Zentralbank-Präsident Duisenberg: Stärke des Euro ist eher eine Schwäche des Dollar/Preisklima der Eurozone trübt sich ein
Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, hat eindringlich vor zu hohen Lohnabschlüssen gewarnt. Er nannte Deutschland nicht explizit, sagte aber: „Zu starke Lohnerhöhungen können den Druck auf die Kosten erhöhen mit der Folge von Preissteigerungen, noch schlimmeren Folgen für die Beschäftigung und das Wirtschaftswachstum.“
Auch ohne zu prall gefüllte Lohntüten zeigte sich „Mister Euro“ unzufrieden mit der Preisentwicklung. Duisenberg ist nicht mehr sicher, ob die Inflationsrate im Euro-Raum in diesem Jahr im Durchschnitt unter die Marke von zwei Prozent sinkt. „Wir werden aber nahe dran sein“, fügte er hinzu.
Als Grund für die eingetrübten Preisperspektiven gab er die Verteuerung beim Öl an. Auch bei den Dienstleistungen gebe es einen sichtbaren Aufwärtstrend. Zuletzt ist die Inflationsrate im Euroraum im April auf 2,2 Prozent gefallen, nach 2,7 Prozent im Januar. „Wir müssen wachsam sein und die weitere Entwicklung der Schlüsseldaten genau beobachten“, meinte der EZB- Präsident mit Blick auf Zinsentscheidungen. Am Donnerstag ließ der EZB-Rat die Leitzinsen unverändert. Für die kurzfristige Geldleihe werden den Banken 3,25 Prozent an Zinsen berechnet. In Bezug auf die Konjunktur in Europa zeigte sich Duisenberg nicht mehr ganz so optimistisch. Zwar zeichneten die Prognosen alle ein ähnliches Bild vom allmählichen Aufschwung. Aber es gebe nach wie vor einige Unsicherheit über dessen Stärke.
Dazu gehöre der Ölpreis und das Leistungsbilanzdefizit der USA. Dieses Defizit von vier Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts bezeichnete er als „ein Risiko für die Weltwirtschaft“. Der EZB-Präsident zeigte sich auch besorgt über die Zunahme von Handelshemmnissen, wie sie in den USA beim Stahl praktiziert werden. Wechselkurse sollten nicht instrumentalisiert werden, sagte er in Richtung Amerika. Die neue Stärke des Euro ist für ihn eher eine Dollar-Schwäche. Dafür würden vor allem die unveränderten Austauschverhältnisse zu Yen, britischem Pfund und Schweizer Franken sprechen. Der jetzige Eurokurs von 90 US-Cents würde der EZB helfen, die Inflation unter Kontrolle zu halten. Deshalb hoffe er auch, dass es sich doch um eine fundamentale Änderung der Wechselkurse handele.
Zu den Unsicherheitsfaktoren zählt auch die noch immer stark steigende Geldmenge, hinter der sich kurzfristig abrufbare Gelder verbergen und deren übermäßige Ausweitung als Nährboden für steigende Inflation gilt.
Quelle:SZ