ftd.de, Mi, 5.2.2003, 16:13, aktualisiert: Mi, 5.2.2003, 22:35 www.ftd.de/sicherheitsrat
Powell sieht genügend Beweise für Krieg gegen Irak
US-Außenminister Colin Powell hat der irakischen Regierung am Mittwoch im Uno-Sicherheitsrat vorgeworfen, geheime Programme zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen zu betreiben. Die Beweise reichen seiner Ansicht nach aus, um einen Krieg gegen Irak zu rechtfertigen.
Colin Powell am 5. Februar vor dem UN-Sicherheitsrat
Powell warf Irak vor, Waffen vor den Inspektoren zu verbergen und nicht im geforderten Ausmaß mit der Uno zusammenzuarbeiten. Geheimdienstinformationen zeigten, dass Irak Papiere über Massenvernichtungswaffen vernichtet habe. Die Regierung in Bagdad habe keine Anstrengungen unternommen, die Abrüstungsauflagen der Uno zu erfüllen. Dies stelle eine direkte Verletzung der Auflagen der Uno-Resolutionen dar. Die Vereinten Nationen müssten darauf reagieren.
Es gehe nicht um die Frage, wie viel Zeit man den Waffenkontrolleuren noch geben soll. Der Sicherheitsrat müsse sich vielmehr fragen, wie lange es noch dauern soll, bis er sage: genug ist genug. "Die Institution setzt sich selbst der Gefahr der Bedeutungslosigkeit aus, wenn sie Irak erlaubt, weiterhin ihren Willen zu ignorieren ohne sofort und effektiv zu reagieren", sagte Powell.
Zu Beginn seiner 90-minütigen Rede spielte Powell mitgeschnittene Telefongespräche vor. Darin sprechen irakische Offiziere vom Beiseiteschaffen belastenden Materials. Die Unterredung sei am 26. November, einen Tag vor Wiederaufnahme der Uno-Waffeninspektionen abgehört worden. Darin heißt es: "Wir haben alles weggeschafft". Die Mitschnitte beweisen Powell zufolge, dass Bagdad versucht habe, vor Beginn der Inspektionen im November Hinweise auf verbotene Waffenprogramme beiseite zu schaffen. "Hier wird getäuscht, hier wird versteckt und verborgen", sagte Powell.
Vorwürfe gegen Saddam Hussein
Anschließend zeigte der US-Außenminister Satellitenaufnahmen. Sie sollten ebenfalls beweisen, dass Irak kurz vor dem Eintreffen der Inspektionsteams belastendes Material beseitigt habe. Auf einem wenige Tage vor Beginn der Inspektionen entstandenen Foto sei eine Munitionsfabrik in Irak zu sehen, sagte Powell. Auf dem Bild sei ein Munitionsbunker sowie ein Transporter zu erkennen, den US-Fachleute als "Entgiftungs-Fahrzeug" bezeichneten. Der eingezäunte Bunker von einem Soldaten bewacht, der in einem speziell gesicherten Wachhaus saß. Als die Inspektoren die Anlage besuchten, war das Fahrzeug, das Wachhaus entfernt worden und der Bunker gereinigt, sagte Powell.
Den irakischen Staatschef Saddam Hussein beschuldigte Powell, die Befragung von Wissenschaftlern durch Uno-Inspektoren persönlich verhindert zu haben. Er habe die Wissenschaftler vor Konsequenzen für sie und ihre Familien warnen lassen, sollten sie mit den Kontrolleuren zusammenarbeiten, sagte Powell. Irakische Experten hätten nicht mehr zur Arbeit gehen dürfen und seien unter Arrest gestellt worden, um Kontakt mit den Inspektoren zu vermeiden.
Zeichnung von mobilen Biowaffenlabors
Als Beweis für die Existenz von Biowaffen legte der US-Außenminister Zeichnungen von mobilen Labors vor, über die Irak angeblich verfügen soll. Die Zeichnungen seien nach Angaben von Zeugen entstanden, die geschützt werden müssten. Die USA wüssten, dass der Irak mindestens sieben derartige Lastwagen mit Biolabors habe. Sie seien unter den Tausenden von Lastwagen auf den Straßen des Landes schwer zu finden. Es bestehe aber "kein Zweifel", dass Irak Biowaffen besitze.
Zudem verfüge Bagdad über 100 bis 500 Tonnen an chemischen Kampfstoffen. Dies sei eine konservative Schätzung der USA, sagte Powell. Doch bereits diese Menge reiche für bis zu 16.000 Raketen aus. Die von den Inspektoren gefundenen leeren Sprengköpfe könnten nur die Spitze des Eisbergs sein. Saddam Hussein habe seinen Offizieren jüngst den Einsatz chemischer Waffen gestattet, wenn dies nötig sei. Powell zeigte ein Foto auf dem seinen Worten zufolge eine Chemiewaffenfabrik zu sehen sei. Lastwagen und Transporter hätten hier vor Beginn der Inspektionen etwas abtransportiert. Später sei die Anlage von Bulldozern eingeebnet worden.
Powell legt Satellitenaufnahmen vor
Powell zeigte auch Luftaufnahmen, die Test-Anlagen für Raketen mit großer Reichweite zeigen sollen. "Anlagen dieser Größe sind für die Entwicklung von Raketen mit einer Reichweite von 1200 Kilometern geeignet", sagte Powell. Mehrere Resolutionen erlauben dem Irak nur Raketen mit einer Reichweite bis zu 150 Kilometer.
Irak soll Terroristen Unterschlupf gewähren
Auch sein Atomwaffenprogramm habe Saddam Hussein keineswegs aufgegeben. Irak würde noch eine von drei benötigten Stoffen fehlen, um eine Atombombe zu bauen, sagte Powell. Was fehle sei genügend spaltbares Material. Daher wolle Irak eine Anlage zur Anreicherung von Uran bauen. In diesem Zusammenhang seien auch die von den Inspektoren gefundenen Alu-Röhren zu sehen. "Die Qualität dieser Röhren geht eindeutig über die Anforderungen jeder zivilen Produktion hinaus", sagte Powell.
Der US-Außenminister versuchte eine Verbindung zwischen Irak und der Terrororganisation al-Kaida zu belegen. "Irak gewährt einem terroristischen Netz Unterschlupf, das von Abu Musab Sarkawi angeführt wird. Er ist ein Verbündeter von Osama Bin Laden und dessen Al-Kaida-Gruppe", sagte Powell. Sarkawi habe Mitte 2002 zwei Monate in Bagdad verbracht. Zudem lebten einige Mitglieder seiner Gruppe in der irakischen Hauptstadt und könnten dort ungehindert operieren. Es bestehe die Gefahr, dass Irak extrem gefährliche Massenvernichtungswaffen an al-Kaida weitergebe.
Berlin und Paris wollen Informationen überprüfen
Die Streitkräfte Iraks
Die Sitzung gilt als entscheidend für einen möglichen Krieg gegen Irak. Der Ratsvorsitzende und Bundesaußenminister Joschka Fischer hatte vor der Sitzung deutlich gemacht, dass der Rat Powells Informationen möglicherweise nicht sofort bewerten werde. Somit werde möglicherweise noch keine unmittelbare Entscheidung zum weiteren Vorgehen getroffen. Frankreich schloss sich dieser Auffassung an. Die französische Europaministerin Noelle Lenoir sagte in Paris, die Waffeninspektoren müssten die Informationen möglicherweise vor Ort verifizieren.
Bereits vor Powells Auftritt im Sicherheitsrat waren Einzelheiten über die angekündigten Beweise durchgesickert. Schlagkräftige Beweise für Massenvernichtungswaffen werde es nicht geben, hatte es aus US-Regierungskreisen geheißen.
© 2003 Financial Times Deutschland , © Illustrationen: AP, FTD
Aus der FTD vom 6.2.2003
Leitartikel: Plädoyer der Anklage
Colin Powell hat vor dem Uno-Sicherheitsrat gepunktet. Die Präsentation des US-Außenministers zu den Bemühungen Iraks, Massenvernichtungswaffen zu entwickeln, Terrorgruppen zu unterstützen und Uno-Inspektionen zu unterlaufen, wird die schärfsten Kritiker Amerikas zwar kaum überzeugen. Wer hingegen die US-Argumente bisher für plausibel, aber für nicht ausreichend hielt, dem hat Powell eine eindrucksvolle Indizienkette vorgelegt.
Powells Auftritt erinnerte an das große Plädoyer eines Staatsanwalts. Der Sicherheitsrat ist jedoch kein Gericht, vor dem jeder vernünftige Zweifel an der Schuld eines Angeklagten ausgeräumt werden muss. Er ist ein politisches Gremium, das am Ende darüber befinden muss, ob von Irak eine Gefahr ausgeht, die einen Militärschlag rechtfertigt.
Powell hat Tonbänder, Bilder und Aussagen von Überläufern präsentiert, die klar zeigen, dass Irak die Uno-Inspektoren auszutricksen versucht. Natürlich könnte dieses Material gefälscht sein - wie Saddam Hussein schon vorsorglich erklärt hatte. Gibt man Powell allerdings so viel Vertrauensvorschuss, dass man seine Unterlagen ernst nimmt, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass Irak die Uno-Resolution 1441 eklatant verletzt. Alles deutet darauf hin, dass Saddam Hussein die Absicht bis heute nicht aufgegeben hat, sich Massenvernichtungswaffen zu beschaffen.
Genau diese Absicht macht jede mögliche Verbindung zwischen Irak und Terrorgruppen so brisant. Zwar konnte Powell erneut keinen überzeugenden Beleg für Absprachen zwischen al-Kaida und Saddam Hussein vorlegen. Er widmete sich jedoch ausführlich dem Terrorproblem und unterstrich so die Bedrohungsanalyse der USA nach dem 11. September.
Viele Amerikaner dürfte Powell damit überzeugt haben. Die Weltgemeinschaft setzt er in Zugzwang. Regierungen, die grundsätzlich zur Unterstützung der USA bereit sind, haben neue Indizien erhalten, um bei ihrer eigenen Bevölkerung für das Vorgehen der Supermacht zu werben.
Die Veto-Mächte Frankreich, Russland und China dagegen haben im Sicherheitsrat erneut eine Verlängerung der Inspektionen gefordert. Powells Präsentation zeigt jedoch, dass daraus nur ein aussichtsloses Detektivspiel werden kann, solange Irak nicht zu echter Kooperation bereit ist.
Der US-Außenminister hat klargemacht, dass es ein Risiko ist, sich gegenüber Saddam Hussein auf eine Strategie der Eindämmung zu verlassen. Dieses Argument muss jetzt gegen die zweifellos sehr hohen Risiken eines Krieges abgewogen werden.
Weitere Leitartikel zu den Themen "Arbeitsmarkt: Reformer im Leerlauf" und "EZB: Zeit für ein Signal" in der FTD-Ausgabe vom 06.02.2003.
© 2003 Financial Times Deutschland
Powell sieht genügend Beweise für Krieg gegen Irak
US-Außenminister Colin Powell hat der irakischen Regierung am Mittwoch im Uno-Sicherheitsrat vorgeworfen, geheime Programme zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen zu betreiben. Die Beweise reichen seiner Ansicht nach aus, um einen Krieg gegen Irak zu rechtfertigen.
Colin Powell am 5. Februar vor dem UN-Sicherheitsrat
Powell warf Irak vor, Waffen vor den Inspektoren zu verbergen und nicht im geforderten Ausmaß mit der Uno zusammenzuarbeiten. Geheimdienstinformationen zeigten, dass Irak Papiere über Massenvernichtungswaffen vernichtet habe. Die Regierung in Bagdad habe keine Anstrengungen unternommen, die Abrüstungsauflagen der Uno zu erfüllen. Dies stelle eine direkte Verletzung der Auflagen der Uno-Resolutionen dar. Die Vereinten Nationen müssten darauf reagieren.
Es gehe nicht um die Frage, wie viel Zeit man den Waffenkontrolleuren noch geben soll. Der Sicherheitsrat müsse sich vielmehr fragen, wie lange es noch dauern soll, bis er sage: genug ist genug. "Die Institution setzt sich selbst der Gefahr der Bedeutungslosigkeit aus, wenn sie Irak erlaubt, weiterhin ihren Willen zu ignorieren ohne sofort und effektiv zu reagieren", sagte Powell.
Zu Beginn seiner 90-minütigen Rede spielte Powell mitgeschnittene Telefongespräche vor. Darin sprechen irakische Offiziere vom Beiseiteschaffen belastenden Materials. Die Unterredung sei am 26. November, einen Tag vor Wiederaufnahme der Uno-Waffeninspektionen abgehört worden. Darin heißt es: "Wir haben alles weggeschafft". Die Mitschnitte beweisen Powell zufolge, dass Bagdad versucht habe, vor Beginn der Inspektionen im November Hinweise auf verbotene Waffenprogramme beiseite zu schaffen. "Hier wird getäuscht, hier wird versteckt und verborgen", sagte Powell.
Vorwürfe gegen Saddam Hussein
Anschließend zeigte der US-Außenminister Satellitenaufnahmen. Sie sollten ebenfalls beweisen, dass Irak kurz vor dem Eintreffen der Inspektionsteams belastendes Material beseitigt habe. Auf einem wenige Tage vor Beginn der Inspektionen entstandenen Foto sei eine Munitionsfabrik in Irak zu sehen, sagte Powell. Auf dem Bild sei ein Munitionsbunker sowie ein Transporter zu erkennen, den US-Fachleute als "Entgiftungs-Fahrzeug" bezeichneten. Der eingezäunte Bunker von einem Soldaten bewacht, der in einem speziell gesicherten Wachhaus saß. Als die Inspektoren die Anlage besuchten, war das Fahrzeug, das Wachhaus entfernt worden und der Bunker gereinigt, sagte Powell.
Den irakischen Staatschef Saddam Hussein beschuldigte Powell, die Befragung von Wissenschaftlern durch Uno-Inspektoren persönlich verhindert zu haben. Er habe die Wissenschaftler vor Konsequenzen für sie und ihre Familien warnen lassen, sollten sie mit den Kontrolleuren zusammenarbeiten, sagte Powell. Irakische Experten hätten nicht mehr zur Arbeit gehen dürfen und seien unter Arrest gestellt worden, um Kontakt mit den Inspektoren zu vermeiden.
Zeichnung von mobilen Biowaffenlabors
Als Beweis für die Existenz von Biowaffen legte der US-Außenminister Zeichnungen von mobilen Labors vor, über die Irak angeblich verfügen soll. Die Zeichnungen seien nach Angaben von Zeugen entstanden, die geschützt werden müssten. Die USA wüssten, dass der Irak mindestens sieben derartige Lastwagen mit Biolabors habe. Sie seien unter den Tausenden von Lastwagen auf den Straßen des Landes schwer zu finden. Es bestehe aber "kein Zweifel", dass Irak Biowaffen besitze.
Zudem verfüge Bagdad über 100 bis 500 Tonnen an chemischen Kampfstoffen. Dies sei eine konservative Schätzung der USA, sagte Powell. Doch bereits diese Menge reiche für bis zu 16.000 Raketen aus. Die von den Inspektoren gefundenen leeren Sprengköpfe könnten nur die Spitze des Eisbergs sein. Saddam Hussein habe seinen Offizieren jüngst den Einsatz chemischer Waffen gestattet, wenn dies nötig sei. Powell zeigte ein Foto auf dem seinen Worten zufolge eine Chemiewaffenfabrik zu sehen sei. Lastwagen und Transporter hätten hier vor Beginn der Inspektionen etwas abtransportiert. Später sei die Anlage von Bulldozern eingeebnet worden.
Powell legt Satellitenaufnahmen vor
Powell zeigte auch Luftaufnahmen, die Test-Anlagen für Raketen mit großer Reichweite zeigen sollen. "Anlagen dieser Größe sind für die Entwicklung von Raketen mit einer Reichweite von 1200 Kilometern geeignet", sagte Powell. Mehrere Resolutionen erlauben dem Irak nur Raketen mit einer Reichweite bis zu 150 Kilometer.
Irak soll Terroristen Unterschlupf gewähren
Auch sein Atomwaffenprogramm habe Saddam Hussein keineswegs aufgegeben. Irak würde noch eine von drei benötigten Stoffen fehlen, um eine Atombombe zu bauen, sagte Powell. Was fehle sei genügend spaltbares Material. Daher wolle Irak eine Anlage zur Anreicherung von Uran bauen. In diesem Zusammenhang seien auch die von den Inspektoren gefundenen Alu-Röhren zu sehen. "Die Qualität dieser Röhren geht eindeutig über die Anforderungen jeder zivilen Produktion hinaus", sagte Powell.
Der US-Außenminister versuchte eine Verbindung zwischen Irak und der Terrororganisation al-Kaida zu belegen. "Irak gewährt einem terroristischen Netz Unterschlupf, das von Abu Musab Sarkawi angeführt wird. Er ist ein Verbündeter von Osama Bin Laden und dessen Al-Kaida-Gruppe", sagte Powell. Sarkawi habe Mitte 2002 zwei Monate in Bagdad verbracht. Zudem lebten einige Mitglieder seiner Gruppe in der irakischen Hauptstadt und könnten dort ungehindert operieren. Es bestehe die Gefahr, dass Irak extrem gefährliche Massenvernichtungswaffen an al-Kaida weitergebe.
Berlin und Paris wollen Informationen überprüfen
Die Streitkräfte Iraks
Die Sitzung gilt als entscheidend für einen möglichen Krieg gegen Irak. Der Ratsvorsitzende und Bundesaußenminister Joschka Fischer hatte vor der Sitzung deutlich gemacht, dass der Rat Powells Informationen möglicherweise nicht sofort bewerten werde. Somit werde möglicherweise noch keine unmittelbare Entscheidung zum weiteren Vorgehen getroffen. Frankreich schloss sich dieser Auffassung an. Die französische Europaministerin Noelle Lenoir sagte in Paris, die Waffeninspektoren müssten die Informationen möglicherweise vor Ort verifizieren.
Bereits vor Powells Auftritt im Sicherheitsrat waren Einzelheiten über die angekündigten Beweise durchgesickert. Schlagkräftige Beweise für Massenvernichtungswaffen werde es nicht geben, hatte es aus US-Regierungskreisen geheißen.
© 2003 Financial Times Deutschland , © Illustrationen: AP, FTD
Aus der FTD vom 6.2.2003
Leitartikel: Plädoyer der Anklage
Colin Powell hat vor dem Uno-Sicherheitsrat gepunktet. Die Präsentation des US-Außenministers zu den Bemühungen Iraks, Massenvernichtungswaffen zu entwickeln, Terrorgruppen zu unterstützen und Uno-Inspektionen zu unterlaufen, wird die schärfsten Kritiker Amerikas zwar kaum überzeugen. Wer hingegen die US-Argumente bisher für plausibel, aber für nicht ausreichend hielt, dem hat Powell eine eindrucksvolle Indizienkette vorgelegt.
Powells Auftritt erinnerte an das große Plädoyer eines Staatsanwalts. Der Sicherheitsrat ist jedoch kein Gericht, vor dem jeder vernünftige Zweifel an der Schuld eines Angeklagten ausgeräumt werden muss. Er ist ein politisches Gremium, das am Ende darüber befinden muss, ob von Irak eine Gefahr ausgeht, die einen Militärschlag rechtfertigt.
Powell hat Tonbänder, Bilder und Aussagen von Überläufern präsentiert, die klar zeigen, dass Irak die Uno-Inspektoren auszutricksen versucht. Natürlich könnte dieses Material gefälscht sein - wie Saddam Hussein schon vorsorglich erklärt hatte. Gibt man Powell allerdings so viel Vertrauensvorschuss, dass man seine Unterlagen ernst nimmt, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass Irak die Uno-Resolution 1441 eklatant verletzt. Alles deutet darauf hin, dass Saddam Hussein die Absicht bis heute nicht aufgegeben hat, sich Massenvernichtungswaffen zu beschaffen.
Genau diese Absicht macht jede mögliche Verbindung zwischen Irak und Terrorgruppen so brisant. Zwar konnte Powell erneut keinen überzeugenden Beleg für Absprachen zwischen al-Kaida und Saddam Hussein vorlegen. Er widmete sich jedoch ausführlich dem Terrorproblem und unterstrich so die Bedrohungsanalyse der USA nach dem 11. September.
Viele Amerikaner dürfte Powell damit überzeugt haben. Die Weltgemeinschaft setzt er in Zugzwang. Regierungen, die grundsätzlich zur Unterstützung der USA bereit sind, haben neue Indizien erhalten, um bei ihrer eigenen Bevölkerung für das Vorgehen der Supermacht zu werben.
Die Veto-Mächte Frankreich, Russland und China dagegen haben im Sicherheitsrat erneut eine Verlängerung der Inspektionen gefordert. Powells Präsentation zeigt jedoch, dass daraus nur ein aussichtsloses Detektivspiel werden kann, solange Irak nicht zu echter Kooperation bereit ist.
Der US-Außenminister hat klargemacht, dass es ein Risiko ist, sich gegenüber Saddam Hussein auf eine Strategie der Eindämmung zu verlassen. Dieses Argument muss jetzt gegen die zweifellos sehr hohen Risiken eines Krieges abgewogen werden.
Weitere Leitartikel zu den Themen "Arbeitsmarkt: Reformer im Leerlauf" und "EZB: Zeit für ein Signal" in der FTD-Ausgabe vom 06.02.2003.
© 2003 Financial Times Deutschland