, warum die Familie Ströher ausgerechnet jetzt verkaufen sollte."
Verkauf aus Geldnot?
Es gebe allerdings Gerüchte, dass ein Teil des Familienclans möglicherweise in Geldnot sein könnte, weil er sich verspekuliert habe. "Ich weiß nicht, ob an diesen Gerüchten etwas dran ist", sagte Weiz. Es könnte auch eine Saure-Gurken-Zeit-Spekulation sein, meinte der Analyst.
Nicht vorstellen kann sich Weiz, dass sich die Familie ohne Not von dem Unternehmen trennen würde. "Wo sollte die Familie dann ihr Geld investieren", gibt er zu bedenken. Wella sei ein Unternehmen, das die Familie über Jahrzehnte aufgebaut habe und das gerade in der letzten Zeit viel Freude bereitet habe.
Auch Helaba-Analyst Michael Otto hat bisher keine Bestätigung für die Übernahmegerüchte. Es habe wohl schon mehrere Offerten an die Wella-Großaktionäre gegeben, meinte er. Die Familie habe bislang stets ein Engagement in Wella dem Geld vorgezogen.
Zweite Wahl nach Beiersdorf
Im Falle einer Übernahme könnten nach Meinung von Otto Synergien im Vertrieb und in der Forschung gehoben werden. Für Wella würde das sicher bedeuten, dass Produktionskapazitäten abgezogen würden und an Standorte von P&G verlagert würden. Das Know-how in der Forschung von Wella dürfte für P&G von besonderem Interesse sein, glaubt Otto.
Volker Herget von der Bankgesellschaft Berlin sieht die Gerüchte um die P&G-Übernahme im Kontext der Spekulationen um die angebliche Übernahme der Hamburger Beiersdorf AG durch P&G. Bei den Hamburgern sei das US-Unternehmen womöglich nicht zum Zug gekommen.
Um seine ehrgeizigen Wachstumsziele zu erfüllen, suche P&G nun nach einer alternativen Kaufgelegenheit. Herget bezweifelt, dass der Kauf von Wella der perfekte Deal für P&G wäre. Im Retailbereich sei das Unternehmen bereits relativ stark mit der Marke "Clairol" vertreten. Auch regional gebe es viele Überlappungen. Ob die Familie verkaufen werde, sei völlig offen, meinte Herget.
Sandhya Raju, Konsum-Spezialistin bei Merrill Lynch, warnt vor zuviel Merger-Optimismus: "Die Familie Ströher könnte jederzeit ihre Meinung ändern - und bisher ist noch nicht einmal ein Bieter-Prozess eingeleitet."
Gruß Pichel