OLYMPISCHE SPIELE: Geldmaschine und Milliardengrab

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OLYMPISCHE SPIELE: Geldmaschine und Milliardengrab

 
11.02.02 21:15
Es ist eine tolle Show in Salt Lake City: Sogar Secret-Service-Agenten auf Snowmobilen sollen garantieren, dass die Spiele in einer terrorfreien Zone stattfinden. Für den Staat sind die Spiele bei so viel Sicherheitsaufwand allerdings fast unbezahlbar geworden. In der Privatwirtschaft stehen die ersten Gewinner dagegen schon fest.

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Patrouillengang im Schnee: Auf einen Athleten kommen vier Sicherheitskräfte
 
New York - Neulich auf dem Titelblatt des "New Yorker": Ein olympischer Skispringer fliegt gen Tal. Er guckt irritiert zur Seite, denn neben ihm fliegen zwei Soldaten, ebenfalls auf Skiern, die mit Ferngläsern die Gegend absuchen.

Der Zeichner hat den Olympischen Geist 2002 genau getroffen - und er hat noch untertrieben. Auf jeden der 3500 Athleten in Salt Lake City kommen nicht zwei, sondern vier Sicherheitskräfte. Agenten des Secret Service fahren tatsächlich die Hänge mit Snowmobilen ab - wie in einem schlechten James-Bond-Film. Awacs-Aufklärer zirkeln unsichtbar hoch über den Wolken, F-16-Jäger sichern die "No-Fly"-Zone. Die Olympischen Spiele sind - verständlicherweise - zum nationalen Sicherheitsfall erklärt worden. Die Begründung liefert das Magazin "Time": "Die Welt schaut zu, und wir haben nur eine Chance, es richtig zu machen."

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Olympia-Kritiker McCain:
"Echt obszöne" Ausgaben

 
Doch Sicherheit kostet. Und nicht alle sind damit einverstanden, dass die Steuerzahler dafür gerade stehen sollen. "Echt obszön" findet der republikanische Senator John McCain die Summe, die die US-Regierung für die Spiele ausgibt. Rund 400 Millionen Dollar an Direkthilfe hat der Kongress bewilligt, zusätzlich zu den 1,1 Milliarden an Infrastruktur-Investitionen in der Region. Damit ist Salt Lake City für die US-Bürger teurer als alle bisherigen sieben Olympischen Spiele auf amerikanischem Boden zusammen. Auf sagenhafte 235 Millionen Dollar beläuft sich allein die Rechnung für die Sicherheit - das sind 67.000 Dollar pro Athlet.

Die Sicherheitskosten bei Olympischen Spielen sind in den letzten Jahren explodiert: In Lake Placid 1980 waren es noch 20 Millionen Dollar, Atlanta setzte 1996 den bisherigen Rekord von 101 Millionen Dollar. Trotzdem ging eine Rohrbombe los, ein Toter, hundert Verletzte. Deshalb wurde das Budget für Salt Lake City schon vor dem 11. September auf 185 Millionen Dollar hoch geschraubt, nach dem Terroranschlag kamen weitere 50 Millionen drauf.

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Staatspolizei beim Eiskunstlauf-Wettbewerb: Kosten für Sicherheit
doppelt so hoch wie in bei den Spielen in Atlanta

 
Angesichts dieses Trends mehren sich inzwischen die skeptischen Stimmen. "Sollten wir uns in Zukunft wirklich noch um die Spiele bewerben?", zweifelt der Mann, der es am besten wissen müsste: Mitt Romney, Chef des Organisationskomitees von Salt Lake City (SLOC). Das offizielle Budget des Komitees umfasst 1,3 Milliarden Dollar, ein Drittel davon kommt aus dem Fernsehrechteverkauf. Nimmt man die Zuschüsse aus Öffentlicher Hand hinzu, kommt man auf Gesamtkosten von über drei Milliarden Dollar. "Ist das ein gutes Investment? Ich bin unentschieden. Aber ich weiß, dass es der Gemeinschaft kein Geld bringt", sagte Romney der "New York Times".

Natürlich sind die Olympischen Spiele immer noch eine Prestigeveranstaltung, um die Städte sich reißen. Schließlich stärken sie Image und Infrastruktur. Salt Lake City hatte sogar mit Bestechung gearbeitet, um den Zuschlag zu bekommen. Aber lohnt es sich wirklich noch, die Olympischen Spiele zu veranstalten? Die Geschichte bietet unterschiedliche Lektionen.

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Schnellzug Shinkansen im früheren Olympia-Standort Nagano:
Die Stadt hat die Ausgaben für die Infrastruktur nie verdaut


Das japanische Nagano etwa, Ort der Winterspiele 1998, ist pleite. Der erhoffte Tourismusboom ist ausgeblieben. Die Betriebskosten für die vielfach leer stehenden Anlagen belasten den Haushalt bis heute. Selbst die Baukosten, unter anderem für eine Anbindung an den Superzug Shinkansen, sind noch nicht verdaut. Die Stadt sitzt auf einem Schuldenberg von 14 Milliarden Euro. Bessere Erfahrungen hat das norwegische Lillehammer gemacht. Acht Jahre nach den Winterspielen kann die Stadt die Betriebskosten für die Anlagen aus einem Fonds bezahlen, der damals im Budget verankert worden war. In weiser Voraussicht hatten die Norweger 58 Millionen Euro für die Folgekosten beiseite gelegt.

Für Salt Lake City gibt es noch kein abschließendes Urteil, ob die Spiele zur Geldmaschine oder zum Milliardengrab werden. Es hängt auch von der Perspektive ab. Washington wird sein 1,5-Milliarden-Dollar-Investment mit Sicherheit nicht wiedersehen. Aber der Kongress zahlt für den ideellen Wert - schließlich sind die Olympischen Spiele mal wieder ein Anlass, um Amerika zu feiern.

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Eröffnungszeremonie im Rice-Eccles-Stadion: Die Fernsehübertragung der
Spiele auf NBC bringt dem Sender viele Millionen Werbeeinnahmen ein

 
Für die Mormonenhauptstadt und den Bundesstaat Utah hingegen wird voraussichtlich ein Gewinn abfallen. Die Haushälter des Gouverneurs rechnen mit zusätzlichen Steuereinnahmen von 453 Millionen Dollar für Stadt und Staat. Zieht man davon die Ausgaben von 377 Millionen Dollar ab, bleibt ein Gewinn von 76 Millionen Dollar. Ein bedeutender Teil davon soll aus dem Alkoholverkauf an die Besucher kommen. Getränke mit mehr als drei Prozent Alkoholgehalt gibt es im Mormonenland nämlich nur in staatlich geführten "Liquor Stores". In Erwartung der gesteigerten Nachfrage hat das "Department für Alkoholkontrolle" bereits hektoliterweise Bier, Wein und Härteres gebunkert. Die deutsche Delegation will sich darauf jedoch nicht verlassen: Mit einer Sondergenehmigung hat sie 585 Kästen Bitburger und Köstritzer Schwarzbier importiert.

Der Steuergewinn Utahs verblasst neben dem enormen Schub für die regionale Wirtschaft. Inklusive der Bundeshilfen fließen rund vier Milliarden Dollar in den Staat, schätzt das Bureau of Economic and Business Research an der Universität von Utah. 80 Prozent dieser Summe ist bereits in den Anlagen und der Infrastruktur verbaut. Die Bauaufträge sind vor allem an lokale Unternehmen gegangen. Dazu kommt der dreiwöchige Rummel: Die Athleten, Zuschauer und Journalisten werden der Schätzung nach 350 Millionen Dollar ausgeben. Auf Grund der Rezession allerdings wird die Bonanza wohl nicht so üppig ausfallen wie ursprünglich erwartet, berichten US-Medien. Unternehmen, die normalerweise Suiten und Logen für Geschäftspartner buchen, haben ihre Marketingetats stark gekürzt. Auch Verbraucher sind sparsamer geworden. Lokale Geschäftsleute haben ihre Erwartungen deshalb bereits zurückgeschraubt.

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Grand America Hotel in Salt Lake City: Die regionale Wirtschaft spekuliert
auf den Konsum der Olympia-Besucher. Die aber sind sparsamer geworden

 
Auch die Nachbarstaaten hoffen auf den olympischen Effekt. Idaho rechnet mit 150 Millionen Dollar zusätzlichen Tourismus-Einnahmen bis 2004. Zusammen mit Nevada und Utah betreibt der Bundesstaat während der Spiele ein 360 Quadratmeter großes Werbezentrum in Salt Lake City, um den Westen als internationales Skiparadies zu vermarkten. Doch ob dieser Plan aufgeht, bleibt abzuwarten. Schon andere Skizentren sind nach drei Wochen im Scheinwerferlicht schnell in Vergessenheit geraten.

Eine Bilanz für Salt Lake City gibt es also noch nicht. Zwei Olympia-Gewinner stehen jedoch bereits fest. Der erste ist NBC. Der Fernsehsender, der die Übertragungsrechte für die USA hält, hat bereits Werbeeinahmen von 720 Millionen Dollar verbucht - 75 Millionen Dollar mehr als die Kosten des Programms. Der Gewinn liegt damit 25 Prozent höher als bei den Sommerspielen von Atlanta und Sydney (je 60 Millionen Dollar).

Der zweite Gewinner heißt wie bei jedem Großereignis Ebay. Die Auktions-Website verdient ohne eigene Kosten an dem schwunghaften Handel mit Eintrittskarten. Die Trefferliste für das Suchwort "Olympia-Tickets" ist 37 Seiten lang.

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