HANDELSBLATT, Donnerstag, 05. Januar 2006, 07:01 Uhr
Kommentar
Noch ist die Rally gesund
Von Ulf Sommer
Die Aktienmärkte setzen auf den Aufschwung. Zu Recht! Denn nach den Börsen, die schon im letzten Jahr darauf gewettet haben, rechnen nun auch die Forschungsinstitute damit, dass die Konjunktur in Euro-Land anspringt. Frühindikatoren bestätigen die Zuversicht. Doch ein Blick über 2006 hinaus zeigt Risiken. Darauf spekuliert bereits jetzt der Handel mit festverzinslichen Papieren.
Droht den Anlegern ein ähnlicher Kater wie nach der Jahrtausendwende? In weniger als drei Jahren hat der Deutsche Aktienindex (Dax) um 150 Prozent zugelegt. Doch anders als damals, als der Dax nach einer atemberaubenden Rally drei Viertel seines Wertes einbüßte, steigen diesmal die Gewinne der Unternehmen ebenso rasch wie die Kurse. Mit Hilfe massiver Kostensenkungen und anziehender Investitionen verdienten die Firmen im letzten Jahr mehr als doppelt so viel wie im Rezessions- und Irak-Kriegs-Jahr 2003. Und auch im neuen Jahr werden die Gewinne zweistellig zulegen.
Daraus ergibt sich die seltene Konstellation, dass Aktien bei einem Dax-Stand von 5 500 Punkten nicht teurer sind als bei 2 200 Punkten im März 2003. Anders ausgedrückt: Wer heute Aktien eines im Dax notierten Unternehmens kauft, muss dafür im Schnitt das 13fache des erwarteten Jahresgewinns seines favorisierten Konzerns hinblättern: so viel wie damals in der Börsenkrise.
Turbulenzen drohen aber, wenn die Kurse schneller steigen als die Gewinne. Und diese Zeit könnte rascher kommen, als viele erwarten. Erstens flacht schon in diesem Jahr die Kurve des Gewinnwachstums ab. Schuld daran sind nicht geringere Umsätze und Investitionen, denn sie legen weiter zu. Der Grund ist vielmehr, dass die meisten Firmen ihre Kosten bereits drastisch gesenkt haben und mit dieser in der Vergangenheit erfolgreichen Strategie kaum noch etwas gewinnen können. Zweitens dürften sich 2007 die Weltkonjunktur und der Aufschwung in Deutschland abkühlen. Denn der Boom in den USA, der Wachstumslokomotive schlechthin, währt nun schon drei Jahre und erreicht ein fortgeschrittenes Reifestadium. In Deutschland begünstigen Sonder- und Vorzieheffekte – Fußball-WM, Steuervergünstigungen für Unternehmen und Privathaushalte, höhere Mehrwertsteuer ab 2007 – den aktuellen Aufschwung.
Niemand signalisiert solche Risiken besser als die Anleihemärkte. Denn während die Börsen das begonnene Jahr feiern, konzentrieren sich Anleger mit festverzinslichen Anlagen schon auf 2007. Abzulesen ist das an der seltenen inversen Zinsstruktur: Während normalerweise wegen des Inflationsrisikos kurzfristige Papiere weniger Rendite abwerfen als langfristige, ist es derzeit umgekehrt. Investoren kaufen am liebsten die Langläufer, weil sie offenbar erwarten, dass die Zinsen längerfristig sinken. Dazu kommt es, wenn sich die Konjunktur abschwächt. Allen vergangenen sechs Rezessionen gingen solche umgekehrten Zinsrelationen voraus. In den letzten 40 Jahren folgte ihnen nur zweimal keine Rezession.
Aktienanleger sind deshalb gut beraten, nicht zu lange auf die Aufschwungkarte zu setzen. Denn auch die Börse wird bald auf 2007 blicken. Vielleicht schon im Frühjahr. Dann beginnt – statistisch betrachtet – ohnehin eine schwächere Börsenzeit.
Kommentar
Noch ist die Rally gesund
Von Ulf Sommer
Die Aktienmärkte setzen auf den Aufschwung. Zu Recht! Denn nach den Börsen, die schon im letzten Jahr darauf gewettet haben, rechnen nun auch die Forschungsinstitute damit, dass die Konjunktur in Euro-Land anspringt. Frühindikatoren bestätigen die Zuversicht. Doch ein Blick über 2006 hinaus zeigt Risiken. Darauf spekuliert bereits jetzt der Handel mit festverzinslichen Papieren.
Droht den Anlegern ein ähnlicher Kater wie nach der Jahrtausendwende? In weniger als drei Jahren hat der Deutsche Aktienindex (Dax) um 150 Prozent zugelegt. Doch anders als damals, als der Dax nach einer atemberaubenden Rally drei Viertel seines Wertes einbüßte, steigen diesmal die Gewinne der Unternehmen ebenso rasch wie die Kurse. Mit Hilfe massiver Kostensenkungen und anziehender Investitionen verdienten die Firmen im letzten Jahr mehr als doppelt so viel wie im Rezessions- und Irak-Kriegs-Jahr 2003. Und auch im neuen Jahr werden die Gewinne zweistellig zulegen.
Daraus ergibt sich die seltene Konstellation, dass Aktien bei einem Dax-Stand von 5 500 Punkten nicht teurer sind als bei 2 200 Punkten im März 2003. Anders ausgedrückt: Wer heute Aktien eines im Dax notierten Unternehmens kauft, muss dafür im Schnitt das 13fache des erwarteten Jahresgewinns seines favorisierten Konzerns hinblättern: so viel wie damals in der Börsenkrise.
Turbulenzen drohen aber, wenn die Kurse schneller steigen als die Gewinne. Und diese Zeit könnte rascher kommen, als viele erwarten. Erstens flacht schon in diesem Jahr die Kurve des Gewinnwachstums ab. Schuld daran sind nicht geringere Umsätze und Investitionen, denn sie legen weiter zu. Der Grund ist vielmehr, dass die meisten Firmen ihre Kosten bereits drastisch gesenkt haben und mit dieser in der Vergangenheit erfolgreichen Strategie kaum noch etwas gewinnen können. Zweitens dürften sich 2007 die Weltkonjunktur und der Aufschwung in Deutschland abkühlen. Denn der Boom in den USA, der Wachstumslokomotive schlechthin, währt nun schon drei Jahre und erreicht ein fortgeschrittenes Reifestadium. In Deutschland begünstigen Sonder- und Vorzieheffekte – Fußball-WM, Steuervergünstigungen für Unternehmen und Privathaushalte, höhere Mehrwertsteuer ab 2007 – den aktuellen Aufschwung.
Niemand signalisiert solche Risiken besser als die Anleihemärkte. Denn während die Börsen das begonnene Jahr feiern, konzentrieren sich Anleger mit festverzinslichen Anlagen schon auf 2007. Abzulesen ist das an der seltenen inversen Zinsstruktur: Während normalerweise wegen des Inflationsrisikos kurzfristige Papiere weniger Rendite abwerfen als langfristige, ist es derzeit umgekehrt. Investoren kaufen am liebsten die Langläufer, weil sie offenbar erwarten, dass die Zinsen längerfristig sinken. Dazu kommt es, wenn sich die Konjunktur abschwächt. Allen vergangenen sechs Rezessionen gingen solche umgekehrten Zinsrelationen voraus. In den letzten 40 Jahren folgte ihnen nur zweimal keine Rezession.
Aktienanleger sind deshalb gut beraten, nicht zu lange auf die Aufschwungkarte zu setzen. Denn auch die Börse wird bald auf 2007 blicken. Vielleicht schon im Frühjahr. Dann beginnt – statistisch betrachtet – ohnehin eine schwächere Börsenzeit.