Paris kreiert Börse für den Mittelstand

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Paris kreiert Börse für den Mittelstand

 
15.04.05 07:16
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Kleine Unternehmen und Mittelständler aus dem Euro-Raum sollen künftig an der Börse von Paris eine neue Heimat finden. Der Börsenkonzern Euronext startet am 17. Mai in der französischen Hauptstadt einen neuen Markt namens Alternext, der eine geringere Regulierung als am Hauptmarkt und niedrigere Kosten für die Emittenten verspricht. Einmal mehr geht Euronext damit auf Konfrontationskurs mit der Deutschen Börse, die auf diesem Gebiet noch nichts Ebenbürtiges aufweisen kann.


Nach Angaben von Euronext-Präsident Jean-Francois Theodore gibt es im Euro-Raum mehr als 1 Million kleine und mittlere Unternehmen (bis 250 Mitarbeiter und 50 Millionen Euro Umsatz), von denen weniger als 1 Prozent börsennotiert sind. "Mit Alternext bieten wir einen maßgeschneiderten Markt für den Mittelstand an", sagte er.

Alternext - Orientierung am Alternative Investment Market in London

Alternext orientiert sich am Erfolg des Alternative Investment Market (AIM) in London, der seit seiner Gründung 1995 mehr als 1.300 Börsengänge gesehen hat und an dem sich die Unternehmen insgesamt 11 Milliarden Pfund oder gut 16 Milliarden Euro an Kapital beschafft haben. Indes sind in Frankreich die Anforderungen an die Unternehmen etwas höher: Während an AIM kein Minimum an frei handelbaren Aktien verlangt wird, müssen es am Alternext mindestens 2,5 Millionen Euro sein. Allerdings soll es in Frankreich Unternehmen künftig auch erlaubt sein, nach einer privaten Plazierung ohne öffentliches Angebot an den Markt zu kommen. Voraussetzung ist, daß ein Kapital von mindestens 5 Millionen Euro in den vorherigen zwei Jahren an wenigstens fünf anerkannte Investoren vergeben wurde. Zudem verlangen die Franzosen im Gegensatz zur AIM die Vorlage einer Bilanz der vergangenen zwei Jahre - die allerdings keine Gewinne ausweisen muß.

Nach Angaben von Martine Charbonnier, Direktorin bei Euronext, dürfte ein Börsengang bei Alternext die Unternehmen um 30 bis 40 Prozent billiger kommen als am Hauptmarkt. Der Alternext soll in Paris eine Position zwischen dem unregulierten Marche libre und dem Hauptmarkt namens Eurolist einnehmen. Eine Neuauflage des Nouveau Marche für Technologieunternehmen, der wie anderswo nach dem Platzen der Internetblase für herbe Enttäuschungen sorgte, soll Alternext nicht sein, betonen die Verantwortlichen. Der Nouveau Marche ist in diesem Jahr mit dem Hauptmarkt in die Eurolist verschmolzen worden. Damit müssen beispielsweise alle Unternehmen ihre Bücher nach dem Bilanzstandard IFRS führen. Am Alternext wird dies nicht verlangt. Er soll sich anders als der Nouveau Marche nicht auf Branchen konzentrieren, dafür aber kleinere Unternehmen ansprechen.

Erstes Unternehmen: Kreditvermittlungsunternehmen Meilleurtaux

Das erste Unternehmen an Alternext wird die französische Gesellschaft Meilleurtaux sein, die bei Immobilientransaktionen vor allem als Kreditvermittler tätig ist und im vergangenen Jahr einen Umsatz von 10 Millionen Euro erzielte. Bis Mitte Juli sollen weitere rund zehn Börsengänge folgen, kündigt Euronext an. Jedes Unternehmen muß einen sogenannten Listing-Sponsor an seiner Seite haben, der ein anerkannter Broker ist und über die Einhaltung von Bestimmungen wacht. Die Aktientransaktionen können mit Hilfe von Marktmachern oder über ein zentrales Orderbuch erfolgen. Die Unternehmen müssen im halbjährlichen Rhythmus ihre Zahlen vorlegen und ansonsten unmittelbar über kursrelevante Ereignisse berichten. Dazu gehören auch Aktientransaktionen ihrer Manager.

Die Internationalisierung von Alternext soll durch das Inkrafttreten der europäischen Prospektrichtlinie am 1. Juli 2005 erleichtert werden. Dann kann jeder Börsenprospekt von den nationalen Regulierungsbehörden in Europa genehmigt werden.

An der Deutschen Börse sind hingegen Überlegungen für ein neues Wachstumssegment noch nicht weit gediehen. Inwiefern überhaupt eine Nachfrage von institutionellen Investoren nach einer derartigen Plattform bestehe, werde derzeit mit den Marktteilnehmern diskutiert, sagte eine Sprecherin. Sollte ausreichendes Interesse vorhanden sein, werde mit dem Markt ein Angebot erarbeitet. Für Privatanleger sei ein derartiges Segment zu risikoreich.

Ähnliche Pläne werden auch in Deutschland erwartet

Beobachter gehen davon aus, daß die Deutsche Börse noch vor dem Jahresende eine auf dem Freiverkehr aufsitzende Plattform vorstellen wird, die auf Privatplazierungen von Aktien zielen wird. Der Freiverkehr ist nur privatrechtlichen Bestimmungen unterworfen und bringt geringere Publizitätspflichten mit sich als andere Handelssegmente. Im vergangenen Jahr habe es dort 14 Privatplazierungen gegeben, sagte die Börsensprecherin.

Derweil machte sich das Deutsche Aktieninstitut (DAI) am Donnerstag stark für die Wiedereinführung einer Art "Neuen Marktes". "Wir brauchen ein Segment für junge Unternehmen, die ihre Leistungsfähigkeit erst noch beweisen müssen", sagte DAI-Vorstandschef Rüdiger von Rosen. Er begrüßte, daß die Münchner Börse kürzlich das Mittelstandssegment "M-Access" vorgestellt hat.

Bei institutionellen Anlegern und bei Aktionärsschützern wird diese Begeisterung freilich nicht geteilt: "Wir sollten mehr Wachstumsunternehmen an die Börse bringen - aber dafür brauchen wir kein neues Segment", sagte Klaus Schneider, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kleinanleger (SdK). "Nur weil ein neues Segment einen hippen Namen trägt, werden wir keine blühende IPO-Landschaft erleben", ergänzte ein Sprecher der Fondsgesellschaft Union Investment. Sinnvoll sei dies nur dann, wenn die verringerten Transparenzanforderungen dort auch konsequent überwacht würden.

Angesichts der blühenden außerbörslichen Beteiligungsbranche sieht Philipp von Ilberg, auf Kapitalmärkte spezialisierter Rechtsanwalt der Kanzlei Dewey Ballantine, auch noch gar keinen Bedarf für eine derartige Plattform. "Die Beteiligungsbranche übernimmt bei Wachstumsunternehmen zur Zeit noch die Rolle der Börse."
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