Geldanlage: Ein Bankier der besonderen Art
Von Christoph Hus
Deutschlands Pfandleiher melden Rekordumsätze. Der hohe Goldpreis und die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe lassen ihr Geschäft brummen. Besonders vor Weihnachten herrscht in den Leihhäusern Hochbetrieb.
Günter Kemp würde ohne weiteres als Privatbankier durchgehen. Sein dezenter olivgrüner Anzug harmoniert perfekt mit den kurzen grauen Haaren und dem ebenso grauen Bart, der stramme Knoten in der roten Krawatte verleiht dem drahtigen Mann einen Hauch von Dynamik, und sein gewinnendes Lächeln gibt dem Besucher schnell ein Gefühl von Sicherheit. Wenn man ihn nach seinen prominenten Kunden fragt, schweigt Günter Kemp lieber, genauso wie er Besuchern nur ungern seine Panzerschränke mit den dicken Stahltüren zeigt.
Doch wer Günter Kemp in seinem Geschäft in der Kölner Innenstadt besucht, sieht schon von außen, dass der Inhaber kein Privatbankier im klassischen Sinne ist, obwohl auch er Kredite vergibt. Statt Säulen und einer breiten Außentreppe gibt es hier nur eine schmale Tür und drei Schaufenster. Statt in direkter Nachbarschaft zum renommierten Bankhaus Sal. Oppenheim im Bankenviertel nahe des Hauptbahnhofs liegt Kemps Gebäude an der Hohe Pforte, auf halbem Wege in die Südstadt.
Doch ebenso wie viele Privatbankiers kann auch Günter Kemp auf eine Tradition verweisen. Seit 1974 führt der 61-Jährige den Pfandkreditbetrieb, den er von seinen Eltern übernommen hat. Damals bestand das Unternehmen aus drei Läden, heute ist Kemp mit sechs Geschäften in beinahe jedem Kölner Stadtbezirk vertreten.
Das Geschäft brummt
Und das Geschäft brummt. Für das laufende Jahr rechnet der Chef von 36 Angestellten mit einem Umsatzwachstum von satten 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ähnlich erfolgreich sind auch viele von Kemps Konkurrenten. Der Zentralverband des Deutschen Pfandkreditgewerbes vermeldete vor wenigen Wochen für seine Mitgliedsbetriebe ein durchschnittliches Umsatzplus von fünf Prozent im laufenden Jahr. Der Gesamtumsatz der Branche in Deutschland werde im Jahr 2002 über 380 Mio. Euro liegen - so hoch wie nie zuvor.
Eine Ursache für den Erfolg der Pfandleiher sieht Günter Kemp im zunehmenden Desinteresse der Banken, Kleinkredite an Privatkunden zu vergeben. "Heute zählen nicht mehr nur die so genannten einfachen Leute zu unseren Kunden", sagt Kemp mit ein wenig Stolz in der Stimme, "es kommen auch viele Beamte und sogar Selbstständige."
Der mittelständische Tiefbauunternehmer zum Beispiel, der schon zu Kemps Stammkunden zählt, weil es seine Auftraggeber mit der termingerechten Begleichung der Rechnungen oft nicht so genau nehmen. Um die kurzfristigen Engpässe zu überwinden, bringt der Unternehmer den Schmuck seiner Frau zu Kemp und bekommt dafür einen Kredit. Sind die Rechnungen bezahlt, löst er den Schmuck wieder aus. "Das geht oft so, manchmal jeden Monat", sagt Kemp.
Unbürokratische Kreditvergabe
Für die Kunden hat das Geschäft mit dem Pfandleiher im Vergleich zu dem mit der Bank vor allem einen Vorteil: Ein Kredit ist hier mit weitaus weniger Bürokratie verbunden. Wer Geld braucht, hinterlegt einfach einen wertvollen Gegenstand als Pfand. Zu mehr als 90 Prozent handelt es sich dabei um Schmuck und Uhren, viele Pfandleiher akzeptieren aber auch hochwertige technische Geräte wie DVD-Player oder Digitalkameras.
Die Höhe des Kredits richtet sich nach dem Schätzwert des Pfands, den Kemps Mitarbeiter nach Erfahrungswerten taxieren. Wegen des aktuell steigenden Goldpreises kann der Pfandleiher heute deutlich höhere Kredite ausgeben als in den zurückliegenden Jahren. Auch das beflügelt den Umsatz der Branche.
Das Geld kann der Kunde sofort mitnehmen, er muss lediglich seine Personalien hinterlassen. Ein Kredit läuft bei Kemp über drei Monate. Innerhalb dieser Zeit kann der Kunde sein Pfand wieder auslösen, indem er das Geld plus Zinsen und Gebühren zurückzahlt. Auch eine Verlängerung ist möglich, wenn der Kunde rechtzeitig die Zinsen begleicht. Lässt er sich dagegen zum Vertragsende nicht blicken und reagiert auch nicht auf eine Erinnerung per Post, versteigert Kemp das Pfand, um seine Kosten zu decken. Doch das ist die Ausnahme.
"Über 90 Prozent unserer Kunden holen ihr Pfand wieder ab", sagt der Pfandleiher, "und das ist mir auch am liebsten." Denn wird ein Stück für mehr Geld versteigert, als der Kunde an Kredit bekommen hat, erhält den Gewinn nicht der Pfandleiher, sondern die Staatskasse.
Vorurteil Wucherzinsen
Trotzdem, ein "sauberes" Banker-Image können Günter Kemp und seine Konkurrenten nicht vorweisen. Weit verbreitet ist gar das Vorurteil, Pfandleiher würden mit Wucherzinsen die finanzielle Notlage ihrer Kunden ausnutzen. Dabei ist der Zins per Gesetz auf höchstens ein Prozent pro Monat festgelegt. Und bei seriösen Pfandleihern betragen die zusätzlichen Gebühren für Lagerung und Versicherung des Pfandes höchstens drei Prozent. "Ein langfristiger Kredit ist damit bei uns natürlich teuer, aber bei kurzen Laufzeiten sind wir günstiger als die Banken", sagt der Geschäftsmann.
In den Wochen vor Weihnachten herrscht in Günter Kemps Geschäft Hochbetrieb. Manchmal wird es richtig eng, wenn sich auf den wenigen Quadratmetern zwischen Schaufenstern und Theke die Kunden drängen. Doch die meisten kommen nicht etwa, um etwas Wertvolles zu versetzen und mit dem Kredit Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Im Gegenteil: Vor dem Fest zahlen Kemps Kunden so viel Geld zurück wie zu keiner anderen Zeit des Jahres. "Die Leute haben gerade ihr Weihnachtsgeld bekommen, da lösen sich viele finanziellen Probleme", sagt Kemp. Und so bereitet sich manch einer selbst das größte Weihnachtsgeschenk, wenn er ein Pfand auslöst, das ihm sehr am Herzen liegt.
Von Christoph Hus
Deutschlands Pfandleiher melden Rekordumsätze. Der hohe Goldpreis und die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe lassen ihr Geschäft brummen. Besonders vor Weihnachten herrscht in den Leihhäusern Hochbetrieb.
Günter Kemp würde ohne weiteres als Privatbankier durchgehen. Sein dezenter olivgrüner Anzug harmoniert perfekt mit den kurzen grauen Haaren und dem ebenso grauen Bart, der stramme Knoten in der roten Krawatte verleiht dem drahtigen Mann einen Hauch von Dynamik, und sein gewinnendes Lächeln gibt dem Besucher schnell ein Gefühl von Sicherheit. Wenn man ihn nach seinen prominenten Kunden fragt, schweigt Günter Kemp lieber, genauso wie er Besuchern nur ungern seine Panzerschränke mit den dicken Stahltüren zeigt.
Doch wer Günter Kemp in seinem Geschäft in der Kölner Innenstadt besucht, sieht schon von außen, dass der Inhaber kein Privatbankier im klassischen Sinne ist, obwohl auch er Kredite vergibt. Statt Säulen und einer breiten Außentreppe gibt es hier nur eine schmale Tür und drei Schaufenster. Statt in direkter Nachbarschaft zum renommierten Bankhaus Sal. Oppenheim im Bankenviertel nahe des Hauptbahnhofs liegt Kemps Gebäude an der Hohe Pforte, auf halbem Wege in die Südstadt.
Doch ebenso wie viele Privatbankiers kann auch Günter Kemp auf eine Tradition verweisen. Seit 1974 führt der 61-Jährige den Pfandkreditbetrieb, den er von seinen Eltern übernommen hat. Damals bestand das Unternehmen aus drei Läden, heute ist Kemp mit sechs Geschäften in beinahe jedem Kölner Stadtbezirk vertreten.
Das Geschäft brummt
Und das Geschäft brummt. Für das laufende Jahr rechnet der Chef von 36 Angestellten mit einem Umsatzwachstum von satten 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ähnlich erfolgreich sind auch viele von Kemps Konkurrenten. Der Zentralverband des Deutschen Pfandkreditgewerbes vermeldete vor wenigen Wochen für seine Mitgliedsbetriebe ein durchschnittliches Umsatzplus von fünf Prozent im laufenden Jahr. Der Gesamtumsatz der Branche in Deutschland werde im Jahr 2002 über 380 Mio. Euro liegen - so hoch wie nie zuvor.
Eine Ursache für den Erfolg der Pfandleiher sieht Günter Kemp im zunehmenden Desinteresse der Banken, Kleinkredite an Privatkunden zu vergeben. "Heute zählen nicht mehr nur die so genannten einfachen Leute zu unseren Kunden", sagt Kemp mit ein wenig Stolz in der Stimme, "es kommen auch viele Beamte und sogar Selbstständige."
Der mittelständische Tiefbauunternehmer zum Beispiel, der schon zu Kemps Stammkunden zählt, weil es seine Auftraggeber mit der termingerechten Begleichung der Rechnungen oft nicht so genau nehmen. Um die kurzfristigen Engpässe zu überwinden, bringt der Unternehmer den Schmuck seiner Frau zu Kemp und bekommt dafür einen Kredit. Sind die Rechnungen bezahlt, löst er den Schmuck wieder aus. "Das geht oft so, manchmal jeden Monat", sagt Kemp.
Unbürokratische Kreditvergabe
Für die Kunden hat das Geschäft mit dem Pfandleiher im Vergleich zu dem mit der Bank vor allem einen Vorteil: Ein Kredit ist hier mit weitaus weniger Bürokratie verbunden. Wer Geld braucht, hinterlegt einfach einen wertvollen Gegenstand als Pfand. Zu mehr als 90 Prozent handelt es sich dabei um Schmuck und Uhren, viele Pfandleiher akzeptieren aber auch hochwertige technische Geräte wie DVD-Player oder Digitalkameras.
Die Höhe des Kredits richtet sich nach dem Schätzwert des Pfands, den Kemps Mitarbeiter nach Erfahrungswerten taxieren. Wegen des aktuell steigenden Goldpreises kann der Pfandleiher heute deutlich höhere Kredite ausgeben als in den zurückliegenden Jahren. Auch das beflügelt den Umsatz der Branche.
Das Geld kann der Kunde sofort mitnehmen, er muss lediglich seine Personalien hinterlassen. Ein Kredit läuft bei Kemp über drei Monate. Innerhalb dieser Zeit kann der Kunde sein Pfand wieder auslösen, indem er das Geld plus Zinsen und Gebühren zurückzahlt. Auch eine Verlängerung ist möglich, wenn der Kunde rechtzeitig die Zinsen begleicht. Lässt er sich dagegen zum Vertragsende nicht blicken und reagiert auch nicht auf eine Erinnerung per Post, versteigert Kemp das Pfand, um seine Kosten zu decken. Doch das ist die Ausnahme.
"Über 90 Prozent unserer Kunden holen ihr Pfand wieder ab", sagt der Pfandleiher, "und das ist mir auch am liebsten." Denn wird ein Stück für mehr Geld versteigert, als der Kunde an Kredit bekommen hat, erhält den Gewinn nicht der Pfandleiher, sondern die Staatskasse.
Vorurteil Wucherzinsen
Trotzdem, ein "sauberes" Banker-Image können Günter Kemp und seine Konkurrenten nicht vorweisen. Weit verbreitet ist gar das Vorurteil, Pfandleiher würden mit Wucherzinsen die finanzielle Notlage ihrer Kunden ausnutzen. Dabei ist der Zins per Gesetz auf höchstens ein Prozent pro Monat festgelegt. Und bei seriösen Pfandleihern betragen die zusätzlichen Gebühren für Lagerung und Versicherung des Pfandes höchstens drei Prozent. "Ein langfristiger Kredit ist damit bei uns natürlich teuer, aber bei kurzen Laufzeiten sind wir günstiger als die Banken", sagt der Geschäftsmann.
In den Wochen vor Weihnachten herrscht in Günter Kemps Geschäft Hochbetrieb. Manchmal wird es richtig eng, wenn sich auf den wenigen Quadratmetern zwischen Schaufenstern und Theke die Kunden drängen. Doch die meisten kommen nicht etwa, um etwas Wertvolles zu versetzen und mit dem Kredit Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Im Gegenteil: Vor dem Fest zahlen Kemps Kunden so viel Geld zurück wie zu keiner anderen Zeit des Jahres. "Die Leute haben gerade ihr Weihnachtsgeld bekommen, da lösen sich viele finanziellen Probleme", sagt Kemp. Und so bereitet sich manch einer selbst das größte Weihnachtsgeschenk, wenn er ein Pfand auslöst, das ihm sehr am Herzen liegt.
