Konkurrenz treibt Telekom in die Enge
Wettbewerber sagen dem Marktführer den Kampf an und wollen eigene DSL-Netze aufbauen
von Thomas Heuzeroth
Freenet-Chef Eckhard Spoerr war eigentlich noch nie gut auf die Deutsche Telekom zu sprechen. Doch diese Woche platzte dem Mann, der immer nur mit einer Umhängetasche im giftigen Firmengrün das Haus verläßt, vollends der Kragen. "Das ist vorsätzlich und diskriminierend", polterte der Firmenchef in seiner Hamburger Unternehmenszentrale.
Grund für die Attacke ist eine Panne der Telekom. Seit sechs Monaten dürfen die Telekom-Konkurrenten die schnellen DSL-Internet-Anschlüsse des Ex-Monopolisten unter eigenem Namen verkaufen. In der Branche wird dieses Modell als "Resale" (Weiterverkauf) bezeichnet.
Ihr Erfolg ist größer als erwartet. Monat für Monat melden Unternehmen wie United Internet (1&1), Freenet und Arcor Tausende Neukunden. Allerdings kommt die Telekom mit der Freischaltung nicht hinterher. Nach wie vor stellt sie nämlich auch ihren Konkurrenten die Infrastruktur zur Verfügung. Mehr als 100 000 Kunden stecken im Antragsstau, einige schon seit Monaten.
"Bei uns sind 50 000 Kunden betroffen", sagte United-Internet-Chef Ralph Dommermuth. Inzwischen sei für die eigene Marke ein "großer Image-Schaden" entstanden. "Das ist rufschädigend", sagte auch Freenet-Chef Spoerr. Unisono sehen die Unternehmen das Problem bei der Telekom. Wegen Software-Problemen funktioniere die automatische Übergabe der neuen Kundendaten an die Telekom nicht. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran", heißt es bei der Telekom. Allerdings müßten die Daten einwandfrei übergeben werden. Dies sei nicht immer der Fall, erklärte ein Telekom-Sprecher. Die Lösung des Problems sei derzeit noch nicht absehbar.
Eigentlich sollte der DSL-Weiterverkauf die Verbreitung von Breitbandzugängen beschleunigen. Tatsächlich steht Deutschland im europäischen Vergleich nicht allzugut da. Während in Dänemark 15,6 schnelle Internet-Anschlüsse auf 100 Einwohner kommen, sind es in Deutschland nur 6,6 Anschlüsse (siehe Grafik).
"Viele unserer Kunden beginnen bereits damit, ihre Aufträge zu stornieren", beklagt sich Freenet-Chef Spoerr. Die Zahl der Anrufe im Callcenter hat sich bei dem Hamburger Unternehmen mehr als verzwanzigfacht. Jetzt fragt sich der Freenet-Chef, warum die Deutsche Telekom die von den Wettbewerbern gelieferten Datensätze nicht manuell bearbeitet. "Bei ihren eigenen Kunden macht sie das ja bereits."
Eine Forderung, die auch der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) erhebt. "Wenn man wirklich Wettbewerb will, muß die Telekom flexibler werden", sagte VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. "Schließlich hat das Unternehmen genug Leute, die bezahlt werden, ohne dafür zu arbeiten." Ein solcher Antragsstau sei für die Unternehmen wettbewerbsverzerrend.
Derweil betreiben die Telekom-Konkurrenten Schadensbegrenzung. United Internet hat 60 neue Mitarbeiter eingestellt, die nun die Daten individuell bearbeiten. Auf eine Beschwerde bei der Regulierungsbehörde verzichteten die Betroffenen. "Von da erwarte ich keine Unterstützung", sagte United-Internet-Chef Dommermuth.
Vielmehr wollen sich die Unternehmen künftig unabhängiger von der Telekom machen. "Wir haben uns jetzt entschlossen, selber in die Infrastruktur zu investieren", sagte Dommermuth. Vorerst sollen in Ballungsgebieten 30 bis 50 Millionen Euro investiert werden. "Damit erreichen wir annähernd 30 Prozent unserer Kunden direkt." Auch Freenet-Chef Spoerr spricht von solchen Investitionen. "Wir prüfen das", sagte er. Er habe bereits mit anderen Unternehmen darüber gesprochen.
Das könnte sich schnell lohnen. United Internet hat mit seinen Marken 1&1 und GMX bereits mehr als eine Millionen Kunden. Beim DSL-Weiterverkauf bleiben sowieso nur rund zehn Prozent der Einnahmen in der Kasse der Wettbewerber. Den Rest müssen sie gleich an die Telekom weiterreichen. United Internet überweist in diesem Jahr nach eigenen Angaben etwa 150 Millionen Euro an den Ex-Monopolisten. Mit einer eigenen Infrastruktur wäre die Summe deutlich geringer.
Die Marge für Unternehmen mit einem eigenen Netz liegt hingegen bei mehr als 30 Prozent. Versatel und Hansenet sind diesen Weg bereits gegangen. Die Unternehmen decken bereits große Teile Deutschlands mit ihren Angeboten ab - und setzen der Telekom dort beträchtlich zu. Hansenet hält in Hamburg einen DSL-Marktanteil von über 50 Prozent.
Der verschärfte Wettbewerb hat nach Hansenet-Angaben in der Hansestadt zu einem kleinen Rekord geführt: Jeder dritte Haushalt in Hamburg ist an das Hochgeschwindigkeitsnetz angeschlossen. Im Februar legt das Unternehmen auch in Lübeck, Frankfurt, Stuttgart und Berlin los, im März soll München folgen. "Wir erreichen dann 13 Prozent der deutschen Bevölkerung mit unseren Angeboten", sagte Hansenet-Chef Harald Rösch. Dafür investiert das Unternehmen 150 Millionen Euro allein in diesem Jahr.
Auch der größte Telekom-Herausforderer Arcor hat sich schon früh für ein eigenes Netz entschieden und dafür in den neunziger Jahren bereits eine Milliardensumme investiert. Heute erreicht das Unternehmen 40 Prozent der Bevölkerung direkt. Um auch in Gebieten vertreten zu sein, in denen kein eigenes Netz besteht, verkauft Arcor unter dem eigenen Namen auch die DSL-Anschlüsse der Telekom weiter. "Wir sind von dem Antragsstau der Telekom ebenso betroffen wie alle anderen", heißt es dort.
Allerdings ist der Weiterverkauf für Arcor nur eine Notlösung. "Ein richtiger Preiswettbewerb mit der Telekom ist bei den Konditionen im DSL-Resale gar nicht möglich", sagte Arcor-Chef Harald Stöber. "Für uns gibt es deswegen keine Alternative zum weiteren Ausbau der eigenen Infrastruktur."
Wie groß der Preisdruck auf die Telekom ist, machen die Angebote von Hansenet, Versatel und Arcor deutlich. Einen ISDN-Telefonanschluß mit dem DSL-Zugang und einem zeitlich uneingeschränkten Zugriff auf das Internet (Flatrate) bieten die Unternehmen für rund 40 Euro an. Die Telekom verlangt dafür fast das Doppelte.
Doch erst wenn sich die Konkurrenten beim Aufbau eigener Netze zusammenschließen, hat der Marktführer ein ernstes Problem. "Grundsätzlich verschließen wir uns solchen Kooperationen nicht", sagt United-Internet-Chef Dommermuth. Vier Internet-Unternehmen hätten bei ihm bereits angefragt. Ein Joint-venture könne er sich vorstellen. Dommermuth: "Für die Telekom wäre das sicherlich kein Vergnügen."
Artikel erschienen am 16. Januar 2005
Welt am Sonntag
Wettbewerber sagen dem Marktführer den Kampf an und wollen eigene DSL-Netze aufbauen
von Thomas Heuzeroth
Freenet-Chef Eckhard Spoerr war eigentlich noch nie gut auf die Deutsche Telekom zu sprechen. Doch diese Woche platzte dem Mann, der immer nur mit einer Umhängetasche im giftigen Firmengrün das Haus verläßt, vollends der Kragen. "Das ist vorsätzlich und diskriminierend", polterte der Firmenchef in seiner Hamburger Unternehmenszentrale.
Grund für die Attacke ist eine Panne der Telekom. Seit sechs Monaten dürfen die Telekom-Konkurrenten die schnellen DSL-Internet-Anschlüsse des Ex-Monopolisten unter eigenem Namen verkaufen. In der Branche wird dieses Modell als "Resale" (Weiterverkauf) bezeichnet.
Ihr Erfolg ist größer als erwartet. Monat für Monat melden Unternehmen wie United Internet (1&1), Freenet und Arcor Tausende Neukunden. Allerdings kommt die Telekom mit der Freischaltung nicht hinterher. Nach wie vor stellt sie nämlich auch ihren Konkurrenten die Infrastruktur zur Verfügung. Mehr als 100 000 Kunden stecken im Antragsstau, einige schon seit Monaten.
"Bei uns sind 50 000 Kunden betroffen", sagte United-Internet-Chef Ralph Dommermuth. Inzwischen sei für die eigene Marke ein "großer Image-Schaden" entstanden. "Das ist rufschädigend", sagte auch Freenet-Chef Spoerr. Unisono sehen die Unternehmen das Problem bei der Telekom. Wegen Software-Problemen funktioniere die automatische Übergabe der neuen Kundendaten an die Telekom nicht. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran", heißt es bei der Telekom. Allerdings müßten die Daten einwandfrei übergeben werden. Dies sei nicht immer der Fall, erklärte ein Telekom-Sprecher. Die Lösung des Problems sei derzeit noch nicht absehbar.
Eigentlich sollte der DSL-Weiterverkauf die Verbreitung von Breitbandzugängen beschleunigen. Tatsächlich steht Deutschland im europäischen Vergleich nicht allzugut da. Während in Dänemark 15,6 schnelle Internet-Anschlüsse auf 100 Einwohner kommen, sind es in Deutschland nur 6,6 Anschlüsse (siehe Grafik).
"Viele unserer Kunden beginnen bereits damit, ihre Aufträge zu stornieren", beklagt sich Freenet-Chef Spoerr. Die Zahl der Anrufe im Callcenter hat sich bei dem Hamburger Unternehmen mehr als verzwanzigfacht. Jetzt fragt sich der Freenet-Chef, warum die Deutsche Telekom die von den Wettbewerbern gelieferten Datensätze nicht manuell bearbeitet. "Bei ihren eigenen Kunden macht sie das ja bereits."
Eine Forderung, die auch der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) erhebt. "Wenn man wirklich Wettbewerb will, muß die Telekom flexibler werden", sagte VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. "Schließlich hat das Unternehmen genug Leute, die bezahlt werden, ohne dafür zu arbeiten." Ein solcher Antragsstau sei für die Unternehmen wettbewerbsverzerrend.
Derweil betreiben die Telekom-Konkurrenten Schadensbegrenzung. United Internet hat 60 neue Mitarbeiter eingestellt, die nun die Daten individuell bearbeiten. Auf eine Beschwerde bei der Regulierungsbehörde verzichteten die Betroffenen. "Von da erwarte ich keine Unterstützung", sagte United-Internet-Chef Dommermuth.
Vielmehr wollen sich die Unternehmen künftig unabhängiger von der Telekom machen. "Wir haben uns jetzt entschlossen, selber in die Infrastruktur zu investieren", sagte Dommermuth. Vorerst sollen in Ballungsgebieten 30 bis 50 Millionen Euro investiert werden. "Damit erreichen wir annähernd 30 Prozent unserer Kunden direkt." Auch Freenet-Chef Spoerr spricht von solchen Investitionen. "Wir prüfen das", sagte er. Er habe bereits mit anderen Unternehmen darüber gesprochen.
Das könnte sich schnell lohnen. United Internet hat mit seinen Marken 1&1 und GMX bereits mehr als eine Millionen Kunden. Beim DSL-Weiterverkauf bleiben sowieso nur rund zehn Prozent der Einnahmen in der Kasse der Wettbewerber. Den Rest müssen sie gleich an die Telekom weiterreichen. United Internet überweist in diesem Jahr nach eigenen Angaben etwa 150 Millionen Euro an den Ex-Monopolisten. Mit einer eigenen Infrastruktur wäre die Summe deutlich geringer.
Die Marge für Unternehmen mit einem eigenen Netz liegt hingegen bei mehr als 30 Prozent. Versatel und Hansenet sind diesen Weg bereits gegangen. Die Unternehmen decken bereits große Teile Deutschlands mit ihren Angeboten ab - und setzen der Telekom dort beträchtlich zu. Hansenet hält in Hamburg einen DSL-Marktanteil von über 50 Prozent.
Der verschärfte Wettbewerb hat nach Hansenet-Angaben in der Hansestadt zu einem kleinen Rekord geführt: Jeder dritte Haushalt in Hamburg ist an das Hochgeschwindigkeitsnetz angeschlossen. Im Februar legt das Unternehmen auch in Lübeck, Frankfurt, Stuttgart und Berlin los, im März soll München folgen. "Wir erreichen dann 13 Prozent der deutschen Bevölkerung mit unseren Angeboten", sagte Hansenet-Chef Harald Rösch. Dafür investiert das Unternehmen 150 Millionen Euro allein in diesem Jahr.
Auch der größte Telekom-Herausforderer Arcor hat sich schon früh für ein eigenes Netz entschieden und dafür in den neunziger Jahren bereits eine Milliardensumme investiert. Heute erreicht das Unternehmen 40 Prozent der Bevölkerung direkt. Um auch in Gebieten vertreten zu sein, in denen kein eigenes Netz besteht, verkauft Arcor unter dem eigenen Namen auch die DSL-Anschlüsse der Telekom weiter. "Wir sind von dem Antragsstau der Telekom ebenso betroffen wie alle anderen", heißt es dort.
Allerdings ist der Weiterverkauf für Arcor nur eine Notlösung. "Ein richtiger Preiswettbewerb mit der Telekom ist bei den Konditionen im DSL-Resale gar nicht möglich", sagte Arcor-Chef Harald Stöber. "Für uns gibt es deswegen keine Alternative zum weiteren Ausbau der eigenen Infrastruktur."
Wie groß der Preisdruck auf die Telekom ist, machen die Angebote von Hansenet, Versatel und Arcor deutlich. Einen ISDN-Telefonanschluß mit dem DSL-Zugang und einem zeitlich uneingeschränkten Zugriff auf das Internet (Flatrate) bieten die Unternehmen für rund 40 Euro an. Die Telekom verlangt dafür fast das Doppelte.
Doch erst wenn sich die Konkurrenten beim Aufbau eigener Netze zusammenschließen, hat der Marktführer ein ernstes Problem. "Grundsätzlich verschließen wir uns solchen Kooperationen nicht", sagt United-Internet-Chef Dommermuth. Vier Internet-Unternehmen hätten bei ihm bereits angefragt. Ein Joint-venture könne er sich vorstellen. Dommermuth: "Für die Telekom wäre das sicherlich kein Vergnügen."
Artikel erschienen am 16. Januar 2005
Welt am Sonntag