Neues Übernahmegesetz ab 1.1.2002

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börse1:

Neues Übernahmegesetz ab 1.1.2002

 
20.12.01 15:15
Zum 1. Januar 2002 tritt ein neues Übernahmegesetz in Kraft, das zukünftig den Kauf von Aktiengesellschaften durch andere Unternehmen Regeln soll. Doch das neue Gesetzt erhitzt die Gemüter. Die Rede ist von einer Entmündigung der Aktionäre und vom staatlichen Schutz der „Deutschland AG“.

Firmenübernahmen durch ausländische Unternehmen haben in Deutschland keine lange Tradition. Als Mannesmann durch Vodafone übernommen wurde, hielt die Nation den Atem an. Beginnt jetzt der Ausverkauf Deutscher Unternehmen? Sofort wurden protektionistische Reflexe wach.

Besonderes Aufsehen erregen die sogenannten „feindlichen Übernahmen“, wie etwa im Fall Vodafone. Doch der Name ist missverständlich. Eine Übernahme, die gegen den Willen des Vorstands durchgesetzt werden soll, muss keineswegs auch gegen die Interessen der Aktionäre gerichtet sein.

Hier liegt das Problem. Die Manager haben den Auftrag, die Belange der Aktionäre zu vertreten. Sollte eine Übernahme gerade in deren Interesse sein, so müssen – oder besser: müssten - die Manager zustimmen. Das Problem dabei ist, dass bei einer Übernahme die meisten Posten plötzlich doppelt besetzt sind. Mit anderen Worten: Die Manager der gekauften Firma müssen ihren Hut nehmen. Und das erst recht, wenn es sich um eine feindliche Übernahme handelt. Ein Gewissenskonflikt scheint unumgänglich.

Die Folge sind kostspielige Übernahmeschlachten wie im Fall Vodafone-Mannesmann. Bis zuletzt wurde nicht ganz klar, ob der Vorstand im eigenen Interesse oder im Interesse der Aktionäre gehandelt hat. Das neue „Wertpapier-Erwerbs- und Übernahmegesetz“ (WpÜG), das vergangene Woche verabschiedet wurde, soll für Ordnung sorgen. Die Bieter müssen in Zukunft strenge Regeln einhalten. Verlangt wird eine Angebotsunterlage mit genau festgelegtem Inhalt.

Zudem bestehen Informationspflichten: Der Interessent muss kundtun, welche Pläne er mit der erworbenen Firma hat. Alle Aktionäre, auch die Minderheitsaktionäre des begehrten Unternehmens, müssen künftig gleich behandelt werden. Die Finanzierung der Transaktion muss sichergestellt sein. Für den Vorstand der Zielgesellschaft gilt, dass er in Zukunft nichts unternehmen darf, was den Erfolg der Übernahme verhindern könnte.

Nicht weniger als zwölf Jahre lang wurde an einer ähnlichen europäischen Übernahmerichtlinie gearbeitet, die europaweit einheitliches Recht schaffen sollte. Auch sie enthielt als Kern die Neutralitätsverpflichtung des Vorstandes. Doch die Richtlinie ist im Sommer nach überraschendem Veto aus Deutschland gescheitert.

Wieso hat man sich die Mühe gemacht, ein eigenes Gesetz zu entwerfen, wenn man es doch gleich auf europäischer Ebene hätte bekommen können? Knackpunkt sind die Ausnahmeregelungen, die in der deutschen Variante eingefügt wurden. So kann sich der Vorstand zukünftig mir Vorratsbeschlüssen ausstatten lassen um im Falle eines Übernahmeversuches konkrete Abwehrmaßnahmen zu ergreifen. Diese Blankovollmacht gilt für maximal 18 Monate. Zudem darf der Vorstand eigenmächtige Handlungen vornehmen, wenn der Aufsichtsrat dem zugestimmt hat.

Vor allem die letztgenannten Ausnahmeregelungen sind heftig umstritten. Kritiker befürchten, die Aktionäre könnten in Zukunft entmündigt werden, wenn sich der Vorstand die Genehmigung direkt beim Aufsichtsrat holt. Dieser, so die Argumentation, sei in der Regel am status quo interessiert. Zum einen, weil der eigenen Posten auf dem Spiel steht, zum anderen weil auch die Gewerkschaftsfunktionäre in den Aufsichtsräten ein Interesse am Erhalt von Arbeitsplätzen haben.

Dahinter steckt gezielte Lobbyarbeit an höchster Stelle, sind manche Kritiker überzeugt. Gerhard Schröder werden ohnehin sehr gute Kontakte zur Industrie und den Gewerkschaften nachgesagt. Zudem sei 2002 Wahljahr, in dem der „Genosse der Bosse“ Aufsehen erregende Übernahmen nicht gebrauchen könne. Weiter wird befürchtet, das Gesetz könne dem Ansehen Deutschlands als liberaler Marktwirtschaft schaden, wenn der Eindruck entstünde, man wolle die engmaschige „Deutschland AG“ vor ausländischen Übernahmen schützen.

Dagegen kontert Dr. Hendrik Drinkuth von der Hamburger Anwaltssotzietät CMS: „Die Möglichkeit, bestimmte Maßnahmen vom Aufsichtsrat absegnen zu lassen, wird dem Vorstand kaum ein Mehr an Handlungsspielraum geben. Der Aufsichtsrat ist selbst an aktienrechtliche Pflichten gebunden und wird deshalb genau überlegen müssen, ob die beabsichtige Maßnahme den Interessen der Gesellschaft schaden kann.“

Der 1. Januar 2002 bringt noch eine weitere Neuregelung. Gewinne aus Verkäufen von Unternehmensanteilen können ab diesem Stichtag steuerfrei realisiert werden. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung der Entflechtung der deutschen Unternehmenslandschaft Vortrieb geben. Gemeint sind hier vor allen Überkreuzbeteiligungen zwischen deutschen Konzernen. Übernahmen und Fusionen sollen forciert werden um Strukturreformen voranzubringen – wenn das neue Übernahmegesetzt dem nicht im Wege steht. Norbert Reis, Co-Leiter von Credit Suisse First Boston, bringt die Befürchtungen auf den Punkt: „Der Schutzwall deutscher Unternehmen, der teilweise durch die Steuerreform verschwindet, wird durch das Übernahmegesetz an anderer Stelle wieder aufgebaut.“

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