Neuer Markt: Groteske Zahlenspiele
Kommentar von w:o-Redakteur Michael Barck
Derzeit taucht bei Börsianern verstärkt der Begriff Gesamtmarkt-KGV auf. Das sei viel zu hoch, ist in verschiedenen Analysen zu lesen. Das es grotesker Unsinn ist, die Kapitalisierung des Neuen Marktes durch den Saldo der Gewinne und Verluste der Unternehmen zu teilen, wird dabei gerne übersehen. Das mutet an, wie ins Geschäft zu gehen, den Durchschnittspreis aller Waren zu errechnen und dann zu sagen, man isst nicht mehr, weil alles zu teuer ist. Essen muss man, die Frage ist was; hat man Geld, muss man es anlegen. Die Frage ist wie und wo.
Es passt in die derzeitige Börsen-Landschaft, am Neuen Markt alles nach unten zu prügeln. „Alles zu teuer; alles Schrott“, heißt es. Ein 8-Mrd.-Euro-Unternehmen wie Bipop wird mit einem 2 Mio.-Euro-Insolvenzunternehmen wie Sunburst in einen Topf geworfen. Dass SAP SI seit Anfang des Jahres 37% gewinnt, ignoriert man, weil der Nemax50 im gleichen Zeitraum 50% verliert.
Alle Unternehmen über einen Kamm zu scheren, nutzt also wenig. Statt dessen kristallisiert sich ein Trend heraus: Unternehmen, die profitabel arbeiten, entwickeln sich besser als der Gesamtmarkt. 16 von 21 Unternehmen, die sich 2001 besser als der Nemax50 entwickelt haben, dürften das laufende Jahr mit Gewinn abschließen.
Eine Entwicklung, die gut ist: Pleiteunternehmen verschwinden, profitable bleiben. Die Lektion für die Unternehmen ist klar: Profitabel sein und bleiben. Der Börsianer sollte sich an diese Maxime halten und sein Depot nicht auf Versprechungen und Traumschlössern aufbauen. Phantasie allein hält kein Unternehmen am Leben. Und es existiert kaum ein Grund, weshalb sich diese uralte Investmentmaxime in naher Zukunft ändern soll.
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Autor: Michael Barck, 15:10 27.06.01