O N L I N E - B R O K E R
Rückkehr zum Modell Sparkasse
Von Carsten Volkery
Finanzen - das war der Bereich im Netz, für den selbst
Internet-Skeptiker noch am ehesten eine Zukunft sahen. Doch
die Börsenkrise hat die Online-Broker und Finanzportale kalt
erwischt.
Von all den Typen, die die New Economy
hervorgebracht hat, waren sie die
bedingungslosesten und die gierigsten: die
Zocker. Menschen, die Aktien voller Passion
kaufen und abstoßen, Spieler, die auf
Börsenkurven surfen, rein, raus, je nachdem
woher die Strömung kommt.
Als sie mit Macht ins Internet drängten,
verlangten sie nach Informationen: Kurse,
Charts, Ad-Hoc-Meldungen und vor allem
Gerüchte. Das Finanzportal Wallstreet Online bot
seit 1998 all das und wurde schnell zum Paradies
der Zocker. Die Chatrooms der Seite sind bis
heute legendär. Hier wurden Trends geboren und
beerdigt. Besonders wer am Neuen Markt
investierte, kam um die Spekulationen auf
Wallstreet Online nicht herum.
Doch seit die Kurse im vergangenen Frühjahr zu fallen begannen, hat
das Finanzportal Probleme. Der Börsengang wurde abgesagt, die
Besucher schwinden. Allein im Februar sanken die Zugriffszahlen um
16 Prozent. Ein Trend, der die gesamte Branche betrifft: Der große
Rivale Onvista verzeichnete im selben Zeitraum einen Rückgang von
26 Prozent, die Seite Finanztreff gar einen Einbruch von 29 Prozent.
"Anleger haben die Eigenschaft, sich weniger zu kümmern, wenn es
schlecht läuft", erklärt Jörg Kiverius, Sprecher von Wallstreet Online,
lapidar. Das dürfe man nicht zu ernst nehmen. Doch er hat allen
Grund zur Sorge. Denn Wallstreet Online erwirtschaftet 70 Prozent
des Umsatzes mit Werbung. Und diese Einnahmen sind direkt von den
Zugriffszahlen abhängig.
Ebenfalls hart getroffen von der Börsenkrise sind die Online-Broker,
die Anbieter also, bei denen man nicht nur nachschauen, sondern
auch handeln kann. Die Klickzahlen bei Consors, der deutschen
Nummer zwei, haben sich binnen Jahresfrist halbiert, die Zahl der
"Trades" ist rückläufig. Auch die Entwicklung der Neukunden liest sich
deprimierend: Im ersten Quartal 2000 haben noch 141.000 Menschen
bei Consors ein Depot aufgemacht - Rekord. Kein Wunder, die Börse
boomte. Dann ging es in Dreimonatsschritten rasant bergab: 61.000,
47.000, 25.000 - und zuletzt 13.000 (bis zum 23. März). Zufrieden
sein könne er damit nicht, erklärte Consors-Chef Karl Matthäus
Schmidt bei der Bilanzpressekonferenz.
Immerhin sind die Broker im Markt noch besser aufgestellt als die
reinen Info-Portale. Die Großen Drei, Comdirect, Consors und Direkt
Anlage Bank, profitierten vor allem von ihrem starken Markennamen,
sagt Patricia Neuhaus von der Marktforschungsfirma Jupiter MMXI. Im
Unterschied zu Wallstreet Online oder Finanztreff erzielten Consors
und Comdirect im vergangenen Jahr Gewinn. Doch dieses Jahr sieht
es düster aus: Comdirect hat wegen der europäischen Expansion für
2001 einen Verlust angekündigt, die Direkt Anlage Bank hatte bereits
im vergangenen Jahr ein Minus von 3,9 Millionen Euro ausgewiesen.
In der Branche beginnt das Umdenken. Denn nach den Zockern
kommt jetzt die "zweite Welle" der Anleger auf den Markt. Und denen
reicht "schnell und billig" nicht mehr. Allfinanz heißt das neue
Zauberwort. "Die Heavy Trader sind verteilt", sagt Mathias Hajek von
Comdirect. "Jetzt geht es vor allem um Service."
Fast alle Anbieter haben deshalb inzwischen Fonds im Programm.
Selbst Wallstreet Online hat im Januar einen Bereich "private
Finanzen" eingerichtet, der sich speziell an den risikobewussten
Fondssparer richtet.
Die Online-Broker gehen sogar noch weiter: Sie richten ganz
altmodisch Filialen ein. Die Direkt Anlage Bank nennt ihre 12 Filialen
verschämt Investment-Center, damit sie nicht ganz so sehr an die
Sparkasse erinnern. Comdirect nennt sie Betreuungsshops. Ein
Pilotprojekt wird dieses Jahr in Hamburg starten, dann ist die
Expansion in Groß- und Universitätsstädte geplant.
Der Druck kommt vor allem von den etablierten Banken, die längst
alle Kanäle nutzen, um ihre Kunden zu ködern und zu binden. Filialen
haben sie seit Jahrzehnten, und im Netz greifen sie an: Letzte Woche
startete die Deutsche Bank Maxblue, den "ersten paneuropäischen
Online-Broker". Die Seite richtet sich an vermögende Privatkunden
der zweiten Welle und soll bis zum Jahr 2004 1,5 Millionen Kunden
haben. Zum Vergleich: Marktführer Comdirect hat europaweit
600.000 Kunden.
Die Filialen sind wichtige Rekrutierungszentren: Hier kann auch
Internet-unerfahrenen Kunden am Computer gezeigt werden, wie
einfach Online-Brokerage ist. Ein unschätzbarer Vorteil. "Das bietet
kein Wettbewerber", freut sich Hermann-Josef Lamberti, Vorstand der
Deutschen Bank.
Die Online-Broker müssen nachziehen. In ihrem Bemühen, mehr
Beratung anzubieten, werfen sie auch alte Grundsätze über Bord. So
soll in Zukunft eine Beratungsgebühr für Serviceleistungen erhoben
werden - undenkbar während des Kampfes um die preisbewussten
Heavy Trader. Doch gerade in Zeiten, in denen die Börse ihre Tücken
offenbart, sind Anleger bereit, für Tipps zu zahlen.
Auch die Finanzportale könnten nur überleben, wenn sie es schaffen,
für ihre Inhalte auch Geld zu bekommen, sagt Neuhaus.
Werbeeinnahmen allein reichten nicht. Höchstens 30 Prozent des
gesamten Umsatzes sollten aus der Bannerwerbung kommen. Viel
versprechend seien Partnerschaften im B2B-Bereich und
Lizenzgeschäfte. Marktführer Onvista habe auf diese Weise
vergangenes Jahr bereits einen Gewinn erwirtschaftet. Die Seite
verkauft ihre Tools und Inhalte unter anderem an Consors.
Die Chancen, auch die Endkunden zur Kasse zu bitten, stünden nicht
schlecht. Internet-Surfer lehnten Bezahlangebote gerade im
finanziellen Bereich nicht mehr rundheraus ab. Neuhaus: "Die
Stimmung schlägt um."
Quelle: Spiegel online
Rückkehr zum Modell Sparkasse
Von Carsten Volkery
Finanzen - das war der Bereich im Netz, für den selbst
Internet-Skeptiker noch am ehesten eine Zukunft sahen. Doch
die Börsenkrise hat die Online-Broker und Finanzportale kalt
erwischt.
Von all den Typen, die die New Economy
hervorgebracht hat, waren sie die
bedingungslosesten und die gierigsten: die
Zocker. Menschen, die Aktien voller Passion
kaufen und abstoßen, Spieler, die auf
Börsenkurven surfen, rein, raus, je nachdem
woher die Strömung kommt.
Als sie mit Macht ins Internet drängten,
verlangten sie nach Informationen: Kurse,
Charts, Ad-Hoc-Meldungen und vor allem
Gerüchte. Das Finanzportal Wallstreet Online bot
seit 1998 all das und wurde schnell zum Paradies
der Zocker. Die Chatrooms der Seite sind bis
heute legendär. Hier wurden Trends geboren und
beerdigt. Besonders wer am Neuen Markt
investierte, kam um die Spekulationen auf
Wallstreet Online nicht herum.
Doch seit die Kurse im vergangenen Frühjahr zu fallen begannen, hat
das Finanzportal Probleme. Der Börsengang wurde abgesagt, die
Besucher schwinden. Allein im Februar sanken die Zugriffszahlen um
16 Prozent. Ein Trend, der die gesamte Branche betrifft: Der große
Rivale Onvista verzeichnete im selben Zeitraum einen Rückgang von
26 Prozent, die Seite Finanztreff gar einen Einbruch von 29 Prozent.
"Anleger haben die Eigenschaft, sich weniger zu kümmern, wenn es
schlecht läuft", erklärt Jörg Kiverius, Sprecher von Wallstreet Online,
lapidar. Das dürfe man nicht zu ernst nehmen. Doch er hat allen
Grund zur Sorge. Denn Wallstreet Online erwirtschaftet 70 Prozent
des Umsatzes mit Werbung. Und diese Einnahmen sind direkt von den
Zugriffszahlen abhängig.
Ebenfalls hart getroffen von der Börsenkrise sind die Online-Broker,
die Anbieter also, bei denen man nicht nur nachschauen, sondern
auch handeln kann. Die Klickzahlen bei Consors, der deutschen
Nummer zwei, haben sich binnen Jahresfrist halbiert, die Zahl der
"Trades" ist rückläufig. Auch die Entwicklung der Neukunden liest sich
deprimierend: Im ersten Quartal 2000 haben noch 141.000 Menschen
bei Consors ein Depot aufgemacht - Rekord. Kein Wunder, die Börse
boomte. Dann ging es in Dreimonatsschritten rasant bergab: 61.000,
47.000, 25.000 - und zuletzt 13.000 (bis zum 23. März). Zufrieden
sein könne er damit nicht, erklärte Consors-Chef Karl Matthäus
Schmidt bei der Bilanzpressekonferenz.
Immerhin sind die Broker im Markt noch besser aufgestellt als die
reinen Info-Portale. Die Großen Drei, Comdirect, Consors und Direkt
Anlage Bank, profitierten vor allem von ihrem starken Markennamen,
sagt Patricia Neuhaus von der Marktforschungsfirma Jupiter MMXI. Im
Unterschied zu Wallstreet Online oder Finanztreff erzielten Consors
und Comdirect im vergangenen Jahr Gewinn. Doch dieses Jahr sieht
es düster aus: Comdirect hat wegen der europäischen Expansion für
2001 einen Verlust angekündigt, die Direkt Anlage Bank hatte bereits
im vergangenen Jahr ein Minus von 3,9 Millionen Euro ausgewiesen.
In der Branche beginnt das Umdenken. Denn nach den Zockern
kommt jetzt die "zweite Welle" der Anleger auf den Markt. Und denen
reicht "schnell und billig" nicht mehr. Allfinanz heißt das neue
Zauberwort. "Die Heavy Trader sind verteilt", sagt Mathias Hajek von
Comdirect. "Jetzt geht es vor allem um Service."
Fast alle Anbieter haben deshalb inzwischen Fonds im Programm.
Selbst Wallstreet Online hat im Januar einen Bereich "private
Finanzen" eingerichtet, der sich speziell an den risikobewussten
Fondssparer richtet.
Die Online-Broker gehen sogar noch weiter: Sie richten ganz
altmodisch Filialen ein. Die Direkt Anlage Bank nennt ihre 12 Filialen
verschämt Investment-Center, damit sie nicht ganz so sehr an die
Sparkasse erinnern. Comdirect nennt sie Betreuungsshops. Ein
Pilotprojekt wird dieses Jahr in Hamburg starten, dann ist die
Expansion in Groß- und Universitätsstädte geplant.
Der Druck kommt vor allem von den etablierten Banken, die längst
alle Kanäle nutzen, um ihre Kunden zu ködern und zu binden. Filialen
haben sie seit Jahrzehnten, und im Netz greifen sie an: Letzte Woche
startete die Deutsche Bank Maxblue, den "ersten paneuropäischen
Online-Broker". Die Seite richtet sich an vermögende Privatkunden
der zweiten Welle und soll bis zum Jahr 2004 1,5 Millionen Kunden
haben. Zum Vergleich: Marktführer Comdirect hat europaweit
600.000 Kunden.
Die Filialen sind wichtige Rekrutierungszentren: Hier kann auch
Internet-unerfahrenen Kunden am Computer gezeigt werden, wie
einfach Online-Brokerage ist. Ein unschätzbarer Vorteil. "Das bietet
kein Wettbewerber", freut sich Hermann-Josef Lamberti, Vorstand der
Deutschen Bank.
Die Online-Broker müssen nachziehen. In ihrem Bemühen, mehr
Beratung anzubieten, werfen sie auch alte Grundsätze über Bord. So
soll in Zukunft eine Beratungsgebühr für Serviceleistungen erhoben
werden - undenkbar während des Kampfes um die preisbewussten
Heavy Trader. Doch gerade in Zeiten, in denen die Börse ihre Tücken
offenbart, sind Anleger bereit, für Tipps zu zahlen.
Auch die Finanzportale könnten nur überleben, wenn sie es schaffen,
für ihre Inhalte auch Geld zu bekommen, sagt Neuhaus.
Werbeeinnahmen allein reichten nicht. Höchstens 30 Prozent des
gesamten Umsatzes sollten aus der Bannerwerbung kommen. Viel
versprechend seien Partnerschaften im B2B-Bereich und
Lizenzgeschäfte. Marktführer Onvista habe auf diese Weise
vergangenes Jahr bereits einen Gewinn erwirtschaftet. Die Seite
verkauft ihre Tools und Inhalte unter anderem an Consors.
Die Chancen, auch die Endkunden zur Kasse zu bitten, stünden nicht
schlecht. Internet-Surfer lehnten Bezahlangebote gerade im
finanziellen Bereich nicht mehr rundheraus ab. Neuhaus: "Die
Stimmung schlägt um."
Quelle: Spiegel online