Pressespiegel vom 20.05.2005
1. Überblick
Die große Mehrheit der heutigen Tageszeitungen (LE MONDE, LE FIGARO, LIBERATION, L'HUMANITE und LE PARISIEN) macht mit europapolitischen Themen auf. LA CROIX titelt mit dem Widerstand der Siedler im Gazastreifen und LES ECHOS mit dem guten Ergebnis von Air France - KLM (20,7% Gewinnsteigerung). Über das Treffen Chirac-Schröder-Kwasniewski in Nancy und ihrem Aufruf an die Franzosen, am 29. Mai dem EU-VV zuzustimmen, wird in allen Zeitungen berichtet.
Die Berichterstattung zu außenpolitischen Themen fällt auch heute sehr unterschiedlich aus: sie reicht von den Problemen beim israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen (LE MONDE, LE FIGARO), über den Aufstieg Indiens zur veritablen Großmacht (LE FIGARO), dem "Urteil ohne Ende" im Jukos-Prozess (LIBERATION) bis zum belgischen Sprachenstreit (LE FIGARO).
Innenpolitisch dominieren in der Berichterstattung die Proteste der französischen Rechtsanwälte gegen Teile der Strafrechtsreform "Loi Perben II", die aus deren Sicht eine Schwächung der Verteidigung nach sich ziehe.
Deutschlandberichterstattung findet sich ausführlich über die NRW-Wahl und die unzureichenden Wirkungen von Hartz IV in LE MONDE. In LES ECHOS zwei Sonderseiten über die Wahlen in NRW ("NRW denkt an Wechsel") und die Wirtschaftslage.
2. Im Einzelnen
a) Europa
Referendum und "Weimarer Dreieck"
LE FIGARO und LE MONDE betonen, das Treffen von Nancy sei der erste Auftritt des französischen Staatschefs zum Referendum seit rund zwei Wochen gewesen. Eingerahmt von Bundeskanzler Schröder und vom polnischen Staatspräsidenten Kwasniewski habe sich Chirac als energischer Verfechter des Ja präsentiert, so LE FIGARO. Einigkeit habe bestanden, dass es keine Neuverhandlung des EU-Verfassungsvertrages geben könne. Im Leitartikel begrüßt LE FIGARO das große Interesse der europäischen Nachbarn am französischen Referendum. Manche Äußerungen seien bisweilen unangenehm für Frankreich, aber letztlich enthielten sie fast alle die Botschaft, Frankreich werde in Europa gebraucht. Wie unterschiedlich der EU-Verfassungsvertrag gelesen und interpretiert werden könne, zeige sich an Italien oder Großbritannien, wo man dem EU-Verfassungsvertrag nicht eine zu große Liberalität - wie in Frankreich - attestiere, sondern ihn im Gegenteil zu sozial betont empfinde. Unter Anspielung auf gegenläufige!
Äußerungen Chiracs und Sarkozys wird unterstrichen, dass auch in Frankreich die einen den EU-Verfassungsvertrag als Mittel zur Festschreibung der sozialpolitischen Errungenschaften, andere ihn zur Reform des nicht mehr zeitgemäßen Sozialsystems heranziehen wollen.
LE MONDE konzentriert sich erscheinungsbedingt noch auf die Veranstaltung des PS am 18. Mai, an der u. a. auch Bundesaußenminister Fischer teilgenommen hatte. Die europäische Linke eile zur Hilfe, um das französische Ja zu retten, so der Tenor.
LIBERATION wagt sich in seiner heutigen Europa-Berichterstattung an die Frage, "30. Mai, der Tag nach dem französischen Nein...", und weiter: "Auch wenn die europäischen Führer es nicht zugeben wollen, alle haben das Szenario einer Ablehnung des EU-Verfassungsvertrags durch Frankreich und seiner Konsequenzen durchgespielt." Im Leitartikel heißt es: Diejenigen irren, die glauben, die Franzosen mit einem apokalyptischen Szenario bei einem Nein am 29. Mai beeindrucken zu können. Dafür sitze die Unzufriedenheit mit der Macht zu tief. Die EU werde am 30. Mai nicht von einem Tag auf den anderen wie Atlantis in einem gigantischen Tsunami untergehen. Die europäischen Führer hätten dann auch keine andere Wahl als sich den Realitäten zu stellen. Die Protagonisten des Nein betrieben aber ein Hütchenspiel, wenn sie glauben machen wollten, dass man nach einer Ablehnung des EU-Verfassungsvertrags die anderen Europäer einfach so für einen anderen Plan gewinnen könne. Nicht wenige hätten vi!
elleicht dem EU-Verfassungsvertrag zugestimmt und werden sich nicht von einem gallischen Nein beeindrucken lassen. Ein Nein werfe die EU auf Nizza zurück. Niemand könne den EU-Verfassungsvertrag als Versicherung für ein europäisches Paradies verkaufen, was auch die glühendsten Befürworter nicht tun. Aber man sollte schon zweimal darüber nachdenken, sich auf eine Reise ins Ungewisse mit einem Nein zu begeben, schließt LIBERATION. In einem Interview mit LIBERATION spricht Ratspräsident Juncker von einer Krise im Falle eines Neins, die allerdings keine "heilsame Krise" sei, wie einige Nein-Verfechter meinten. Er weist darauf hin, dass auch nach Ablehnung der EVG 1954 durch Frankreich es keine Neuverhandlungen über dieses Projekt gegeben hätte. Befragt, ob der EU-Verfassungsvertrag auch nur in den Ländern, die zugestimmt hätten, in Kraft treten könnte, gab Juncker zu erkennen, dies sei vorstellbar, aber Luxemburg wolle nicht in einem Boot sitzen, auf dem es keine Franzosen gäbe,!
denn Europa ohne Frankreich sei nicht mehr Europa; im übrigen wäre auch Frankreich nicht mehr Frankreich ohne in Europa zu sein.
LIBERATION spielt darüber hinaus für den Fall eines Nein Szenarien für die Rechte und die Linke durch: Chirac werde auf jeden Fall im Amt bleiben, einen neuen Premierminister ernennen, der de Villepin, Alliot-Marie oder auch Sarkozy heißen könne. Auf der Linken sei die Lage unübersichtlicher, sie könne bis zur Explosion des PS führen. Fabius wolle Kandidat für 2007 werden, nicht so sehr PS-Chef.
Finanzplanung 2007-2013
Mit der Ankündigung des EU-Ratsvorsitzenden Juncker am 22. Mai seine Vorstellungen für einen Kompromiss im Rat der Außenminister vorzustellen, sieht LE FIGARO die Schlacht um das Budget eröffnet. Zwei heilige Kühe stünden zur Schlacht an: der Britenrabatt und indirekt die gemeinsame Agrarpolitik. Einer Renationalisierung der gemeinsamen Agrarpolitik könne Frankreich mindestens ebenso wenig zustimmen wie mutmaßlich die Briten einer Abschaffung des 4,6 Mrd. Euro teuren Britenrabatts. Bezüglich des Haushaltsvolumens beruft sich LE FIGARO auf eine Kommissionsquelle, die einen Kompromiss bei 1,07 bis 1,1% des BNP sehen.
b) Außenpolitik
Israel/Gazastreifen
LE MONDE und LA CROIX berichten (letztere mehrseitig) über die Schwierigkeiten beim geplanten Rückzug Israels aus dem Gazastreifen. Schwerpunkte der Berichterstattung sind die Widerstände radikaler Siedlergruppen und die heftige innenpolitische Debatte in Israel. Die Hamas-Angriffe und die israelische Vergeltung werden eher als Randerscheinung abgehandelt. In einem Interview mit LA CROIX gab der UMP-Abgeordnete in seiner Eigenschaft als Präsident der parlamentarischen Versammlung der NATO von einer Reise nach Israel zurückgekehrt seiner Befürchtung Ausdruck, dass nach einem israelischen Abzug es im Gazastreifen zu heftigen Gewaltausbrüchen kommen könnte, denen die Palästinenser selbst nicht Herr würden. Er spricht sich für eine "energische europäisch-amerikanische Initiative" aus. Im Leitartikel von LA CROIX sieht man sowohl Scharon als auch Abbas unter erheblichem Druck der eigenen Leute, allerdings gibt sich der Autor (François Ernenwein) hinsichtlich der Friedensaussichte!
n insgesamt optimistisch. Das politische Klima habe sich in Israel nach dem Tode Arafats grundlegend gewandelt.
Indien
Den Aspirationen Indiens nach einem ständigen Sitz im VN-Sicherheitsrat widmet sich ein Artikel in LE FIGARO. Deutschland wird nicht erwähnt. Indien habe außen- wie innenpolitisch bemerkenswerte Erfolge zu verzeichnen: Modus vivendi mit Pakistan, hochrangige Besucher aus Peking und Washington, US-Vorschlag einer strategischen Partnerschaft durch Außenministerin Rice, Besuch Natwar Singhs in Washington am 18. Juli 2005, starkes Wirtschaftswachstum von 6% p. a. sowie erfolgreiche Umstrukturierungen der Wirtschaft. Sonia Gandhi ziehe die Fäden im Hintergrund, habe aber mit ihrem Verzicht auf das Premierminister-Amt zugunsten des Wirtschaftsreformers Singh eine weise Entscheidung getroffen.
Jukos-Prozess
Das sich lange hinziehende Ende des Prozesses gegen Chodorkowski greift erneut LIBERATION auf. Eine Verurteilung vor allem wegen Steuerhinterzeihung sei wahrscheinlich. Die alleinige Zulassung von Anti-Chodorkowski-Demonstrationen wird hervorgehoben. Ihre Zahl sei bescheiden, im staatlichen Fernsehen würden sie umso ausführlicher gezeigt.
Belgien
LE FIGARO greift den belgischen Sprachenstreit im Raum Brüssel auf. Die Flamen heizten den Streit immer weiter an, der inzwischen auch die föderale Regierung in Brüssel bedrohe. Die Frankophonen seien zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit und würden erforderlichenfalls bis zum Europarat gehen, um ihre Rechte zu verteidigen.
c) Innenpolitik
Proteste gegen Strafrechtsreform
Über anhaltende Proteste von Rechtsanwälten gegen eine Beschneidung der Verteidigerrechte im Zuge der Reform des Strafrechts zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (Loi Perben II) berichten alle Tageszeitungen. In LE FIGARO Interview mit Justizminister Perben, der sich gesprächsbereit zeigt, aber auch darauf verweist, dass der Justiz und der Polizei Mittel zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität in allen Erscheinungsformen (Drogen, Prostitution, internationale Geldwäsche u. ä.) an die Hand gegeben werden müssen. LIBERATION spricht von einer "Kriegserklärung der Rechtsanwälte gegen Perben II".
Lage im PS
Lionel Jospin, zumindest vorübergehend auf die politische Bühne zurückgekehrt, nutzte einen Auftritt für die Annahme des EU-Verfassungsvertrag in Nantes zu einem Frontalangriff auf seinen innerparteilichen Widersacher seit 20 Jahren, Laurent Fabius, was in den Zeitungen breite Beachtung findet. LE FIGARO und LIBERATION berichten am ausführlichsten. Jospin kritisierte heftig das Spielen mit den Ängsten der Bevölkerung ausgerechnet durch sich links gerierende Politiker und warf dem Nein-Lager im PS unsolidarisches Verhalten und "Verfälschungen der Wahrheit" vor. LIBERATION weist darauf hin, dass Jospin mit seiner Kritik Fabius zum "Chef des linken Neins" aufwerte.
d) Deutschland
LE MONDE sieht "die SPD Gerhard Schröders" im "Erbhof" NRW am 22. Mai bedroht. Es sei fraglich, ob Münteferings Kunstgriff, den Gegner durch einen Rückgriff in das Vokabular des Klassenkampfs besser stigmatisieren, als Strategie aufgehe. Die Umfragen sähen mit 7 Prozent Vorsprung weiterhin die CDU vorne. In einem separaten Artikel wird auf die bundespolitischen Auswirkungen eines CDU-Sieges in Düsseldorf eingegangen. Ein Amtsverlust Schröders - wie 1982 bei Helmut Schmidt - sei nicht zu erwarten. Aber die Symbolik des NRW-Verlustes würde eine schwere Belastung bis September 2006 werden. LE MONDE spekuliert über eine Regierungsumbildung in Berlin: Steinbrück könnte Eichel als Finanzminister ersetzen, Platzeck und Tiefensee als Hoffnungsträger ins Kabinett berufen werden. Aber viele hätten keine Lust, 16 Monate vor den nächsten Bundestagswahlen ein Risiko einzugehen. Die unzureichenden Wirkungen von Hartz IV werden in einem weiteren LE MONDE-Beitrag analysiert.
LA CROIX bringt ein Porträt des CDU-Spitzenkandidaten Rüttgers; LES ECHOS widmet NRW, dem Wahlkampf, der Wirtschaft, den Städten Köln, Düsseldorf und Münster zwei Sonderseiten.
(Quelle: Pressereferat der deutschen Botschaft in Paris)
1. Überblick
Die große Mehrheit der heutigen Tageszeitungen (LE MONDE, LE FIGARO, LIBERATION, L'HUMANITE und LE PARISIEN) macht mit europapolitischen Themen auf. LA CROIX titelt mit dem Widerstand der Siedler im Gazastreifen und LES ECHOS mit dem guten Ergebnis von Air France - KLM (20,7% Gewinnsteigerung). Über das Treffen Chirac-Schröder-Kwasniewski in Nancy und ihrem Aufruf an die Franzosen, am 29. Mai dem EU-VV zuzustimmen, wird in allen Zeitungen berichtet.
Die Berichterstattung zu außenpolitischen Themen fällt auch heute sehr unterschiedlich aus: sie reicht von den Problemen beim israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen (LE MONDE, LE FIGARO), über den Aufstieg Indiens zur veritablen Großmacht (LE FIGARO), dem "Urteil ohne Ende" im Jukos-Prozess (LIBERATION) bis zum belgischen Sprachenstreit (LE FIGARO).
Innenpolitisch dominieren in der Berichterstattung die Proteste der französischen Rechtsanwälte gegen Teile der Strafrechtsreform "Loi Perben II", die aus deren Sicht eine Schwächung der Verteidigung nach sich ziehe.
Deutschlandberichterstattung findet sich ausführlich über die NRW-Wahl und die unzureichenden Wirkungen von Hartz IV in LE MONDE. In LES ECHOS zwei Sonderseiten über die Wahlen in NRW ("NRW denkt an Wechsel") und die Wirtschaftslage.
2. Im Einzelnen
a) Europa
Referendum und "Weimarer Dreieck"
LE FIGARO und LE MONDE betonen, das Treffen von Nancy sei der erste Auftritt des französischen Staatschefs zum Referendum seit rund zwei Wochen gewesen. Eingerahmt von Bundeskanzler Schröder und vom polnischen Staatspräsidenten Kwasniewski habe sich Chirac als energischer Verfechter des Ja präsentiert, so LE FIGARO. Einigkeit habe bestanden, dass es keine Neuverhandlung des EU-Verfassungsvertrages geben könne. Im Leitartikel begrüßt LE FIGARO das große Interesse der europäischen Nachbarn am französischen Referendum. Manche Äußerungen seien bisweilen unangenehm für Frankreich, aber letztlich enthielten sie fast alle die Botschaft, Frankreich werde in Europa gebraucht. Wie unterschiedlich der EU-Verfassungsvertrag gelesen und interpretiert werden könne, zeige sich an Italien oder Großbritannien, wo man dem EU-Verfassungsvertrag nicht eine zu große Liberalität - wie in Frankreich - attestiere, sondern ihn im Gegenteil zu sozial betont empfinde. Unter Anspielung auf gegenläufige!
Äußerungen Chiracs und Sarkozys wird unterstrichen, dass auch in Frankreich die einen den EU-Verfassungsvertrag als Mittel zur Festschreibung der sozialpolitischen Errungenschaften, andere ihn zur Reform des nicht mehr zeitgemäßen Sozialsystems heranziehen wollen.
LE MONDE konzentriert sich erscheinungsbedingt noch auf die Veranstaltung des PS am 18. Mai, an der u. a. auch Bundesaußenminister Fischer teilgenommen hatte. Die europäische Linke eile zur Hilfe, um das französische Ja zu retten, so der Tenor.
LIBERATION wagt sich in seiner heutigen Europa-Berichterstattung an die Frage, "30. Mai, der Tag nach dem französischen Nein...", und weiter: "Auch wenn die europäischen Führer es nicht zugeben wollen, alle haben das Szenario einer Ablehnung des EU-Verfassungsvertrags durch Frankreich und seiner Konsequenzen durchgespielt." Im Leitartikel heißt es: Diejenigen irren, die glauben, die Franzosen mit einem apokalyptischen Szenario bei einem Nein am 29. Mai beeindrucken zu können. Dafür sitze die Unzufriedenheit mit der Macht zu tief. Die EU werde am 30. Mai nicht von einem Tag auf den anderen wie Atlantis in einem gigantischen Tsunami untergehen. Die europäischen Führer hätten dann auch keine andere Wahl als sich den Realitäten zu stellen. Die Protagonisten des Nein betrieben aber ein Hütchenspiel, wenn sie glauben machen wollten, dass man nach einer Ablehnung des EU-Verfassungsvertrags die anderen Europäer einfach so für einen anderen Plan gewinnen könne. Nicht wenige hätten vi!
elleicht dem EU-Verfassungsvertrag zugestimmt und werden sich nicht von einem gallischen Nein beeindrucken lassen. Ein Nein werfe die EU auf Nizza zurück. Niemand könne den EU-Verfassungsvertrag als Versicherung für ein europäisches Paradies verkaufen, was auch die glühendsten Befürworter nicht tun. Aber man sollte schon zweimal darüber nachdenken, sich auf eine Reise ins Ungewisse mit einem Nein zu begeben, schließt LIBERATION. In einem Interview mit LIBERATION spricht Ratspräsident Juncker von einer Krise im Falle eines Neins, die allerdings keine "heilsame Krise" sei, wie einige Nein-Verfechter meinten. Er weist darauf hin, dass auch nach Ablehnung der EVG 1954 durch Frankreich es keine Neuverhandlungen über dieses Projekt gegeben hätte. Befragt, ob der EU-Verfassungsvertrag auch nur in den Ländern, die zugestimmt hätten, in Kraft treten könnte, gab Juncker zu erkennen, dies sei vorstellbar, aber Luxemburg wolle nicht in einem Boot sitzen, auf dem es keine Franzosen gäbe,!
denn Europa ohne Frankreich sei nicht mehr Europa; im übrigen wäre auch Frankreich nicht mehr Frankreich ohne in Europa zu sein.
LIBERATION spielt darüber hinaus für den Fall eines Nein Szenarien für die Rechte und die Linke durch: Chirac werde auf jeden Fall im Amt bleiben, einen neuen Premierminister ernennen, der de Villepin, Alliot-Marie oder auch Sarkozy heißen könne. Auf der Linken sei die Lage unübersichtlicher, sie könne bis zur Explosion des PS führen. Fabius wolle Kandidat für 2007 werden, nicht so sehr PS-Chef.
Finanzplanung 2007-2013
Mit der Ankündigung des EU-Ratsvorsitzenden Juncker am 22. Mai seine Vorstellungen für einen Kompromiss im Rat der Außenminister vorzustellen, sieht LE FIGARO die Schlacht um das Budget eröffnet. Zwei heilige Kühe stünden zur Schlacht an: der Britenrabatt und indirekt die gemeinsame Agrarpolitik. Einer Renationalisierung der gemeinsamen Agrarpolitik könne Frankreich mindestens ebenso wenig zustimmen wie mutmaßlich die Briten einer Abschaffung des 4,6 Mrd. Euro teuren Britenrabatts. Bezüglich des Haushaltsvolumens beruft sich LE FIGARO auf eine Kommissionsquelle, die einen Kompromiss bei 1,07 bis 1,1% des BNP sehen.
b) Außenpolitik
Israel/Gazastreifen
LE MONDE und LA CROIX berichten (letztere mehrseitig) über die Schwierigkeiten beim geplanten Rückzug Israels aus dem Gazastreifen. Schwerpunkte der Berichterstattung sind die Widerstände radikaler Siedlergruppen und die heftige innenpolitische Debatte in Israel. Die Hamas-Angriffe und die israelische Vergeltung werden eher als Randerscheinung abgehandelt. In einem Interview mit LA CROIX gab der UMP-Abgeordnete in seiner Eigenschaft als Präsident der parlamentarischen Versammlung der NATO von einer Reise nach Israel zurückgekehrt seiner Befürchtung Ausdruck, dass nach einem israelischen Abzug es im Gazastreifen zu heftigen Gewaltausbrüchen kommen könnte, denen die Palästinenser selbst nicht Herr würden. Er spricht sich für eine "energische europäisch-amerikanische Initiative" aus. Im Leitartikel von LA CROIX sieht man sowohl Scharon als auch Abbas unter erheblichem Druck der eigenen Leute, allerdings gibt sich der Autor (François Ernenwein) hinsichtlich der Friedensaussichte!
n insgesamt optimistisch. Das politische Klima habe sich in Israel nach dem Tode Arafats grundlegend gewandelt.
Indien
Den Aspirationen Indiens nach einem ständigen Sitz im VN-Sicherheitsrat widmet sich ein Artikel in LE FIGARO. Deutschland wird nicht erwähnt. Indien habe außen- wie innenpolitisch bemerkenswerte Erfolge zu verzeichnen: Modus vivendi mit Pakistan, hochrangige Besucher aus Peking und Washington, US-Vorschlag einer strategischen Partnerschaft durch Außenministerin Rice, Besuch Natwar Singhs in Washington am 18. Juli 2005, starkes Wirtschaftswachstum von 6% p. a. sowie erfolgreiche Umstrukturierungen der Wirtschaft. Sonia Gandhi ziehe die Fäden im Hintergrund, habe aber mit ihrem Verzicht auf das Premierminister-Amt zugunsten des Wirtschaftsreformers Singh eine weise Entscheidung getroffen.
Jukos-Prozess
Das sich lange hinziehende Ende des Prozesses gegen Chodorkowski greift erneut LIBERATION auf. Eine Verurteilung vor allem wegen Steuerhinterzeihung sei wahrscheinlich. Die alleinige Zulassung von Anti-Chodorkowski-Demonstrationen wird hervorgehoben. Ihre Zahl sei bescheiden, im staatlichen Fernsehen würden sie umso ausführlicher gezeigt.
Belgien
LE FIGARO greift den belgischen Sprachenstreit im Raum Brüssel auf. Die Flamen heizten den Streit immer weiter an, der inzwischen auch die föderale Regierung in Brüssel bedrohe. Die Frankophonen seien zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit und würden erforderlichenfalls bis zum Europarat gehen, um ihre Rechte zu verteidigen.
c) Innenpolitik
Proteste gegen Strafrechtsreform
Über anhaltende Proteste von Rechtsanwälten gegen eine Beschneidung der Verteidigerrechte im Zuge der Reform des Strafrechts zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (Loi Perben II) berichten alle Tageszeitungen. In LE FIGARO Interview mit Justizminister Perben, der sich gesprächsbereit zeigt, aber auch darauf verweist, dass der Justiz und der Polizei Mittel zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität in allen Erscheinungsformen (Drogen, Prostitution, internationale Geldwäsche u. ä.) an die Hand gegeben werden müssen. LIBERATION spricht von einer "Kriegserklärung der Rechtsanwälte gegen Perben II".
Lage im PS
Lionel Jospin, zumindest vorübergehend auf die politische Bühne zurückgekehrt, nutzte einen Auftritt für die Annahme des EU-Verfassungsvertrag in Nantes zu einem Frontalangriff auf seinen innerparteilichen Widersacher seit 20 Jahren, Laurent Fabius, was in den Zeitungen breite Beachtung findet. LE FIGARO und LIBERATION berichten am ausführlichsten. Jospin kritisierte heftig das Spielen mit den Ängsten der Bevölkerung ausgerechnet durch sich links gerierende Politiker und warf dem Nein-Lager im PS unsolidarisches Verhalten und "Verfälschungen der Wahrheit" vor. LIBERATION weist darauf hin, dass Jospin mit seiner Kritik Fabius zum "Chef des linken Neins" aufwerte.
d) Deutschland
LE MONDE sieht "die SPD Gerhard Schröders" im "Erbhof" NRW am 22. Mai bedroht. Es sei fraglich, ob Münteferings Kunstgriff, den Gegner durch einen Rückgriff in das Vokabular des Klassenkampfs besser stigmatisieren, als Strategie aufgehe. Die Umfragen sähen mit 7 Prozent Vorsprung weiterhin die CDU vorne. In einem separaten Artikel wird auf die bundespolitischen Auswirkungen eines CDU-Sieges in Düsseldorf eingegangen. Ein Amtsverlust Schröders - wie 1982 bei Helmut Schmidt - sei nicht zu erwarten. Aber die Symbolik des NRW-Verlustes würde eine schwere Belastung bis September 2006 werden. LE MONDE spekuliert über eine Regierungsumbildung in Berlin: Steinbrück könnte Eichel als Finanzminister ersetzen, Platzeck und Tiefensee als Hoffnungsträger ins Kabinett berufen werden. Aber viele hätten keine Lust, 16 Monate vor den nächsten Bundestagswahlen ein Risiko einzugehen. Die unzureichenden Wirkungen von Hartz IV werden in einem weiteren LE MONDE-Beitrag analysiert.
LA CROIX bringt ein Porträt des CDU-Spitzenkandidaten Rüttgers; LES ECHOS widmet NRW, dem Wahlkampf, der Wirtschaft, den Städten Köln, Düsseldorf und Münster zwei Sonderseiten.
(Quelle: Pressereferat der deutschen Botschaft in Paris)