Don't bet against the Fed and Congress!
Pessimistisch zu sein, ist heutzutage wahrlich keine Kunst und folglich auch keine Auszeichnung. König ist vielmehr derjenige, der bereits bei 8000 oder auch noch bei 6000 Punkten im Dax Pessimismus gezeigt hat. Aber leider kenne ich keinen derartigen König. Doch Geschichte wiederholt sich niemals - sie reimt sich jedoch vielfach: Ist spiegelbildlich dazu deswegen derjenige ein Königsspieler, der sich jetzt in der Range zwischen 3.500 und 4.500 ebenfalls gegen den aktuellen Trend stellt und sich von den gegenwärtigen Ereignissen - in Hinsicht auf die mittel- und langfristige Markteinschätzung - recht wenig beeindrucken lässt?
Wäre es nicht so traurig, dann müsste man in der Tat laut auflachen: Ein Volk von chronischen Langzeit-Übergewichtigen verweigert von einem Tag auf den anderen ganz plötzlich den Rindfleischkonsum - allerdings nur, um ihn ein paar Wochen später wieder exakt auf das alte Niveau heraufzufahren. Und das selbe Volk, welches zudem auf der Autobahn bei Regen und Nebel mit 160 km/h in Abständen von höchstens 20 Metern durch die Gegend schießt, hat nun Angst vor dem Terrorismus. Vielleicht wäre ein Blick in den Spiegel manchmal viel lehrreicher als das ganze Gezittere.
Hanns-Dieter Schulz hat vor ein paar Tagen an dieser Stelle die These vertreten, dass das Ende der Baisse noch einen erheblichen Anstieg des Pessimismus erfordert - selbst vom gegenwärtigen Niveau aus. Dies entspricht meiner bereits vor langer Zeit geäußerten Meinung: "Die Baisse kann erst dann zu Ende sein, wenn die Gurus (der Hausse) gehasst werden." Ich möchte dies noch erweitern: So lange, wie die "Call-In"-Sendungen im Fernsehen noch so zivilisiert ablaufen, und so lange, wie wir hier nichts von Bedrohungen hören, so lange sitzen die geprellten Aktionäre noch auf ihren Papieren und hoffen. Doch die Baisse wird nach diesem Muster erst dann zu Ende sein, wenn diese Hoffnung gestorben ist.
Andererseits gibt es an der Börse natürlich keinerlei Gesetzmäßigkeit, auf die man sich tatsächlich verlassen kann. Denn im gleichem Maße wie an den subjektiven Einschätzungen der Aktionäre und Marktteilnehmer hängt die Börse an der objektiv messbaren wirtschaftlichen Verfassung. Hier hat das Szenario der Rezession mittlerweile bereits den Rang der Allgemeingültigkeit erlangt - und es geht nur noch um die Frage, ob wir nun die befürchtete Abwärtsspirale erleben werden oder doch noch das vielbeschworene V- oder U-Szenario.
Die Entscheidung hierüber wird in der US-Wirtschaft fallen, nach allgemeiner Überzeugung beim US-Verbraucher, da dieser etwa zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistung nachfragt. Sicher ist dabei auf jeden Fall eines: Der US-Verbraucher ist stimmungsabhängig. Er wird sich ebenfalls wie unsere zittrigen, aber doch so selbstgewissen Landsleute von den gegenwärtigen Geschehnissen negativ beeinflussen lassen. Doch er wird auch auf positive Signale aus der Wirtschaft reagieren.
Erinnert sich noch jemand an die noch nicht lange vergangene Zeit, als Alan Greenspan anfing, die Zinsen anzuheben? Zuerst passiert gar nicht, die Hausse ließ sich nicht davon anhalten, die Hausse weiter anzutreiben. Doch dann ... Hierzu gibt es ein altes Börsensprichwort: Don´t bet against the Fed! Spiele niemals gegen die Notenbank! Wird die Notenbank restriktiv, dann siehe zu, deine Aktien baldmöglichst zu verkaufen! Wird sie hingegen wieder expansiv, dann steige bald wieder ein!
Nun ist gegenwärtig jedoch nicht nur die Notenbank expansiv, auch die Staatsausgabenpolitik ist von ihrem Konsolidierungskurs bereits deutlich wieder abgewichen. Hierzu hat mein Lieblings-Ökonom, Paul L. Kasriel von der Nothern Trust Corporation, einen "Indikator" entwickelt, in welchem er ganz simpel das Ausmaß des exogenen Stimulus für die Wirtschaft durch den Staatshaushalt und die Notenbankpolitik zusammenaddiert: 7 Prozent Ausgabensteigerungen im Budget plus 9 Prozent Geldmengenwachstum (M2) ergibt einen "Index"-Wert von 16.
Dies bedeutet die höchste Stimulierung der US-Volkswirtschaft seit 15 (!) Jahren, nämlich konkret seit den Nachwirkungen der 82er Rezession, die sich letztlich jedoch der Auslöser für die größte Hausse der jüngsten Börsengeschichte entpuppt hat. Es mag also durchaus sein, dass wir vor dem Ende der Baisse noch eine Markt-Apokalypse brauchen. Doch die historische Weisheit liefert auch sofort das komplementäre entgegengesetzte Statement zu diesem bärigen Ausblick. Und dieses lautet: Don't bet against the Fed and Congress!
Bernd Niquet
Wo die Supermacht USA am verwundbarsten ist? Dazu Bernd Niquets neues Buch "Der Zauberberg des Geldes", Roman, mit einem Vorwort von Joachim Bessing, FinanzBuch Verlag, München 2001, 208 Seiten, DM 34, ISBN 3-932114-69-8.
11.10.2001 09:23
Pessimistisch zu sein, ist heutzutage wahrlich keine Kunst und folglich auch keine Auszeichnung. König ist vielmehr derjenige, der bereits bei 8000 oder auch noch bei 6000 Punkten im Dax Pessimismus gezeigt hat. Aber leider kenne ich keinen derartigen König. Doch Geschichte wiederholt sich niemals - sie reimt sich jedoch vielfach: Ist spiegelbildlich dazu deswegen derjenige ein Königsspieler, der sich jetzt in der Range zwischen 3.500 und 4.500 ebenfalls gegen den aktuellen Trend stellt und sich von den gegenwärtigen Ereignissen - in Hinsicht auf die mittel- und langfristige Markteinschätzung - recht wenig beeindrucken lässt?
Wäre es nicht so traurig, dann müsste man in der Tat laut auflachen: Ein Volk von chronischen Langzeit-Übergewichtigen verweigert von einem Tag auf den anderen ganz plötzlich den Rindfleischkonsum - allerdings nur, um ihn ein paar Wochen später wieder exakt auf das alte Niveau heraufzufahren. Und das selbe Volk, welches zudem auf der Autobahn bei Regen und Nebel mit 160 km/h in Abständen von höchstens 20 Metern durch die Gegend schießt, hat nun Angst vor dem Terrorismus. Vielleicht wäre ein Blick in den Spiegel manchmal viel lehrreicher als das ganze Gezittere.
Hanns-Dieter Schulz hat vor ein paar Tagen an dieser Stelle die These vertreten, dass das Ende der Baisse noch einen erheblichen Anstieg des Pessimismus erfordert - selbst vom gegenwärtigen Niveau aus. Dies entspricht meiner bereits vor langer Zeit geäußerten Meinung: "Die Baisse kann erst dann zu Ende sein, wenn die Gurus (der Hausse) gehasst werden." Ich möchte dies noch erweitern: So lange, wie die "Call-In"-Sendungen im Fernsehen noch so zivilisiert ablaufen, und so lange, wie wir hier nichts von Bedrohungen hören, so lange sitzen die geprellten Aktionäre noch auf ihren Papieren und hoffen. Doch die Baisse wird nach diesem Muster erst dann zu Ende sein, wenn diese Hoffnung gestorben ist.
Andererseits gibt es an der Börse natürlich keinerlei Gesetzmäßigkeit, auf die man sich tatsächlich verlassen kann. Denn im gleichem Maße wie an den subjektiven Einschätzungen der Aktionäre und Marktteilnehmer hängt die Börse an der objektiv messbaren wirtschaftlichen Verfassung. Hier hat das Szenario der Rezession mittlerweile bereits den Rang der Allgemeingültigkeit erlangt - und es geht nur noch um die Frage, ob wir nun die befürchtete Abwärtsspirale erleben werden oder doch noch das vielbeschworene V- oder U-Szenario.
Die Entscheidung hierüber wird in der US-Wirtschaft fallen, nach allgemeiner Überzeugung beim US-Verbraucher, da dieser etwa zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistung nachfragt. Sicher ist dabei auf jeden Fall eines: Der US-Verbraucher ist stimmungsabhängig. Er wird sich ebenfalls wie unsere zittrigen, aber doch so selbstgewissen Landsleute von den gegenwärtigen Geschehnissen negativ beeinflussen lassen. Doch er wird auch auf positive Signale aus der Wirtschaft reagieren.
Erinnert sich noch jemand an die noch nicht lange vergangene Zeit, als Alan Greenspan anfing, die Zinsen anzuheben? Zuerst passiert gar nicht, die Hausse ließ sich nicht davon anhalten, die Hausse weiter anzutreiben. Doch dann ... Hierzu gibt es ein altes Börsensprichwort: Don´t bet against the Fed! Spiele niemals gegen die Notenbank! Wird die Notenbank restriktiv, dann siehe zu, deine Aktien baldmöglichst zu verkaufen! Wird sie hingegen wieder expansiv, dann steige bald wieder ein!
Nun ist gegenwärtig jedoch nicht nur die Notenbank expansiv, auch die Staatsausgabenpolitik ist von ihrem Konsolidierungskurs bereits deutlich wieder abgewichen. Hierzu hat mein Lieblings-Ökonom, Paul L. Kasriel von der Nothern Trust Corporation, einen "Indikator" entwickelt, in welchem er ganz simpel das Ausmaß des exogenen Stimulus für die Wirtschaft durch den Staatshaushalt und die Notenbankpolitik zusammenaddiert: 7 Prozent Ausgabensteigerungen im Budget plus 9 Prozent Geldmengenwachstum (M2) ergibt einen "Index"-Wert von 16.
Dies bedeutet die höchste Stimulierung der US-Volkswirtschaft seit 15 (!) Jahren, nämlich konkret seit den Nachwirkungen der 82er Rezession, die sich letztlich jedoch der Auslöser für die größte Hausse der jüngsten Börsengeschichte entpuppt hat. Es mag also durchaus sein, dass wir vor dem Ende der Baisse noch eine Markt-Apokalypse brauchen. Doch die historische Weisheit liefert auch sofort das komplementäre entgegengesetzte Statement zu diesem bärigen Ausblick. Und dieses lautet: Don't bet against the Fed and Congress!
Bernd Niquet
Wo die Supermacht USA am verwundbarsten ist? Dazu Bernd Niquets neues Buch "Der Zauberberg des Geldes", Roman, mit einem Vorwort von Joachim Bessing, FinanzBuch Verlag, München 2001, 208 Seiten, DM 34, ISBN 3-932114-69-8.
11.10.2001 09:23