Weltwirtschaft
"Die Weltwirtschaft steckt den Ölpreis weg"
17. Juli 2006 Vom hohen Ölpreis geht noch keine Gefahr für die Konjunktur aus. Bankvolkswirte und Ökonomen großer Forschungsinstitute weisen daraufhin, daß die Weltwirtschaft in robuster Verfassung sei.
"Die Konjunktur hat den hohen Ölpreis recht gut weggesteckt", sagt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW). Der Ölpreis müsse schon über einen längeren Zeitraum jenseits der 80-Dollar-Marke liegen, damit negative Effekte einträten. Am Montag wurde ein Barrel (rund 159 Liter) Rohöl der Sorte WTI um 76,50 Dollar gehandelt, fast 2 Dollar unter dem Hoch in der vergangenen Woche.
Nachfragegetrieben
Der hohe Ölpreis entziehe den deutschen Konsumenten zwar Kaufkraft, sagt Thomas Mayer, Chefvolkswirt Europa der Deutschen Bank. Bislang habe das Rekordhoch aber wenig geschadet, weil es sich um einen nachfragegetriebenen Preisanstieg gehandelt habe. Die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen sei gestiegen und auch die Produktion, was zu einer stärkeren Nachfrage nach Öl und damit zu einem höheren Ölpreis geführt habe. "Der Ölpreisanstieg war also nur ein kleiner Bremsfaktor in einer insgesamt starken Wirtschaftsentwicklung", sagt Mayer. Ähnlich sieht es Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank: "Wir haben eine boomende Weltwirtschaft seit vielen Jahren." Eine Ursache für den hohen Ölpreis sei die gestiegene Ölnachfrage der Schwellenländer. "Der hohe Ölpreis ist der Preis dafür, daß diese Länder in die Weltwirtschaft integriert werden." Von dieser Integration könne Deutschland nur profitieren. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank, verweist ebenfalls auf die Globalisierung und das starke Wachstum der Weltwirtschaft. Beides diene als Schutz gegen den hohen Ölpreis.
Obwohl die Autofahrer an den Tankstellen leiden, zählt die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung der Ökonomen teilweise zu den Gewinnern des Ölpreishochs. "Als exportorientiertes Land profitieren wir vom Recycling der Petrodollars", sagt Krämer. Carsten-Patrick Meier vom Kieler Institut für Weltwirtschaft verweist darauf, daß die Ölländer ihre gestiegenen Einnahmen am internationalen Kapitalmarkt anlegten und so die Zinsen niedrig hielten. Zudem investierten sie sehr stark. "Davon profitiert der deutsche Maschinen- und Anlagebau", sagt Meier.
Opec erwartet geringeren Nachfrageanstieg
Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) erwartet für 2007 einen geringeren Anstieg der globalen Nachfrage nach Öl als in diesem Jahr. Grund seien die schwächere Konjunktur, die hohen Ölpreisen und Engpässe bei Raffinerien, erklärte die Opec am Montag. Die Organisation prognostiziert für 2007 ein Wachstum der täglichen Nachfrage um 1,5 Prozent auf 85,9 Millionen Barrel (159 Liter). In diesem Jahr dürfe der Ölbedarf um 1,7 Prozent auf 84,6 Millionen Barrel am Tag steigen. Die zum kurzfristigen Ausgleichen von Nachfrageschwankungen notwendigen Pufferkapazitäten der Opec würden von 8 Prozent im Vorjahr auf 10 Prozent im kommenden Jahr erhöht.
Den Grund dafür, daß die Weltwirtschaft das Ölpreis-Allzeithoch so viel besser verkraftet als während der Ölkrise in den siebziger Jahren, sehen die Ökonomen vor allem in die den bislang ausgebliebenen Zweitrundeneffekten. Gebhard Flaig vom Münchener Ifo-Institut sieht zwar immer noch den Druck der Gewerkschaftsmitglieder auf ihre Führung, Kaufkraftverluste durch höhere Löhne auszugleichen. "Aber man findet diese Argumentation erstaunlich selten."
Flexiblere Wirtschaft hilft
"Es wird schon verstanden, daß der Ölpreisanstieg nicht durch Lohnsteigerungen wieder reingeholt werden kann", sagt Meier vom IfW. Grundsätzlich sehen die Volkswirte die Weltwirtschaft nicht länger in einer derartigen Abhängigkeit vom Ölpreis, wie es früher der Fall war. Kemfert vom DIW verweist auf eine gestiegene Energieeffizienz. "Je flexibler die Wirtschaft, je mehr freies Spiel die Märkte haben, desto weniger gefährlich ist der Ölpreisanstieg", sagt Mayer von der Deutschen Bank. Seit den siebziger Jahren seien Restriktionen abgebaut worden. Reibungsverluste werde der hohe Ölpreis so zwar mit sich bringen, manche Investitionen würden sich nicht länger lohnen und Abschreibungen nötig werden. "Wir sehen aber keine Extremreaktionen."
An ihren Wachstumprognosen für Deutschland und die Weltwirtschaft halten Banken und Institute vorerst fest. Ihren Prognosen hatten sie schon recht hohe Ölpreise von 60 bis 70 Dollar zugrundegelegt. Die Deutsche Bank erwartet für dieses Jahr ein Wachstum von 1,8 Prozent in Deutschland und von 0,6 Prozent im kommenden Jahr. Das Weltwirtschaftswachstum sieht Mayer bei 5 beziehungsweise 4 Prozent. Kater von der Deka-Bank sagt indes: "Wenn sich der Ölpreis oberhalb von 80 Dollar festsetzt, werden schon ein oder zwei Zehntel Prozentpunkte Wachstum fällig." Der relativen Gelassenheit liegt die Annahme zugrunde, daß es nicht zu kurzfristigen Angebotsschocks kommt. Noch regiere nur die Furcht vor einer Verknappung des Angebots den Ölpreis, nicht aber ein wirklicher Mangel an Öl. "Wenn es im Nahen Osten zu einem Flächenbrand kommt", sagt Kater, "steckt das die Weltwirtschaft nicht mehr weg. Wenn der Iran als Lieferant wegfällt, dann steigt der Preis auf 100 Dollar, dann haben wir ein Problem."
Text: rike./ela. / F.A.Z., 18.07.2006, Nr. 164 / Seite 13
Bildmaterial: F.A.Z.
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