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Willkommen in Amerika
Von Bill Bonner
"Stellen Sie sich einen Platz vor, an dem man erheblich mehr ausgeben kann, als man verdient. Und das jahrelang, ohne Konsequenzen", schreibt Gary Duncan in der Londoner Times. "Stellen Sie sich einen Platz vor, an dem Sie einfach mit Schecks bezahlen können, die jeder bedenkenlos annimmt. Willkommen im heutigen Amerika."
Die Amerikaner hatten es noch niemals so gut. Aber die Natur sorgt dafür, dass die Dinge ins Gleichgewicht zurückkehren. Wie sich fette kleine Lemminge ins Meer stürzen, so scheinen die Amerikaner eine Tendenz zum finanziellen Massen-Selbstmord zu haben; sie können es kaum erwarten, sich ins tiefe Wasser zu stürzen.
"Im letzten Jahrzehnt", so Duncan weiter, "haben die USA erheblich über ( ...) ihre Verhältnisse gelebt. Die privaten Haushalte Amerikas haben mehr ausgegeben, als sie verdienen, sie haben ihre Kredite extravagant erhöht. Die US-Regierung war nicht weniger verschwenderisch, sie hat die Ausgaben dramatisch erhöht, während sie die Steuern stark gesenkt hat."
In den letzten 5 Jahren haben die Amerikaner für jeden Dollar, den sie verdient haben, 1,20 Dollar ausgegeben. In weniger als einem Jahrzehnt sind die USA der größte Schuldner der Welt geworden, und der Anteil der US-Staatsanleihen, der sich in ausländischen Händen befindet, ist von 20 % auf fast 50 % gestiegen. Es sind die ausländischen Geldgeber, die die US-Wirtschaft am Laufen halten.
Viele Ökonomen sehen diese Beziehung als vorteilhaft für beide Seiten an ... oder symbiotisch. Die Asiaten produzieren; die Amerikaner konsumieren. Die Asiaten sparen; die Amerikaner leihen. Die Asiaten schwitzen; die Amerikaner denken. Die Amerikaner drucken Dollar und US-Staatsanleihen; die Asiaten kaufen diese. Wer kann sich darüber beschweren?
Die Fed hat die Leitzinsen seit Beginn der Rezession im Jahr 2001 13 Mal gesenkt. Als die Leitzinsen schließlich bei 1 % lagen, da verlieh die Fed Geld zu einem Zinssatz, der unter der Inflationsrate lag. Dieses ultra-billige Geld war der Grund für die Konsumausgaben-Blase in den USA, und für die Investitions-Blase in Asien. Die Auswirkung, die das auf die Amerikaner hat, ist einfach: Sie haben sich selbst ruiniert, in dem sie Geld, das sie nicht haben, für Dinge, die sie nicht brauchen, ausgegeben haben. Die Asiaten hingegen haben Fabriken gebaut, um Dinge zu produzieren – für Leute, die kein Geld haben, dafür zu bezahlen.
Beide Trends werden enden, aber nicht auf die exakt gleiche Weise. Der amerikanische Lebensstandard musste sowieso fallen – verglichen mit dem, den der Rest der Welt hat. Reichtum kommt größtenteils dadurch zustande, dass man Dinge produziert. Und jetzt können die Asiaten die Dinge schneller und günstiger produzieren. Die künstlich niedrigen Zinsen der Fed haben diesen Prozess noch beschleunigt. Das hat den Amerikanern einen letzten Konsumrausch gebracht – was so ist, wie das letzte Mahl eines zum Tode Verurteilten. Bevor ihnen die Kreditkarte abgenommen werden wird.
Wann wird der Trend in Asien sich ändern?
"Niemand kann das mit Sicherheit sagen", so Gary Duncan in der Londoner Times. Aber eine Neubewertung des Yuan könnte der Nachteil ... oder der Kaffee sein. Dann wird sicherlich die Rechnung kommen – und die wird in Yuan berechnet!"
"Das ist eine verlockende Aussicht, allerdings eine, die von der chinesischen Fähigkeit abhängt, politische Stabilität bei wachsendem Reichtum zu wahren", so das Fazit von Duncan. "Allerdings ist es nicht unmöglich, dass wir es noch erleben werden, dass die Märkte nicht mehr an den Lippen von Alan Greenspan oder seinem Nachfolger kleben werden, sondern an denen des Vorsitzenden der chinesischen Zentralbank."
Bill Bonner schreibt als US-Korrespondent für den kostenlosen Newsletter "Investor's Daily". Weitere Informationen finden sie hier.
[ Freitag, 15.10.2004, 12:13 ]
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