www.finanzen.net/nachricht/Good_Buy_Wall_Street_EuramS__782562
Wieder ein sehr detaillierter Bericht über die aktuelle Situation und die Risiken insb. von sogenannten CDS (Credit Default Swaps). Ich denke, dieser Begriff wird in Zukunft noch häufig auftauchen und noch so manch böse Überraschung bereithalten. Pessimisten meinen gar, dass über die CDS ein noch viel grösseres Risiko im Markt schlummert, und der Zusammenbruch des Immobiliensektors im Vergleich dazu harmlos war.
Sehr interessanter Bericht, sehr lang, aber gut analysiert:
Atemberaubende Zeiten. Endzeitstimmung wechselt mit Euphorie. Nüchtern betrachtet zeigt die Achterbahnfahrt der Börsen: Die Finanzwelt befindet sich in einem grundlegenden Wandel. Das bietet der enorme Chancen – wie am Freitag gesehen.
von Tim Schäfer und Peter Schweizer
Die US-Investmentbank Lehman Brothers ist pleite – mit diesem Knaller begann die vergangene Woche. Prompt setzte an den Börsen weltweit ein gigantischer Ausverkauf ein, die Kurse stürzten ab. Leerverkäufer sahen eine Jahrhundertchance und versuchten die beiden übrig gebliebenen Investmentbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley gleich mit zu versenken. Die Kurse beider Häuser rauschten trotz solider Quartalszahlen Anfang der Woche scheinbar rettungslos in den Keller.
"Schluss mit dem Wahnsinn", stöhnte UBS Analyst Glen Schorr am Mittwoch – und wurde erhört. Mit einem Knaller endete die Woche auch: In einer nie da gewesenen gemeinsamen Aktion beschlossen die Notenbanken und die US-Regierung ein Paket von Maßnahmen. Es folgte ein Kursfeuerwerk: Der DAX legte am Freitag um gut fünf Prozent zu. Der Dow Jones gewann schon am Donnerstagabend 3,9 Prozent dazu. Die stärkste Rally seit sechs Jahren reduzierte den Wochenverlust auf 3,5 Prozent, und selbst der Nikkei zog um 3,8 Prozent an. Die Märkte in Russland eröffneten mit einem beispiellosen Plus von 20 Prozent – nachdem sie zwei Tage geschlossen waren. Die Aktie von Goldmann Sachs notierte in Frankfurt zeitweise über 50 Prozent im Plus. Schon Freitagvormittag stand fest: Die Nacht- und Notaktion von Fed und Co brach-te den Aktienmärkten die stärkste Rally der vergangenen sechs Jahren.
Die drei Rettungsmaßnahmen in Kürze: Die wichtigsten Notenbanken der Welt beschlossen in der Nacht auf Donnerstag, massiv Geld in die Finanzmärkte zu pumpen, um weitere Pleiten von Geldhäusern oder Versicherungen zu vermeiden. Allein die USA machten dafür 180 Milliarden Dollar locker.
Die britische Börsenaufsicht und ihr US-Pendant SEC haben das sogenannte Shortselling, mit dem Spekulanten die Abwärtsbewegung der Märkte massiv verstärkten, für die kommenden Monate verboten. Andere Börsenaufsichten dürften mit ähnlichen Verboten folgen. Die USA planen eine staatliche Auffanggesellschaft, die Not leidende oder hochriskante Forderungen der Banken übernimmt. Dadurch dürften die Kredithäuser ihre eigentliche Funktion wieder erfüllen können: Der Wirtschaft das Kapital für Investitionen zur Verfügung zu stellen. Über das Wochenende will die US-Regierung zusammen mit der Notenbank Federal Reserve und der US-Börsenaufsicht SEC den Plan für die größte Intervention an den Finanzmärkten seit den 1930er-Jahren festzurren. Im Mittelpunkt steht die Auffanggesellschaft für die Problemkredite und Not leidenden Kreditderivate von amerikanischen Finanzinstituten. Wie groß der Pool werden wird, ist noch nicht abseh-bar. Allein Citigroup, JP Morgan, Bank of America, Merrill Lynch und Lehman Brothers hatten Ende Juni zusammen 500 Milliarden Dollar in sogenannten Level-3–Vermögenswerten, deren Wert nur durch interne Modelle bestimmt werden kann, weil es dafür keinen liquiden Markt gibt. Klar ist: Die weltweite Börsenrally vom Freitag war nur der Vorschuss auf einen großen Wurf zur Wiederherstellung des Vertrauens an der Wall Street.
Die Erwartungen sind hoch:"Der Markt will eine Systemlösung sehen, nach der man nicht schon einen Tag später erneut fragen muss, welches der Finanzinstitutionen das nächste schwache Glied in der Kette ist", sagt Laurence Mayer, früher Mitglied im Entscheidungsgremium der Fed und heute Vizechef der US-Berater Firma Macroeconomic Advisors.
Ende gut, alles gut? Selbst wenn den USA gelingt, die Finanzmärkte wieder zu stabilisieren – goldene Zeiten für Aktienanleger werden erst mal nicht anbrechen. "Die US-Wirtschaft wird bis Ende nächsten Jahres vor sich hindümpeln. Auch der Abschwung der Wirtschaft im Euroraum und in Deutschland wird länger dauern als die meisten erwarten. Das lastet auf den Unternehmensgewinnen. Nachhaltig erholen dürften sich europäische Aktien erst, wenn sich niedrigere EZB-Leitzinsen abzeichnen" sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, im Gespräch mit €uro am Sonntag.
So schnell die Konsequenzen auf die rapide drohende Rezession, die sich von Amerika aus um die ganze Welt verbreitet hätte, gezogen wurden – die Aufarbeitung der Krise wird länger dauern. Schließlich hatten sich die Ursachen auch über Jahre hinweg aufgebaut. "Der Keim der Krise wurde während der langen Tiefzinsphase gesetzt, als die meisten Investoren dachten, dass der Inflationsdruck grundsätzlich nachgelassen hätte", erklärt Vanessa Donegan, Aktienexpertin bei Threadneedle. "Ausgerüstet mit einem Übermaß an Liquidität und ,billigem‘ Geld, wurde auf den Einsatz von Fremdkapital gesetzt, um einen möglichst hohen Leverage-Effekt zu erreichen. Es wurde nach immer höheren Erträgen durch das Investieren in risikoreiche Anlageklassen gestrebt."
Als Held der Hebel gerierte sich dabei Lehman-Chef Fuld: Er setzte das Mehrfache des Eigenkapitals der Bank bei dem Spiel ein. Der Bereich der Subprime-Hypotheken erwies sich dabei als die verhängnisvollste Anlageklasse. Als die Zentralbank die Zinssätze erhöhte und damit die monatlichen Zahlungen der Hypotheken erheblich stiegen, brachte das die Blase zum Platzen. Denn viele Subprime-Schuldner gerieten in Rückzahlungsverzug. Vanessa Donegan: "Die Vehikel zur Ausbreitung der Seuche waren die reinvestierten Hypothekensicherheiten mit integriertem Subprime-Fremdkapital. Diese wurden weltweit von Finanzinstituten ge- und verkauft." Die Folge: Der Markt kollabierte. Dass aber die Subprime-Geschäfte überhaupt möglich waren, lag in den über viele Jahre steigenden US-Immobilienpreisen begründet.
Die Immo-Märkte sind der Schlüssel für die Gesundung der Realwirtschaft und der Finanzmärkte. Dementsprechend gilt nun: So lange die Immobilienpreise fallen, werden das US-Bankensystem, die US-Wirtschaft und die Märkte nicht endgültig zur Ruhe kommen. Commerzbank-Volkswirt Krämer: "Fallende Immobilienpreise unterminieren nicht nur die Vermögen der Konsumenten. Sie schmälern auch das ohnehin strapazierte Eigenkapital der US-Banken. Denn sinkende Häuserpreise unterhöhlen die Werthaltigkeit der Hypotheken und all der Anleihen und sonstigen Finanzprodukte, deren Wert an den Hypotheken hängt."
Als einen Indikator, der anzeigt, wann bei den sinkenden Häuserpreisen der Boden erreicht sein kann, nennen die Experten der Commerzbank das Verhältnis von Hauspreisen zu Mieten. "Eine Art Kurs-Gewinn-Verhältnis des Immobilienmarktes", so Krämer. Diese Relation war bis zum Jahr 2000 relativ stabil, der starke Anstieg der Hauspreise hat das Preis-Mieten-Verhältnis dann nach oben getrieben. Zuletzt fiel die Kennzahl mit einer Jahresrate von 16 Prozent. Würde das anhalten und die Mieten in den USA wie bisher steigen, würde es bis Anfang 2010 dauern, bis die Relation auf den langjährigen Durchschnittswert gefallen sein wird.
Krämer: "Diese Projektion liefert natürlich nur grobe Anhaltspunkte. Ein mögliches ,Unterschießen‘ ist ebenso möglich wie ein schnellerer Verfall der Immobilienpreise." Alles in allem sei es wahrscheinlich, dass die Immobilienpreise mindestens bis Ende 2009 unter Druck bleiben. Die erste, schnelle Maßnahme: rote Karte für Shortseller. Experten gehen davon aus, dass SEC-Chef William Cox dem, Beispiel der britischen Aufsichtsbehörde FSA folgen wird und Leerverkäufe bis auf Weiteres verbieten wird. In London gilt das Verbot zunächst bis Ende Januar. Die Aktionen von Shortsellern, institutionellen Investoren, die sich gegen Gebühr Aktien von Versicherungen und Pensionsfonds leihen, um sich im großen Stil zu verkaufen und sie bei am Ende der Leihfrist günstiger einzusammeln, war nach Ansicht der Vorstandschefs von Goldman Sachs und Morgan Stanley der wesentliche Grund für tägliche Kurseinbußen im hohen zweistelligen Bereich. "Es gibt keine rationale Begründung für die Kursbewegung. Wir stecken in einem Markt, der von Angst und Gerüchten geprägt ist. Shortseller drücken unseren Kurs nach unten", klagte Morgan Stanley-Chef John Mack in einem internen Schreiben an die Mitarbeiter der zweitgrößten US-Investmentbank. Macks Meinung g wurde von vielen Investoren geteilt. "Derzeit scheint alles möglich. Es ist fast so, als ob der Markt das Geschäftsmodell Investmentbank auslöschen will", sagt eine Expertin der BNP Paribas. Gegen Shortseller die falsche Nachrichten gestreut haben, um daran zu verdienen, will jetzt der New Yorker Staatsanwalts Andrew Cuomo massiv vorgehen. Er kündigte an, dass die Staatsanwaltschaft mit einer umfangreichen Untersuchung der der Leerverkäufe im Umfeld der Ereignisse bei Lehman Brothers, AIG, Morgan Stanley und Goldman Sachs begonnen habe. "Leerverkäufe sind nicht illegal. Aber im Zusammenhang mit dem Verbreiten falscher Informationen, sind sie illegal", warnt der einflussreiche Staatsanwalt. Zuvor hatten große US-Pensionsfonds wie Calpers und der California State Teachers Retirement (Calsters) den Verleih von Aktien der Investmentbanken Morgan Stanley und Goldman Sachs bis auf weiteres eingestellt. Damit folgen die Fonds einer ähnlichen Aktion von 60 weiteren Fonds. Calsters Aktienleih-Programm im Wert von 29 Milliarden Dollar ist eines der größten.
Was ist noch faul im Sektor? Die Kreditausfallversicherungern (Credit Default swaps, CDS) sind das zweite große Problem des Fuianzsektors. Wesentlicher Auslöser der Schockwellen, die mühelos die Grenzen in den Finanzmärkten überwinden ist die Schieflage des größten US-Versicherungskonzerns American International Group. Denn der größte US-Versicherungskonzern ist auch eine große Nummer im globalen 62-Billionen-Dollar-Geschäft mit Versicherungspolicen gegen Kreditausfälle und Zahlungsunfähigkeit, sogenannte Credit Default Swaps (CDS). AIGs Schwierigkeiten ihn diesem Geschäft kurzfristig frisches Kapital reinzuholen – in Schätzungen werden 70 Milliarden Dollar genannt – lösten nach langem politischen Tauziehen eine Rettungsaktion der US-Regierung aus. Mit Geld amerikanischer Steuerzahler gewährte die Regierung dem Konzern einen 85 Milliarden Dollar Kredit und sicherte sich achtzig Prozent der Anteile am Konzern. Zudem bekam das Unternehmen einen neuen Chef. Überwunden ist die Krise und ihre Wirkung auf die globale Finanzbranche damit noch lange nicht. Seine knapp 972 Milliarden Dollar Verbindlichkeiten aus dem klassischen Versicherungsgeschäft hat AIG über Vermögenswerte von knapp mehr als 1000 Milliarden Dollar abgesichert. Was Investoren weltweit inzwischen jedoch den Schlaf raubt, ist das Kreditderivateportfolio. Dort muß AIG zusätzliche Ausfallrisiken im Gesamtwert von 447 Milliarden Dollar abdecken. "Von diesem Portfolio geht ein erhebliches Risiko aus", warnt Sean Egan, Mitgründer der US-Rating-Agentur Egan-Jones Rating. Auf der sicheren Seite sind bisher dagegen die europäischen Versicherer. Die Gesamtsumme der Risiken aus den Schieflagen von AIG, der Hypothekenbanken Freddie Mac und Fannie und der Pleite von Lehman Brothers schätzt die britische Investmentbank Fox-Pitt Kelton auf knapp 9,4 Milliarden Euro.
Das meiste davon, etwas mehr als acht Milliarden Euro (siehe Investor’s Info) sind Schuldverschreibungen. "Die Risiken für europäische Versicherer sind niedrig", sagt Fox-Pitt-Kelton-Analyst Raghu Hariharan. Einen Fall wie AIG werde es in Europa nicht geben, sagen die Analysten unisono. Außer Swiss Re sei kein europäischer Konzern in der Vergabe von Policen gegen Kreditausfälle engagiert. Und das CDS-Portfolio der Schweizer im Wert von 2,2 Milliarden Schweizer Franken sei durch die 6,6 Milliarden Kapitalreserve des Konzerns gut abgesichert, sagen die Experten der kleinen britischen Bank.
Die alte Wall Street gibt es nicht mehr. Die neue Wall Street wird anders sein und vor allem nicht mehr so mächtig. "Es wird härter", sagt Kenneth Lewis, Chef der Bank of America, die Merrill Lynch den Gang zum Konkursrichter erspart hat. "Es wird weniger Unternehmen geben und wir müssen besser werden in dem, was wir tun."
Die Überlebenden, die sich langfristig vielleicht als Sieger bezeichnen können, sind die großen Universalbanken. Sie verfügen über ein ausbalanciertes Risikoprofil und nutzen die Existenznot der Konkurrenten für Zukäufe. Back zu Basics – zurück zu den Grundlagen, lautet die Devise. Gemeint ist das klassische Bankgeschäft – Geld, das Sparer einzahlen, wird gegen einen höheren Zinssatz verliehen, um damit langfristig Rendite zu erwirtschaften. Laut Notenbanken ist das Volumen des Privatkundengeschäftes bei Geschäftsbanken in den USA in den vergangenen zwölf Monaten um knapp acht Prozent auf 6,9 Billionen Dollar gestiegen, in der Euro-Zone um 13 Prozent auf 6,3 Billionen. Zuwächse, die nicht an die Renditen während des Subprime-Booms heranreichen, dafür aber nachhaltige Erträge versprechen. Jene Banken, die die Risiken des Subprime-Markts rechtzeitig erkannt haben, nutzen die Branchenschwäche, um ihre Macht zu stärken. In Europa ist die Deutsche Bank bei Postbank eingestiegen, die spanische Santander bei der britischen Hypothekenbank Alliance & Leicester. In den USA ist das derzeit vor allem die Bank of America, die die Krise für eine Erweiterung der Macht nutzt. Nach Countrywide Financial, den größten Hypothekenanbieter der USA, hat der Geldriese jetzt Merrill Lynch durch Übernahme vor dem Konkursrichter bewahrt. Mit einer Marktkapitalisierung von 180 Milliarden Dollar steigt die Bank of America durch Merrill Lynch zur drittgrößten Bank der Welt nach der chinesischen ICBC und der britischen HSBC auf.
Die Folgen des Bankencrashs werden über die Wall Street hinaus wirken, warnen Experten. "Die Krise des Finanzsystems wird aller Voraussicht nach eine rasche Erholung der US-Wirtschaft verhindern. Nach der für die zweite Jahreshälfte absehbare Vollbremsung des Wachstums ist auch 2009 eine starkunterdurchschnittliche Konjunkturdynamik zu erwarten", warnt die Commerzbank.
Die nächsten Opfer nach den Investmentbanken könnten Unternehmen sein, die in den vergangenen Jahren aggressiv auf Fremdkapital gesetzt haben. "Wer hohe Schulden hat, wird Probleme bekommen, denn Kredite werden knapper. Unternehmen mit soliden Bilanzen hingegen haben die Chance, gestärkt aus der Krise hervorzugehen "", warnt Berndt Fernow von der Landesbank Baden-Württemberg.
Ein Konjunktureinbruch in den USA würde Europa und den Rest der Welt treffen. Dennoch warnen Volkswirte vor übereilten Pessimismus: "Wir meinen vor allem, dass die Auswirkungen der amerikanischen Turbulenzen auf die deutsche Konjunktur weniger dramatisch sind, als es angesichts der rückläufigen Börsenkurse zu sein scheint. Die deutsche Konjunktur kann den zusätzlichen aktuellen Herausforderungen gut trotzen", sagt Thomas Straubhaar, Chef des Hamburgischen Wirtschaftsinstituts. Dennoch werde sich die Konjunktur in Deutschland eintrüben: "Diese Abschwächung wird vor allem das Winterhalbjahr 2008/2009 prägen. Wir werden nach einem schwachen zweiten und möglicherweise einem ebenfalls schwachen dritten Quartal sogar am Rande einer Rezession stehen. Wir sehen also durchaus gewaltige Herausforderungen. Wir glauben aber nicht, dass die Turbulenzen der Finanzmärkte zusätzliche Belastungen für die deutsche Realwirtschaft haben werden", so Straubhaar. Was sollen Anleger jetzt tun? "Es spricht vieles dafür, dass ich die internationalen Aktienmärkte in einer finalen Ausverkaufsphase befinden", urteilt Klaus Deppermann, technischer Analyst der BHF Bank. Ein Grund für seinen Optimismus ist die hohe Volatilität. Die Kursausschläge des auch als Angstindex bekannten V-DAX erreichten in den vergangenen Tagen das Spitzenniveau auf die die Börse in zuletzt mit mehrwöchigen Kurserholungen reagiert hatten. Auch die Kursexplosion des Goldpreises spreche für Panikstimmung. Das wäre ebenfalls ein positives Signal für die Aktienmärkte. Das Rückschlagsrisiko beim S&P 500 taxiert Deppermann auf "maximal 1100 Punkte". Fundamental aber bleiben die Risiken groß. Strategen erwarten, dass die Unsicherheit an den Aktienmärkten weiter anhalten wird. "Die Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft dürfen nicht unterschätzt werden. Angesichts der Risiken sind die Gewinnschätzungen für die Unternehmen noch immer deutlich zu hoch", warnt Carsten Klude von der Privatbank M.M. Warburg. Derzeit gehen die Analysten für die Unternehmen des DAX für das kommende Quartal von einem Gewinnwachstum von über 15 Prozent aus, bei amerikanischen S&P 500 sogar von mehr als 25 Prozent. Die niedrige Bewertung des DAX, dessen durchschnittliches Kurs/Gewinn-Verhältnis in der vergangenen Woche unter elf rutschte, ist also nur eingeschränkt aussagekräftig.
Die Berichtssaison im dritten Quartal, deren Hautphase am 7. Oktober mit dem Aluminiumhersteller Alcoa beginnen wird, gilt als Härtetest für die Widerstandskraft der Unternehmen. Im amerikanischen S&P 500 hatten im zweiten Quartal noch zwei Drittel der Unternehmen die Erwartungen erfüllt oder übertroffen.
Das Drama der letzten Tage könnte die Wende einleiten. Markus Reinwand von der Helaba weist daruf hin dass das Ausverkaufsszenario alle Elemente einer Umkehrsitution an den Börsen enthält. Die Kursrückschläge in den vergangenen Wochen, begleitet von steigenden Umsätzen an den Börsen, sind Zeichen für einen klassischen Ausverkauf an den Märkten. Die Nervosität der Investoren, die von der impliziten Volatilität an den Aktienmärkten angezeigt wird, entspricht der vor früheren Ausverkaufsszenarien. Im Schnitt betrugen die Verluste des S&P 500 in der Börsen-Baisse rund 24 Prozent. Aktuell beträgt das Minus bei dem Börsenbarometer zum seinem Kurshoch gut 26 Prozent.
Wieder ein sehr detaillierter Bericht über die aktuelle Situation und die Risiken insb. von sogenannten CDS (Credit Default Swaps). Ich denke, dieser Begriff wird in Zukunft noch häufig auftauchen und noch so manch böse Überraschung bereithalten. Pessimisten meinen gar, dass über die CDS ein noch viel grösseres Risiko im Markt schlummert, und der Zusammenbruch des Immobiliensektors im Vergleich dazu harmlos war.
Sehr interessanter Bericht, sehr lang, aber gut analysiert:
Atemberaubende Zeiten. Endzeitstimmung wechselt mit Euphorie. Nüchtern betrachtet zeigt die Achterbahnfahrt der Börsen: Die Finanzwelt befindet sich in einem grundlegenden Wandel. Das bietet der enorme Chancen – wie am Freitag gesehen.
von Tim Schäfer und Peter Schweizer
Die US-Investmentbank Lehman Brothers ist pleite – mit diesem Knaller begann die vergangene Woche. Prompt setzte an den Börsen weltweit ein gigantischer Ausverkauf ein, die Kurse stürzten ab. Leerverkäufer sahen eine Jahrhundertchance und versuchten die beiden übrig gebliebenen Investmentbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley gleich mit zu versenken. Die Kurse beider Häuser rauschten trotz solider Quartalszahlen Anfang der Woche scheinbar rettungslos in den Keller.
"Schluss mit dem Wahnsinn", stöhnte UBS Analyst Glen Schorr am Mittwoch – und wurde erhört. Mit einem Knaller endete die Woche auch: In einer nie da gewesenen gemeinsamen Aktion beschlossen die Notenbanken und die US-Regierung ein Paket von Maßnahmen. Es folgte ein Kursfeuerwerk: Der DAX legte am Freitag um gut fünf Prozent zu. Der Dow Jones gewann schon am Donnerstagabend 3,9 Prozent dazu. Die stärkste Rally seit sechs Jahren reduzierte den Wochenverlust auf 3,5 Prozent, und selbst der Nikkei zog um 3,8 Prozent an. Die Märkte in Russland eröffneten mit einem beispiellosen Plus von 20 Prozent – nachdem sie zwei Tage geschlossen waren. Die Aktie von Goldmann Sachs notierte in Frankfurt zeitweise über 50 Prozent im Plus. Schon Freitagvormittag stand fest: Die Nacht- und Notaktion von Fed und Co brach-te den Aktienmärkten die stärkste Rally der vergangenen sechs Jahren.
Die drei Rettungsmaßnahmen in Kürze: Die wichtigsten Notenbanken der Welt beschlossen in der Nacht auf Donnerstag, massiv Geld in die Finanzmärkte zu pumpen, um weitere Pleiten von Geldhäusern oder Versicherungen zu vermeiden. Allein die USA machten dafür 180 Milliarden Dollar locker.
Die britische Börsenaufsicht und ihr US-Pendant SEC haben das sogenannte Shortselling, mit dem Spekulanten die Abwärtsbewegung der Märkte massiv verstärkten, für die kommenden Monate verboten. Andere Börsenaufsichten dürften mit ähnlichen Verboten folgen. Die USA planen eine staatliche Auffanggesellschaft, die Not leidende oder hochriskante Forderungen der Banken übernimmt. Dadurch dürften die Kredithäuser ihre eigentliche Funktion wieder erfüllen können: Der Wirtschaft das Kapital für Investitionen zur Verfügung zu stellen. Über das Wochenende will die US-Regierung zusammen mit der Notenbank Federal Reserve und der US-Börsenaufsicht SEC den Plan für die größte Intervention an den Finanzmärkten seit den 1930er-Jahren festzurren. Im Mittelpunkt steht die Auffanggesellschaft für die Problemkredite und Not leidenden Kreditderivate von amerikanischen Finanzinstituten. Wie groß der Pool werden wird, ist noch nicht abseh-bar. Allein Citigroup, JP Morgan, Bank of America, Merrill Lynch und Lehman Brothers hatten Ende Juni zusammen 500 Milliarden Dollar in sogenannten Level-3–Vermögenswerten, deren Wert nur durch interne Modelle bestimmt werden kann, weil es dafür keinen liquiden Markt gibt. Klar ist: Die weltweite Börsenrally vom Freitag war nur der Vorschuss auf einen großen Wurf zur Wiederherstellung des Vertrauens an der Wall Street.
Die Erwartungen sind hoch:"Der Markt will eine Systemlösung sehen, nach der man nicht schon einen Tag später erneut fragen muss, welches der Finanzinstitutionen das nächste schwache Glied in der Kette ist", sagt Laurence Mayer, früher Mitglied im Entscheidungsgremium der Fed und heute Vizechef der US-Berater Firma Macroeconomic Advisors.
Ende gut, alles gut? Selbst wenn den USA gelingt, die Finanzmärkte wieder zu stabilisieren – goldene Zeiten für Aktienanleger werden erst mal nicht anbrechen. "Die US-Wirtschaft wird bis Ende nächsten Jahres vor sich hindümpeln. Auch der Abschwung der Wirtschaft im Euroraum und in Deutschland wird länger dauern als die meisten erwarten. Das lastet auf den Unternehmensgewinnen. Nachhaltig erholen dürften sich europäische Aktien erst, wenn sich niedrigere EZB-Leitzinsen abzeichnen" sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, im Gespräch mit €uro am Sonntag.
So schnell die Konsequenzen auf die rapide drohende Rezession, die sich von Amerika aus um die ganze Welt verbreitet hätte, gezogen wurden – die Aufarbeitung der Krise wird länger dauern. Schließlich hatten sich die Ursachen auch über Jahre hinweg aufgebaut. "Der Keim der Krise wurde während der langen Tiefzinsphase gesetzt, als die meisten Investoren dachten, dass der Inflationsdruck grundsätzlich nachgelassen hätte", erklärt Vanessa Donegan, Aktienexpertin bei Threadneedle. "Ausgerüstet mit einem Übermaß an Liquidität und ,billigem‘ Geld, wurde auf den Einsatz von Fremdkapital gesetzt, um einen möglichst hohen Leverage-Effekt zu erreichen. Es wurde nach immer höheren Erträgen durch das Investieren in risikoreiche Anlageklassen gestrebt."
Als Held der Hebel gerierte sich dabei Lehman-Chef Fuld: Er setzte das Mehrfache des Eigenkapitals der Bank bei dem Spiel ein. Der Bereich der Subprime-Hypotheken erwies sich dabei als die verhängnisvollste Anlageklasse. Als die Zentralbank die Zinssätze erhöhte und damit die monatlichen Zahlungen der Hypotheken erheblich stiegen, brachte das die Blase zum Platzen. Denn viele Subprime-Schuldner gerieten in Rückzahlungsverzug. Vanessa Donegan: "Die Vehikel zur Ausbreitung der Seuche waren die reinvestierten Hypothekensicherheiten mit integriertem Subprime-Fremdkapital. Diese wurden weltweit von Finanzinstituten ge- und verkauft." Die Folge: Der Markt kollabierte. Dass aber die Subprime-Geschäfte überhaupt möglich waren, lag in den über viele Jahre steigenden US-Immobilienpreisen begründet.
Die Immo-Märkte sind der Schlüssel für die Gesundung der Realwirtschaft und der Finanzmärkte. Dementsprechend gilt nun: So lange die Immobilienpreise fallen, werden das US-Bankensystem, die US-Wirtschaft und die Märkte nicht endgültig zur Ruhe kommen. Commerzbank-Volkswirt Krämer: "Fallende Immobilienpreise unterminieren nicht nur die Vermögen der Konsumenten. Sie schmälern auch das ohnehin strapazierte Eigenkapital der US-Banken. Denn sinkende Häuserpreise unterhöhlen die Werthaltigkeit der Hypotheken und all der Anleihen und sonstigen Finanzprodukte, deren Wert an den Hypotheken hängt."
Als einen Indikator, der anzeigt, wann bei den sinkenden Häuserpreisen der Boden erreicht sein kann, nennen die Experten der Commerzbank das Verhältnis von Hauspreisen zu Mieten. "Eine Art Kurs-Gewinn-Verhältnis des Immobilienmarktes", so Krämer. Diese Relation war bis zum Jahr 2000 relativ stabil, der starke Anstieg der Hauspreise hat das Preis-Mieten-Verhältnis dann nach oben getrieben. Zuletzt fiel die Kennzahl mit einer Jahresrate von 16 Prozent. Würde das anhalten und die Mieten in den USA wie bisher steigen, würde es bis Anfang 2010 dauern, bis die Relation auf den langjährigen Durchschnittswert gefallen sein wird.
Krämer: "Diese Projektion liefert natürlich nur grobe Anhaltspunkte. Ein mögliches ,Unterschießen‘ ist ebenso möglich wie ein schnellerer Verfall der Immobilienpreise." Alles in allem sei es wahrscheinlich, dass die Immobilienpreise mindestens bis Ende 2009 unter Druck bleiben. Die erste, schnelle Maßnahme: rote Karte für Shortseller. Experten gehen davon aus, dass SEC-Chef William Cox dem, Beispiel der britischen Aufsichtsbehörde FSA folgen wird und Leerverkäufe bis auf Weiteres verbieten wird. In London gilt das Verbot zunächst bis Ende Januar. Die Aktionen von Shortsellern, institutionellen Investoren, die sich gegen Gebühr Aktien von Versicherungen und Pensionsfonds leihen, um sich im großen Stil zu verkaufen und sie bei am Ende der Leihfrist günstiger einzusammeln, war nach Ansicht der Vorstandschefs von Goldman Sachs und Morgan Stanley der wesentliche Grund für tägliche Kurseinbußen im hohen zweistelligen Bereich. "Es gibt keine rationale Begründung für die Kursbewegung. Wir stecken in einem Markt, der von Angst und Gerüchten geprägt ist. Shortseller drücken unseren Kurs nach unten", klagte Morgan Stanley-Chef John Mack in einem internen Schreiben an die Mitarbeiter der zweitgrößten US-Investmentbank. Macks Meinung g wurde von vielen Investoren geteilt. "Derzeit scheint alles möglich. Es ist fast so, als ob der Markt das Geschäftsmodell Investmentbank auslöschen will", sagt eine Expertin der BNP Paribas. Gegen Shortseller die falsche Nachrichten gestreut haben, um daran zu verdienen, will jetzt der New Yorker Staatsanwalts Andrew Cuomo massiv vorgehen. Er kündigte an, dass die Staatsanwaltschaft mit einer umfangreichen Untersuchung der der Leerverkäufe im Umfeld der Ereignisse bei Lehman Brothers, AIG, Morgan Stanley und Goldman Sachs begonnen habe. "Leerverkäufe sind nicht illegal. Aber im Zusammenhang mit dem Verbreiten falscher Informationen, sind sie illegal", warnt der einflussreiche Staatsanwalt. Zuvor hatten große US-Pensionsfonds wie Calpers und der California State Teachers Retirement (Calsters) den Verleih von Aktien der Investmentbanken Morgan Stanley und Goldman Sachs bis auf weiteres eingestellt. Damit folgen die Fonds einer ähnlichen Aktion von 60 weiteren Fonds. Calsters Aktienleih-Programm im Wert von 29 Milliarden Dollar ist eines der größten.
Was ist noch faul im Sektor? Die Kreditausfallversicherungern (Credit Default swaps, CDS) sind das zweite große Problem des Fuianzsektors. Wesentlicher Auslöser der Schockwellen, die mühelos die Grenzen in den Finanzmärkten überwinden ist die Schieflage des größten US-Versicherungskonzerns American International Group. Denn der größte US-Versicherungskonzern ist auch eine große Nummer im globalen 62-Billionen-Dollar-Geschäft mit Versicherungspolicen gegen Kreditausfälle und Zahlungsunfähigkeit, sogenannte Credit Default Swaps (CDS). AIGs Schwierigkeiten ihn diesem Geschäft kurzfristig frisches Kapital reinzuholen – in Schätzungen werden 70 Milliarden Dollar genannt – lösten nach langem politischen Tauziehen eine Rettungsaktion der US-Regierung aus. Mit Geld amerikanischer Steuerzahler gewährte die Regierung dem Konzern einen 85 Milliarden Dollar Kredit und sicherte sich achtzig Prozent der Anteile am Konzern. Zudem bekam das Unternehmen einen neuen Chef. Überwunden ist die Krise und ihre Wirkung auf die globale Finanzbranche damit noch lange nicht. Seine knapp 972 Milliarden Dollar Verbindlichkeiten aus dem klassischen Versicherungsgeschäft hat AIG über Vermögenswerte von knapp mehr als 1000 Milliarden Dollar abgesichert. Was Investoren weltweit inzwischen jedoch den Schlaf raubt, ist das Kreditderivateportfolio. Dort muß AIG zusätzliche Ausfallrisiken im Gesamtwert von 447 Milliarden Dollar abdecken. "Von diesem Portfolio geht ein erhebliches Risiko aus", warnt Sean Egan, Mitgründer der US-Rating-Agentur Egan-Jones Rating. Auf der sicheren Seite sind bisher dagegen die europäischen Versicherer. Die Gesamtsumme der Risiken aus den Schieflagen von AIG, der Hypothekenbanken Freddie Mac und Fannie und der Pleite von Lehman Brothers schätzt die britische Investmentbank Fox-Pitt Kelton auf knapp 9,4 Milliarden Euro.
Das meiste davon, etwas mehr als acht Milliarden Euro (siehe Investor’s Info) sind Schuldverschreibungen. "Die Risiken für europäische Versicherer sind niedrig", sagt Fox-Pitt-Kelton-Analyst Raghu Hariharan. Einen Fall wie AIG werde es in Europa nicht geben, sagen die Analysten unisono. Außer Swiss Re sei kein europäischer Konzern in der Vergabe von Policen gegen Kreditausfälle engagiert. Und das CDS-Portfolio der Schweizer im Wert von 2,2 Milliarden Schweizer Franken sei durch die 6,6 Milliarden Kapitalreserve des Konzerns gut abgesichert, sagen die Experten der kleinen britischen Bank.
Die alte Wall Street gibt es nicht mehr. Die neue Wall Street wird anders sein und vor allem nicht mehr so mächtig. "Es wird härter", sagt Kenneth Lewis, Chef der Bank of America, die Merrill Lynch den Gang zum Konkursrichter erspart hat. "Es wird weniger Unternehmen geben und wir müssen besser werden in dem, was wir tun."
Die Überlebenden, die sich langfristig vielleicht als Sieger bezeichnen können, sind die großen Universalbanken. Sie verfügen über ein ausbalanciertes Risikoprofil und nutzen die Existenznot der Konkurrenten für Zukäufe. Back zu Basics – zurück zu den Grundlagen, lautet die Devise. Gemeint ist das klassische Bankgeschäft – Geld, das Sparer einzahlen, wird gegen einen höheren Zinssatz verliehen, um damit langfristig Rendite zu erwirtschaften. Laut Notenbanken ist das Volumen des Privatkundengeschäftes bei Geschäftsbanken in den USA in den vergangenen zwölf Monaten um knapp acht Prozent auf 6,9 Billionen Dollar gestiegen, in der Euro-Zone um 13 Prozent auf 6,3 Billionen. Zuwächse, die nicht an die Renditen während des Subprime-Booms heranreichen, dafür aber nachhaltige Erträge versprechen. Jene Banken, die die Risiken des Subprime-Markts rechtzeitig erkannt haben, nutzen die Branchenschwäche, um ihre Macht zu stärken. In Europa ist die Deutsche Bank bei Postbank eingestiegen, die spanische Santander bei der britischen Hypothekenbank Alliance & Leicester. In den USA ist das derzeit vor allem die Bank of America, die die Krise für eine Erweiterung der Macht nutzt. Nach Countrywide Financial, den größten Hypothekenanbieter der USA, hat der Geldriese jetzt Merrill Lynch durch Übernahme vor dem Konkursrichter bewahrt. Mit einer Marktkapitalisierung von 180 Milliarden Dollar steigt die Bank of America durch Merrill Lynch zur drittgrößten Bank der Welt nach der chinesischen ICBC und der britischen HSBC auf.
Die Folgen des Bankencrashs werden über die Wall Street hinaus wirken, warnen Experten. "Die Krise des Finanzsystems wird aller Voraussicht nach eine rasche Erholung der US-Wirtschaft verhindern. Nach der für die zweite Jahreshälfte absehbare Vollbremsung des Wachstums ist auch 2009 eine starkunterdurchschnittliche Konjunkturdynamik zu erwarten", warnt die Commerzbank.
Die nächsten Opfer nach den Investmentbanken könnten Unternehmen sein, die in den vergangenen Jahren aggressiv auf Fremdkapital gesetzt haben. "Wer hohe Schulden hat, wird Probleme bekommen, denn Kredite werden knapper. Unternehmen mit soliden Bilanzen hingegen haben die Chance, gestärkt aus der Krise hervorzugehen "", warnt Berndt Fernow von der Landesbank Baden-Württemberg.
Ein Konjunktureinbruch in den USA würde Europa und den Rest der Welt treffen. Dennoch warnen Volkswirte vor übereilten Pessimismus: "Wir meinen vor allem, dass die Auswirkungen der amerikanischen Turbulenzen auf die deutsche Konjunktur weniger dramatisch sind, als es angesichts der rückläufigen Börsenkurse zu sein scheint. Die deutsche Konjunktur kann den zusätzlichen aktuellen Herausforderungen gut trotzen", sagt Thomas Straubhaar, Chef des Hamburgischen Wirtschaftsinstituts. Dennoch werde sich die Konjunktur in Deutschland eintrüben: "Diese Abschwächung wird vor allem das Winterhalbjahr 2008/2009 prägen. Wir werden nach einem schwachen zweiten und möglicherweise einem ebenfalls schwachen dritten Quartal sogar am Rande einer Rezession stehen. Wir sehen also durchaus gewaltige Herausforderungen. Wir glauben aber nicht, dass die Turbulenzen der Finanzmärkte zusätzliche Belastungen für die deutsche Realwirtschaft haben werden", so Straubhaar. Was sollen Anleger jetzt tun? "Es spricht vieles dafür, dass ich die internationalen Aktienmärkte in einer finalen Ausverkaufsphase befinden", urteilt Klaus Deppermann, technischer Analyst der BHF Bank. Ein Grund für seinen Optimismus ist die hohe Volatilität. Die Kursausschläge des auch als Angstindex bekannten V-DAX erreichten in den vergangenen Tagen das Spitzenniveau auf die die Börse in zuletzt mit mehrwöchigen Kurserholungen reagiert hatten. Auch die Kursexplosion des Goldpreises spreche für Panikstimmung. Das wäre ebenfalls ein positives Signal für die Aktienmärkte. Das Rückschlagsrisiko beim S&P 500 taxiert Deppermann auf "maximal 1100 Punkte". Fundamental aber bleiben die Risiken groß. Strategen erwarten, dass die Unsicherheit an den Aktienmärkten weiter anhalten wird. "Die Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft dürfen nicht unterschätzt werden. Angesichts der Risiken sind die Gewinnschätzungen für die Unternehmen noch immer deutlich zu hoch", warnt Carsten Klude von der Privatbank M.M. Warburg. Derzeit gehen die Analysten für die Unternehmen des DAX für das kommende Quartal von einem Gewinnwachstum von über 15 Prozent aus, bei amerikanischen S&P 500 sogar von mehr als 25 Prozent. Die niedrige Bewertung des DAX, dessen durchschnittliches Kurs/Gewinn-Verhältnis in der vergangenen Woche unter elf rutschte, ist also nur eingeschränkt aussagekräftig.
Die Berichtssaison im dritten Quartal, deren Hautphase am 7. Oktober mit dem Aluminiumhersteller Alcoa beginnen wird, gilt als Härtetest für die Widerstandskraft der Unternehmen. Im amerikanischen S&P 500 hatten im zweiten Quartal noch zwei Drittel der Unternehmen die Erwartungen erfüllt oder übertroffen.
Das Drama der letzten Tage könnte die Wende einleiten. Markus Reinwand von der Helaba weist daruf hin dass das Ausverkaufsszenario alle Elemente einer Umkehrsitution an den Börsen enthält. Die Kursrückschläge in den vergangenen Wochen, begleitet von steigenden Umsätzen an den Börsen, sind Zeichen für einen klassischen Ausverkauf an den Märkten. Die Nervosität der Investoren, die von der impliziten Volatilität an den Aktienmärkten angezeigt wird, entspricht der vor früheren Ausverkaufsszenarien. Im Schnitt betrugen die Verluste des S&P 500 in der Börsen-Baisse rund 24 Prozent. Aktuell beträgt das Minus bei dem Börsenbarometer zum seinem Kurshoch gut 26 Prozent.