Nokia Siemens Networks
Aggressive Strategie: Nokia will Marktführerschaft um jeden Preis
... auch auf Kosten von Siemens.
Stürmische Zeiten bei Nokia Siemens Networks: Die Finnen drängen Siemens-Manager in die Defensive und geben den Ton an. Sie wollen Marktführer Ericsson überholen – und weitere Übernahmen meistern.
Der kollegiale Schulterschluss war nicht mehr als vornehme Symbolik. Als am 19. Juni 2006 der deutsche Traditionskonzern Siemens und der finnische Handyriese Nokia in Frankfurt über die Fusionspläne ihrer Netzwerksparten jubilierten, war jede Geste bis ins Detail austariert: zwei gleichgroße Firmenlogos, die beiden Vorstandschefs brav nebeneinander, viele schöne Worte. "Wir kommen auf Augenhöhe zusammen", tönte der damalige Siemens-Boss Klaus Kleinfeld. "Keiner dominiert den anderen", sagte Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo artig.
Inzwischen ist alles anders. Bei dem deutsch-finnischen 50:50-Joint-Venture Nokia Siemens Networks (NSN), an dem Siemens eine Aktie mehr hält, sagt Nokia immer lauter, wo es lang geht. Früher einflussreiche Siemens-Manager werden bis auf wenige Ausnahmen in niedrigere Ränge degradiert. Im zehnköpfigen Executive Board ist mit Marketingchef Karl-Christoph Caselitz derzeit nur noch eine frühere Spitzenkraft des Münchner Konzerns vertreten. Als NSN Anfang April offiziell an den Start ging, führte Siemens-Manager Peter Schönhofer immerhin noch das wichtige Finanzressort. Acht Wochen später schmiss er hin, die internen Querelen waren zu groß. An seine Stelle trat Nokia-Mann Eric Simonsen. Auch beim Personalabbau ist das ungleiche Kräfteverhältnis zu erkennen. 15 Prozent der weltweit 60000 Stellen fallen dem Rotstift zum Opfer. Überdurchschnittlich trifft es die Mitarbeiter an den deutschen Standorten, vor allem in München. Fast 20 Prozent der Jobs fallen weg.
Als der frisch gekürte Siemens-Chef Peter Löscher am 25. Juli die Quartalszahlen präsentierte, durfte er nur den auf seinen Konzern entfallenen Verlust von 371 Millionen Euro bei NSN vermelden, den er als Beteiligungsergebnis verbucht; und er nannte die Restrukturierungskosten von 900 Millionen Euro. NSN-Chef Simon Beresford-Wylie, der auch Mitglied im Nokia-Vorstand ist, verkündet die eigentliche Bilanz dagegen erst am 2. August, wenn Nokia sein Zahlenwerk für das erste Halbjahr vorlegt. Weil die Finnen das NSN-Management beherrschen, dürfen sie das Netzwerkunternehmen als normale Tochtergesellschaft vollständig in ihren Büchern führen.
Locker kann Beresford-Wylie in der Rolle des engagierten Firmenchefs brillieren: Bis Ende 2010 will er die Kosten um 1,5 Milliarden Euro senken."Nur so können wir unsere Wachstumspläne realisieren und Nummer eins auf dem Weltmarkt werden." Mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche treibt er die Expansion voran. Bislang liegt Konkurrent Ericsson mit einem Umsatz von 20 Milliarden Euro klar vorne. Den zweiten Platz belegt Alcatel-Lucent mit 18,3 Milliarden Euro. Rechnerisch erreichten Nokia und Siemens im Jahr 2006 mit Erlösen von zusammen 17,1 Milliarden Euro Platz drei. Die Aufholjagd läuft. Internen Unterlagen zufolge kam NSN im Kerngeschäft mit Telefonfirmen bereits im vergangenen Jahr auf Rang zwei. "Wir sind bei den entscheidenden Kunden auf der Überholspur", sagt Beresford-Wylie, ein Brite, der in Australien aufwuchs und seit 19 Jahren bei Nokia ist.
Um noch schneller zu werden, könnte eine Übernahme des US-Telekommunikationsausrüsters Tellabs helfen. Angeblich will NSN rund sieben Milliarden Euro für die US-Firma bieten, um seine Position bei Telefonkonzernen wie AT&T oder Verizon auszubauen. Künftig sind Koppelprodukte, die Mobilfunk- und Festnetz geschickt miteinander verbinden, das Maß der Dinge. Das Mobilfunk-Know-how stammt von beiden Partnern, Erfahrung mit dem Festnetz liefert ausschließlich Siemens. "Gemeinsam haben die beiden mehr als 500 Telefongesellschaften als Kunden", lobt Nicolas von Stackelberg, Analyst bei der Privatbank Sal. Oppenheim. "Das Management hat gute Chancen, das Geschäft kräftig anzukurbeln" – zum Nachteil des französisch-amerikanischen Unternehmens Alcatel-Lucent, das im Mobilfunkbereich über deutlich weniger Kompetenz als NSN verfügt.
Weitere Erfolge möchte NSN im Fernsehgeschäft feiern. TV-Angebote werden künftig häufiger als bislang auf Mobiltelefone und ins Internet übertragen. Sendungen wie die „Tagesschau“ sind bereits via Handy zu sehen. "Langfristig steigt so das übertragene Datenvolumen um das 100-fache", sagt Beresford-Wylie, "daran kommt keiner vorbei." Auch Ericsson und Alcatel-Lucent wollen sich dem Thema widmen. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Servicegeschäft. Bereits heute erledigt Ericsson für über 40 Telefonkonzerne die Wartung der Netze. Siemens war den Schweden schon einmal auf den Fersen. NSN will die Expertise nutzen und weitere Ingenieure in China und Indien einstellen. In Deutschland fallen dagegen Stellen weg.
So nachdrücklich die Nokia-Truppe ihre Strategie durchsetzt, so deutlich drängt sie auf eine veränderte Firmenkultur. Altgediente Siemensianer müssen sich daran gewöhnen, dass interne Mails nur noch in englischer Sprache abgefasst werden. Einzig die konzernweite Ansprache per Vornamen kommt gut an. Das gilt auch für die Mitglieder des Executive Board und die Manager in der zweiten Reihe. Immerhin sitzen dort noch einige Deutsche. Vier der sechs für Produkte zuständigen Bereichsleiter stammen aus dem Siemens-Lager – was in den Niederlassungen in München und Berlin als wichtiges Signal zur Standorttreue verstanden wird.
Auch an der Spitze des Personalressorts sitzt ein Deutscher: Bosco Novák. Wegen seines jungenhaften Charmes wird der 46-Jährige sogar von Betriebsräten gelobt. Doch wer in Novák einen Ex-Siemensianer vermutet, der die Fahne der deutschen Mitarbeiter hochhält, täuscht sich. Der frühere Bundeswehr-Offizier, der zuvor bei Ericsson diente, kam vor sieben Jahren zu den Finnen und war viele Jahre ihr Deutschland-Repräsentant mit Büro in Düsseldorf.
Quelle: capital.de
¡hasta pronto!
Einsamer Samariter
Aggressive Strategie: Nokia will Marktführerschaft um jeden Preis
... auch auf Kosten von Siemens.
Stürmische Zeiten bei Nokia Siemens Networks: Die Finnen drängen Siemens-Manager in die Defensive und geben den Ton an. Sie wollen Marktführer Ericsson überholen – und weitere Übernahmen meistern.
Der kollegiale Schulterschluss war nicht mehr als vornehme Symbolik. Als am 19. Juni 2006 der deutsche Traditionskonzern Siemens und der finnische Handyriese Nokia in Frankfurt über die Fusionspläne ihrer Netzwerksparten jubilierten, war jede Geste bis ins Detail austariert: zwei gleichgroße Firmenlogos, die beiden Vorstandschefs brav nebeneinander, viele schöne Worte. "Wir kommen auf Augenhöhe zusammen", tönte der damalige Siemens-Boss Klaus Kleinfeld. "Keiner dominiert den anderen", sagte Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo artig.
Inzwischen ist alles anders. Bei dem deutsch-finnischen 50:50-Joint-Venture Nokia Siemens Networks (NSN), an dem Siemens eine Aktie mehr hält, sagt Nokia immer lauter, wo es lang geht. Früher einflussreiche Siemens-Manager werden bis auf wenige Ausnahmen in niedrigere Ränge degradiert. Im zehnköpfigen Executive Board ist mit Marketingchef Karl-Christoph Caselitz derzeit nur noch eine frühere Spitzenkraft des Münchner Konzerns vertreten. Als NSN Anfang April offiziell an den Start ging, führte Siemens-Manager Peter Schönhofer immerhin noch das wichtige Finanzressort. Acht Wochen später schmiss er hin, die internen Querelen waren zu groß. An seine Stelle trat Nokia-Mann Eric Simonsen. Auch beim Personalabbau ist das ungleiche Kräfteverhältnis zu erkennen. 15 Prozent der weltweit 60000 Stellen fallen dem Rotstift zum Opfer. Überdurchschnittlich trifft es die Mitarbeiter an den deutschen Standorten, vor allem in München. Fast 20 Prozent der Jobs fallen weg.
Als der frisch gekürte Siemens-Chef Peter Löscher am 25. Juli die Quartalszahlen präsentierte, durfte er nur den auf seinen Konzern entfallenen Verlust von 371 Millionen Euro bei NSN vermelden, den er als Beteiligungsergebnis verbucht; und er nannte die Restrukturierungskosten von 900 Millionen Euro. NSN-Chef Simon Beresford-Wylie, der auch Mitglied im Nokia-Vorstand ist, verkündet die eigentliche Bilanz dagegen erst am 2. August, wenn Nokia sein Zahlenwerk für das erste Halbjahr vorlegt. Weil die Finnen das NSN-Management beherrschen, dürfen sie das Netzwerkunternehmen als normale Tochtergesellschaft vollständig in ihren Büchern führen.
Locker kann Beresford-Wylie in der Rolle des engagierten Firmenchefs brillieren: Bis Ende 2010 will er die Kosten um 1,5 Milliarden Euro senken."Nur so können wir unsere Wachstumspläne realisieren und Nummer eins auf dem Weltmarkt werden." Mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche treibt er die Expansion voran. Bislang liegt Konkurrent Ericsson mit einem Umsatz von 20 Milliarden Euro klar vorne. Den zweiten Platz belegt Alcatel-Lucent mit 18,3 Milliarden Euro. Rechnerisch erreichten Nokia und Siemens im Jahr 2006 mit Erlösen von zusammen 17,1 Milliarden Euro Platz drei. Die Aufholjagd läuft. Internen Unterlagen zufolge kam NSN im Kerngeschäft mit Telefonfirmen bereits im vergangenen Jahr auf Rang zwei. "Wir sind bei den entscheidenden Kunden auf der Überholspur", sagt Beresford-Wylie, ein Brite, der in Australien aufwuchs und seit 19 Jahren bei Nokia ist.
Um noch schneller zu werden, könnte eine Übernahme des US-Telekommunikationsausrüsters Tellabs helfen. Angeblich will NSN rund sieben Milliarden Euro für die US-Firma bieten, um seine Position bei Telefonkonzernen wie AT&T oder Verizon auszubauen. Künftig sind Koppelprodukte, die Mobilfunk- und Festnetz geschickt miteinander verbinden, das Maß der Dinge. Das Mobilfunk-Know-how stammt von beiden Partnern, Erfahrung mit dem Festnetz liefert ausschließlich Siemens. "Gemeinsam haben die beiden mehr als 500 Telefongesellschaften als Kunden", lobt Nicolas von Stackelberg, Analyst bei der Privatbank Sal. Oppenheim. "Das Management hat gute Chancen, das Geschäft kräftig anzukurbeln" – zum Nachteil des französisch-amerikanischen Unternehmens Alcatel-Lucent, das im Mobilfunkbereich über deutlich weniger Kompetenz als NSN verfügt.
Weitere Erfolge möchte NSN im Fernsehgeschäft feiern. TV-Angebote werden künftig häufiger als bislang auf Mobiltelefone und ins Internet übertragen. Sendungen wie die „Tagesschau“ sind bereits via Handy zu sehen. "Langfristig steigt so das übertragene Datenvolumen um das 100-fache", sagt Beresford-Wylie, "daran kommt keiner vorbei." Auch Ericsson und Alcatel-Lucent wollen sich dem Thema widmen. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Servicegeschäft. Bereits heute erledigt Ericsson für über 40 Telefonkonzerne die Wartung der Netze. Siemens war den Schweden schon einmal auf den Fersen. NSN will die Expertise nutzen und weitere Ingenieure in China und Indien einstellen. In Deutschland fallen dagegen Stellen weg.
So nachdrücklich die Nokia-Truppe ihre Strategie durchsetzt, so deutlich drängt sie auf eine veränderte Firmenkultur. Altgediente Siemensianer müssen sich daran gewöhnen, dass interne Mails nur noch in englischer Sprache abgefasst werden. Einzig die konzernweite Ansprache per Vornamen kommt gut an. Das gilt auch für die Mitglieder des Executive Board und die Manager in der zweiten Reihe. Immerhin sitzen dort noch einige Deutsche. Vier der sechs für Produkte zuständigen Bereichsleiter stammen aus dem Siemens-Lager – was in den Niederlassungen in München und Berlin als wichtiges Signal zur Standorttreue verstanden wird.
Auch an der Spitze des Personalressorts sitzt ein Deutscher: Bosco Novák. Wegen seines jungenhaften Charmes wird der 46-Jährige sogar von Betriebsräten gelobt. Doch wer in Novák einen Ex-Siemensianer vermutet, der die Fahne der deutschen Mitarbeiter hochhält, täuscht sich. Der frühere Bundeswehr-Offizier, der zuvor bei Ericsson diente, kam vor sieben Jahren zu den Finnen und war viele Jahre ihr Deutschland-Repräsentant mit Büro in Düsseldorf.
Quelle: capital.de
¡hasta pronto!
Einsamer Samariter