Fünf Jahre nach seiner Gründung droht dem Neuen Markt ein Exodus. Immer mehr Firmen verlassen das Skandal-Segment. Sie befürchten Imageschäden und scheuen den mit der Notierung verbundenen Kostenaufwand.
Frankfurt/Main - Dem von ungezählten Pleiten und Skandalen heimgesuchten Neuen Markt droht ein Exodus. Immer mehr Firmen kehren dem angeschlagenen Segment den Rücken, einige unfreiwillig, die anderen aus freien Stücken. Dies führte dazu, dass die Zahl der Nemax-Unternehmen von einst über 340 auf derzeit rund 300 gesunken ist.
Erst am 24. April kündigte das Index-Schwergewicht Broadvision seinen Rückzug an. Nur einen Tag später gab Ceotronics seinen Segmentwechsel bekannt.
Die jüngste Abgangsmeldung kommt aus Niederbayern: Der Computer-Anbieter IPC Archtec teilte am Dienstag-Morgen mit, dass er bereits Ende Mai den Neuen Markt verlassen und in den Geregelten Markt wechseln will. Am 3. Juni soll das Papier dann erstmals im Geregelten Markt gehandelt werden können.
Ähnliches könnte demnächst bei SAP SI anstehen. Die Firma erwägt ebenfalls einen Rückzug vom Neuen Markt und begründet dies mit den Imageproblemen des Segments. Eine Entscheidung dazu sei jedoch noch nicht gefallen, sagte Vorstand Ulrich Assmann am Dienstag auf der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft in Dresden. SAP SI ist seit September 2000 am Neuen Markt der Frankfurter Wertpapierbörse notiert und seit März 2001 im Nemax 50.
Neben Kosteneinsparungen, die ein Listing am Geregelten Markt mit sich bringt, versprechen sich die Manager vor allem einen Imagegewinn. Verstärkt wird diese Trend auch dadurch, dass das verschärfte Regelwerk für den Wachstumsmarkt vorerst gescheitert ist und von der Deutschen Börse bis auf weiteres ausgesetzt wurde.
Vor allem wegen des inzwischen schlechten Ansehens des Neuen Marktes will der Hersteller von Kommunikationssoftware Ceotronics an den Geregelten Markt wechseln.
"Wir werden überall, besonders bei Kunden, angesprochen und in die kriminelle Ecke gestellt", sagte Vorstandschef Hans-Dieter Günther mit Blick auf die jüngsten Skandale bei den Firmen Phenomedia und Comroad . "Unsere Mitarbeiter werden gefragt, wann denn ihre Vorstände im Gefängnis landen, und wann unsere Bilanzen denn auffliegen würden."
Von einem Segmentwechsel verspricht sich der Firmen-Chef vor allem einen Imagegewinn. "Wir wollen kein Delisting sondern ein seriöses Geschäftsumfeld, was unserem Status entspricht", sagte Günther.
Davon erhoffe er sich, "dass die Ceotronics-Aktie vom Risiko-Papier zum sicheren Dividendenpapier wird". Für den Fall, dass sich das Ansehen des einstigen Vorzeigesegments der Deutschen Börse wieder bessert, schließt Günther eine Rückkehr nicht aus.
Moritz Hunzinger
Auch Moritz Hunzinger, Chef des - nach eigenen Angaben - profitablen Kommunikationsdienstleisters Hunzinger Information AG , verspricht sich von einem Segmentwechsel (neben Kosteneinsparungen von rund 500.000 Euro jährlich) einen Imagegewinn. "Wir wollen nicht in einen Topf mit den jüngsten Skandalen wie Phenomedia oder Comroad geworfen werden", sagte Hunzinger.
Auch ein nachlassendes Interesse seitens der Investoren könne er nicht erkennen. "Für ein so marktenges Papier interessiert sich sowieso niemand", sagte er und fügte hinzu: "Wenn sich jemand für unser Papier interessiert, ist es egal, ob wir am Neuen Markt oder Geregelten Markt notiert sind."
Saltus hat den Segmentwechsel bereits Ende Januar vollzogen und diesen Schritt bislang nicht bereut. "Aus unserer Sicht ist die Entscheidung richtig", sagte Vorstandschef Wolfgang Koll. Der durch einige Skandale des früheren Managements in finanzielle Bedrängnis geratene Spezialist für Drehmomenttechnik und Präzisionsteile könne jährlich hohe Kosten einsparen, die bei einer Notierung am Neuen Markt anfielen.
Der Wegfall der Betreuungspflicht durch Designated Sponsor und der Quartalsberichterstattung setzten Gelder frei, sagte Koll. Nachlassendes Interesse seitens der Investoren habe er bislang nicht erkennen können.
Eine Kapitalerhöhung sei angesichts der seit Monaten anhaltenden Talfahrt der Aktienmärkte derzeit weder am Geregelten Markt noch am Neuen Markt möglich. Eine Rückkehr an das deutsche Wachstumssegment schloss Koll indes nicht aus.
Auch Michael Haentjes, Chef von Edel Music sieht seine Firma am Geregelten Markt gut aufgehoben. Neben den mit einer Nemax-Notierung verbunden Kosten seien auch viele zeitintensive Aufgaben wie die Erstellung von Quartalsberichten oder das Abhalten von Analystenkonferenzen weggefallen.
So könne sich das Management des Musikproduzenten wieder stärker dem operativen Geschäft widmen. Um das Interesse potenzieller Investoren auf sich zu ziehen, ist es nach Ansicht Haentjes irrelevant, an welchem Börsensegment die Firma notiert ist. "Die Investoren schauen sich einzelne Werte an", sagte er.
Besonders kurios: Der Fall der Metabox AG . Das Hildesheimer Unternehmen geriet durch fragwürdige Geschäftspraktiken sowohl juristisch als auch börsentechnisch unter Druck und kämpfte lange Zeit verbissen gegen ein Delisting aus dem Neuen Markt.
Am 8. März 2002 war es soweit: Der Vorstand meldete ad hoc, man habe einen Rauswurf aus dem Wachstumsmarkt abgeschmettert. Wörtlich hieß es in der Meldung: "Die Hildesheimer Metabox AG hat beim Landgericht Frankfurt am Main eine einstweilige Verfügung gegen die Deutsche Börse AG erwirkt. Danach wird der Deutschen Börse AG bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe in Höhe von bis zu 250.000 Euro untersagt, die am 1. Oktober 2001 in Kraft getretenen Änderungen des Regelwerks des Neuen Marktes im Bereich Delisting gegenüber dem Hildesheimer Technologieunternehmen vor Ablauf eines halben Jahres anzuwenden."
Für den Vorstand ein klarer Schritt zur Rettung: "Die Gesellschaft ist damit in die Lage versetzt, ihren Konsolidierungskurs weiter fortzusetzen", schrieb er in seiner nachbörslichen Meldung.
Wenige Woche später ruderte man hektisch zurück. Am 2. April vermeldete die Firma: "Der Vorstand des Hildesheimer Technologieunternehmens Metabox AG hat heute den Beschluss gefasst, den Segmentwechsel vom Neuen Markt in den Geregelten Markt zu beantragen."
Weiter hieß es: "Die Gründe für das beschlossene Vorgehen liegen unter anderem in den jüngsten Entwicklungen an den Kapitalmärkten, vor allem aber in der enormen Kostenersparnis, die durch einen Segmentwechsel erwirkt werden können."
Verärgert über die Verhältnisse am Neuen Markt ist auch August-Wilhelm Scheer. Der Gründer des Softwareanbieters IDS Scheer sagte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa: "Wir lassen es uns als profitables Unternehmen nicht länger gefallen, mit dieser dubiosen Szene in einen Topf geworfen zu werden." Wenn bis zum Jahresende nichts geschehe, "überlegen wir ernsthaft, uns aus dem Neuen Markt zurückzuziehen."
Nach Ansicht Scheers sollten die Banken Gütesiegel für seriöse Aktien am Neuen Markt einführen. Gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sagte der Vorstandschef, anhand dieses Prüfsiegels sollten Anleger "seriöse Werte von Schrottbuden unterscheiden können". Als mögliche Indikatoren für die Prüfung nennt er "Offenheit, Solidität der Finanzdaten, Pünktlichkeit der Veröffentlichungen".
Am 12. April 2002 beantragte auch H5B5 Media den Wechsel an den Geregelten Markt. Frank Winnenbrock, Finanzvorstand des Unternehmens, sagte zur Begründung: "Wir sind überzeugt, dass das Segment Geregelter Markt - gerade für uns als Medienfirma - mehr Perspektiven für die Zukunft bietet als der Neue Markt, der bedingt durch seinen Imageverlust heute nicht mehr, wie noch zum Börsengang im Februar 2000, das ideale Börsenumfeld für uns darstellt."
Außerdem argumentierte der Vorstand mit dem Kostenvorteil eines Wechsel. Winnenbrock: "Die Notierung am Neuen Markt verursacht im Vergleich zum Geregelten Markt beträchtliche Mehrkosten, zum Beispiel durch die umfangreichen Publizitätspflichten, die Betreuung durch zwei Designated Sponsors und die speziellen Informationsbedürfnisse des Neuen Marktes."
mm.de
Gruß
Happy End
Frankfurt/Main - Dem von ungezählten Pleiten und Skandalen heimgesuchten Neuen Markt droht ein Exodus. Immer mehr Firmen kehren dem angeschlagenen Segment den Rücken, einige unfreiwillig, die anderen aus freien Stücken. Dies führte dazu, dass die Zahl der Nemax-Unternehmen von einst über 340 auf derzeit rund 300 gesunken ist.
Erst am 24. April kündigte das Index-Schwergewicht Broadvision seinen Rückzug an. Nur einen Tag später gab Ceotronics seinen Segmentwechsel bekannt.
Die jüngste Abgangsmeldung kommt aus Niederbayern: Der Computer-Anbieter IPC Archtec teilte am Dienstag-Morgen mit, dass er bereits Ende Mai den Neuen Markt verlassen und in den Geregelten Markt wechseln will. Am 3. Juni soll das Papier dann erstmals im Geregelten Markt gehandelt werden können.
Ähnliches könnte demnächst bei SAP SI anstehen. Die Firma erwägt ebenfalls einen Rückzug vom Neuen Markt und begründet dies mit den Imageproblemen des Segments. Eine Entscheidung dazu sei jedoch noch nicht gefallen, sagte Vorstand Ulrich Assmann am Dienstag auf der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft in Dresden. SAP SI ist seit September 2000 am Neuen Markt der Frankfurter Wertpapierbörse notiert und seit März 2001 im Nemax 50.
Neben Kosteneinsparungen, die ein Listing am Geregelten Markt mit sich bringt, versprechen sich die Manager vor allem einen Imagegewinn. Verstärkt wird diese Trend auch dadurch, dass das verschärfte Regelwerk für den Wachstumsmarkt vorerst gescheitert ist und von der Deutschen Börse bis auf weiteres ausgesetzt wurde.
Das Beispiel Ceotronics
Vor allem wegen des inzwischen schlechten Ansehens des Neuen Marktes will der Hersteller von Kommunikationssoftware Ceotronics an den Geregelten Markt wechseln.
"Wir werden überall, besonders bei Kunden, angesprochen und in die kriminelle Ecke gestellt", sagte Vorstandschef Hans-Dieter Günther mit Blick auf die jüngsten Skandale bei den Firmen Phenomedia und Comroad . "Unsere Mitarbeiter werden gefragt, wann denn ihre Vorstände im Gefängnis landen, und wann unsere Bilanzen denn auffliegen würden."
Von einem Segmentwechsel verspricht sich der Firmen-Chef vor allem einen Imagegewinn. "Wir wollen kein Delisting sondern ein seriöses Geschäftsumfeld, was unserem Status entspricht", sagte Günther.
Davon erhoffe er sich, "dass die Ceotronics-Aktie vom Risiko-Papier zum sicheren Dividendenpapier wird". Für den Fall, dass sich das Ansehen des einstigen Vorzeigesegments der Deutschen Börse wieder bessert, schließt Günther eine Rückkehr nicht aus.
Das Beispiel Hunzinger
Moritz Hunzinger
Auch Moritz Hunzinger, Chef des - nach eigenen Angaben - profitablen Kommunikationsdienstleisters Hunzinger Information AG , verspricht sich von einem Segmentwechsel (neben Kosteneinsparungen von rund 500.000 Euro jährlich) einen Imagegewinn. "Wir wollen nicht in einen Topf mit den jüngsten Skandalen wie Phenomedia oder Comroad geworfen werden", sagte Hunzinger.
Auch ein nachlassendes Interesse seitens der Investoren könne er nicht erkennen. "Für ein so marktenges Papier interessiert sich sowieso niemand", sagte er und fügte hinzu: "Wenn sich jemand für unser Papier interessiert, ist es egal, ob wir am Neuen Markt oder Geregelten Markt notiert sind."
Das Beispiel Saltus
Saltus hat den Segmentwechsel bereits Ende Januar vollzogen und diesen Schritt bislang nicht bereut. "Aus unserer Sicht ist die Entscheidung richtig", sagte Vorstandschef Wolfgang Koll. Der durch einige Skandale des früheren Managements in finanzielle Bedrängnis geratene Spezialist für Drehmomenttechnik und Präzisionsteile könne jährlich hohe Kosten einsparen, die bei einer Notierung am Neuen Markt anfielen.
Der Wegfall der Betreuungspflicht durch Designated Sponsor und der Quartalsberichterstattung setzten Gelder frei, sagte Koll. Nachlassendes Interesse seitens der Investoren habe er bislang nicht erkennen können.
Eine Kapitalerhöhung sei angesichts der seit Monaten anhaltenden Talfahrt der Aktienmärkte derzeit weder am Geregelten Markt noch am Neuen Markt möglich. Eine Rückkehr an das deutsche Wachstumssegment schloss Koll indes nicht aus.
Das Beispiel Edel Music
Auch Michael Haentjes, Chef von Edel Music sieht seine Firma am Geregelten Markt gut aufgehoben. Neben den mit einer Nemax-Notierung verbunden Kosten seien auch viele zeitintensive Aufgaben wie die Erstellung von Quartalsberichten oder das Abhalten von Analystenkonferenzen weggefallen.
So könne sich das Management des Musikproduzenten wieder stärker dem operativen Geschäft widmen. Um das Interesse potenzieller Investoren auf sich zu ziehen, ist es nach Ansicht Haentjes irrelevant, an welchem Börsensegment die Firma notiert ist. "Die Investoren schauen sich einzelne Werte an", sagte er.
Das Beispiel Metabox
Besonders kurios: Der Fall der Metabox AG . Das Hildesheimer Unternehmen geriet durch fragwürdige Geschäftspraktiken sowohl juristisch als auch börsentechnisch unter Druck und kämpfte lange Zeit verbissen gegen ein Delisting aus dem Neuen Markt.
Am 8. März 2002 war es soweit: Der Vorstand meldete ad hoc, man habe einen Rauswurf aus dem Wachstumsmarkt abgeschmettert. Wörtlich hieß es in der Meldung: "Die Hildesheimer Metabox AG hat beim Landgericht Frankfurt am Main eine einstweilige Verfügung gegen die Deutsche Börse AG erwirkt. Danach wird der Deutschen Börse AG bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe in Höhe von bis zu 250.000 Euro untersagt, die am 1. Oktober 2001 in Kraft getretenen Änderungen des Regelwerks des Neuen Marktes im Bereich Delisting gegenüber dem Hildesheimer Technologieunternehmen vor Ablauf eines halben Jahres anzuwenden."
Für den Vorstand ein klarer Schritt zur Rettung: "Die Gesellschaft ist damit in die Lage versetzt, ihren Konsolidierungskurs weiter fortzusetzen", schrieb er in seiner nachbörslichen Meldung.
Wenige Woche später ruderte man hektisch zurück. Am 2. April vermeldete die Firma: "Der Vorstand des Hildesheimer Technologieunternehmens Metabox AG hat heute den Beschluss gefasst, den Segmentwechsel vom Neuen Markt in den Geregelten Markt zu beantragen."
Weiter hieß es: "Die Gründe für das beschlossene Vorgehen liegen unter anderem in den jüngsten Entwicklungen an den Kapitalmärkten, vor allem aber in der enormen Kostenersparnis, die durch einen Segmentwechsel erwirkt werden können."
Das Beispiel IDS Scheer
Verärgert über die Verhältnisse am Neuen Markt ist auch August-Wilhelm Scheer. Der Gründer des Softwareanbieters IDS Scheer sagte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa: "Wir lassen es uns als profitables Unternehmen nicht länger gefallen, mit dieser dubiosen Szene in einen Topf geworfen zu werden." Wenn bis zum Jahresende nichts geschehe, "überlegen wir ernsthaft, uns aus dem Neuen Markt zurückzuziehen."
Nach Ansicht Scheers sollten die Banken Gütesiegel für seriöse Aktien am Neuen Markt einführen. Gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sagte der Vorstandschef, anhand dieses Prüfsiegels sollten Anleger "seriöse Werte von Schrottbuden unterscheiden können". Als mögliche Indikatoren für die Prüfung nennt er "Offenheit, Solidität der Finanzdaten, Pünktlichkeit der Veröffentlichungen".
Das Beispiel H5B5 Media AG
Am 12. April 2002 beantragte auch H5B5 Media den Wechsel an den Geregelten Markt. Frank Winnenbrock, Finanzvorstand des Unternehmens, sagte zur Begründung: "Wir sind überzeugt, dass das Segment Geregelter Markt - gerade für uns als Medienfirma - mehr Perspektiven für die Zukunft bietet als der Neue Markt, der bedingt durch seinen Imageverlust heute nicht mehr, wie noch zum Börsengang im Februar 2000, das ideale Börsenumfeld für uns darstellt."
Außerdem argumentierte der Vorstand mit dem Kostenvorteil eines Wechsel. Winnenbrock: "Die Notierung am Neuen Markt verursacht im Vergleich zum Geregelten Markt beträchtliche Mehrkosten, zum Beispiel durch die umfangreichen Publizitätspflichten, die Betreuung durch zwei Designated Sponsors und die speziellen Informationsbedürfnisse des Neuen Marktes."
mm.de
Gruß
Happy End