Neuer Markt - Die 300er-Marke fällt
Am Montag ist die 300er-Marke am Neuen Mark gefallen. Zur Beruhigung: Nicht der Indexstand, sondern die Zahl der Unternehmen hat diesen Wert unterschritten. Über das Wochenende wurden mit CeoTronics [ Kurs/Chart ] und IPC Archtec [ Kurs/Chart ] zwei weitere Titel von der Kurstafel gestrichen, die Zahl der am Wachstumssegment gelisteten Firmen sinkt damit auf 298.
Das Ende der New Economy-Euphorie drückt sich damit auch immer mehr durch die Zahl der am Neuen Markt gelisteten Firmen aus. Im Frühjahr 2001 waren noch knapp 350 gelistet, zu Beginn dieses Jahres 325.
Seit November 2001 hat sich die Bereinigung am Neuen Markt beschleunigt. Zuvor gab es Delistings vorwiegend nach Übernahmen (LHS, Systematics), dann folgten Insolvenzen (Gigabell, TelDaFax). Inzwischen gibt es immer mehr freiwillige Austritte. Das Wachstumssegment hat nach dem Ende der New Economy-Euphorie viel von seiner Anziehungskraft verloren: Kleine Werte bleiben völlig unbeachtet, so dass sich die Aufwendungen für ein Listing am Neuen Markt - etwa durch die hohen Ansprüche an die Berichtserstattung oder die Designated Sponsors - rechnen. Der Segmentwechsel an den Geregelten Markt ist dann die logische Folge.
Lücken werden nicht mehr geschlossen
Wegen der fehlenden Neuemissionen werden die entstehenden Lücken nicht mehr geschlossen. In 2001 gab es lediglich 11 Neuzugänge, für 2002 zeichnet sich ein neuer Negativrekord ab: Bislang hat mit REpower nur eine Gesellschaft ihren Weg an den Neuen Markt gefunden.
Ein Ende der Konsolidierung ist noch nicht in Sicht. Alleine in der vergangenen Woche haben fünf Firmen ihren freiwilligen Rückzug angekündigt, Softmatic wird zudem wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Kurszettel verbannt. Alleine im Juni werden damit nach derzeitigem Stand sechs Gesellschaften aus dem Wachstumssegment ausscheiden - und fast täglich kommen weitere hinzu.
Ein Blick in die gerade vorgelegten Quartalsberichte zeigt, dass noch zahlreiche Geschäftsmodelle zum Scheitern verurteilt sind. Nach Ansicht von Stock-World stehen mindestens 100 weitere Geschäftsmodelle auf der Kippe. Hält die Emissionsflaute an, könnte die Zahl der gelisteten Firmen also durchaus auch an der 200er-Marke kratzen.
Ein Grund zur Sorge besteht bislang nicht. Einen richtigen Substanztitel hat das Wachstumssegment noch nicht verloren, ausschließlich Titel aus der zweiten oder gar dritten Reihe haben sich verabschiedet. Die derzeitige Situation ist eine Bereinigung der übertriebenen Euphorie in den Anfangszeiten des Neuen Markts. Die hohe Nachfrage nach Neuemissionen hat damals zahlreiche Firmen mit unreifen Geschäftsmodellen an den Aktienmarkt gespült.
Nasdaq mit ähnlichen Problemen
Beunruhigend sind da schon eher Überlegungen von Unternehmen wie SAP SI oder IDS Scheer, das Segment zu verlassen. Damit gingen erstmals Schwergewichte mit soliden Geschäftsmodellen verloren - und davon gibt es nicht viele am Neuen Markt.
Die Nasdaq hatte in ihren Anfangsjahren übrigens ähnliche Probleme: Kurz nach der Gründung verlor der Index knapp 60 Prozent an Wert. Das Segment wurde schon abgeschrieben - zu früh, wie sich inzwischen herausgestellt hat.
Wie schnell Wirtschaftsexperten ihre Meinung ändern, zeigt der Neue Markt selbst. Noch vor zwei Jahren wurde das Segment gefeiert, weil es jungen Firmen die Möglichkeit bot, am Aktienmarkt Kapital für das weitere Wachstum einzusammeln. Der Bilanzskandal um Lösch und Sero - die beiden ersten Delistings - interessierte angesichts der guten Stimmung damals niemanden.
Nach etlichen Skandalen und kräftigen Kursverlusten hat der Ruf der Wachstumsbörse inzwischen schwer gelitten. Steigen die Kurse aber wieder, werden die Pleiten und Skandale schnell in den Hintergrund rücken.
© 03.06.2002 www.stock-world.de
Gruß Kostolmoney