Die Lage bleibt für Lucent weiterhin kritisch. Die Rückkehr zur Profitabilität in den verbleibenden Aktivitäten wird durch die aktuelle Konjunkturentwicklung und die nach wie vor schwache Nachfrage der Netzwerkbetreiber nicht erleichtert. Darüber hinaus hat sich die Liquiditätsposition trotz der Verkäufe von Immobilien, Produktionsanlagen und der Ausgabe einer Wandelanleihe nicht wesentlich verbessert. Vor diesem Hintergrund sehen wir kurzfristig weder einen Turnaround noch ein attraktives Angebot für eine Lucentübernahme. Highlights:
Größter US-Hersteller für Telekom-Equipment
Mit den Bell Labs verfügt das Unternehmen über ein weltweit anerkanntes und führendes Entwicklungszentrum
Einbeziehung der Bell Labs in militärische Forschungsprojekte erschwert Übernahme durch bzw. Fusion mit ausländischen Unternehmen
Umfangreiches Restrukturierungsprogramm nochmals erweitert
Immobilien und Wachstumssegment Glasfasertechnik sollen zur Liquiditätsbeschaffung verkauft werden
Herabstufung der Verbindlichkeiten auf Junk-Bond-Niveau durch Standard&Poors
Agere-Spinoff verschoben
Im vierten Quartal hat Lucent erneut die Erwartungen verfehlt. Bei einem Umsatzrückgang auf 5,16 Mrd. USD (-28,1%) wies das Unternehmen einen Verlust je Aktie vor Sonderposten von 0,27 USD aus. Nach Konsensusschätzung war lediglich ein Verlust von 0,23 USD bei einem Umsatz von 5,44 Mrd. USD erwartet worden. Nach Sondereinflüssen insbesondere durch Restrukturierungsaufwendungen von 8 Mrd. USD lag der Nettoverlust bei 8,8 Mrd. USD. Im laufenden Quartal erwartet das Unternehmen nochmals einen Umsatzrückgang, bevor im zweiten Quartal wieder ein sequenziell ansteigendes Geschäftsvolumen prognostiziert wird. Der angekündigte Verkauf der Glasfasersparte an Furukawa wird aufgrund von Problemen auf Käuferseite auf den 16. November verschoben. Eine Nachverhandlung des Kaufpreises wird bisher ausgeschlossen. Möglich ist jedoch, dass Furukawa weniger Mitarbeiter der Produktionsstätten übernimmt. (30.10.2001)
Lucent hat im dritten Quartal die Erwartung sowohl beim Umsatz als auch beim Ergebnis (Pro-Forma-Verlust je Aktie 0,35 US-$ gegenüber Konsensus von -0,22 US-$/Aktie) verfehlt. Auf operativer Seite konnte der Pro-Forma-Verlust jedoch um 10% auf 1,65 Mrd. US-$ reduziert werden. Die bisherigen Restrukturierungsmaßnahmen werden angesichts des Marktumfeldes nicht mehr als ausreichend angesehen. Daher sollen u.a. weitere Mitarbeiter (bis zu 20.000) entlassen werden. Damit soll nun nahezu jeder zweite Mitarbeiter in diesem Geschäftsjahr durch Entlassungen, Frühpensionierungen und durch den Verkauf von Unternehmenseinheiten samt Personal das Unternehmen verlassen. Das Management plant für das laufende Quartal weitere Restrukturierungskosten i.H.v. 7 bis 9 Mrd. US-$. Dies entspricht jedoch nicht den Konditionen des im Februar von mehreren Banken bereitgestellten Milliardenkredits, so dass hier Neuverhandlungen notwendig sind. In diesem Zusammenhang wird sich auch die endgültige Abspaltung von Agere Systems um 6 Monate verzögern. Damit muss die Steuerfreiheit dieses Vorgangs für die US-Anleger mit den amerikanischen Steuerbehörden neu ausgehandelt werden. Andererseits ist auch eine zweite Emission an Stelle der "Ausschüttung" an die eigenen Aktionäre nicht auszuschließen. Um die angespannte Liquiditätslage zu entlasten, hat sich Lucent darüber hinaus zur Einstellung der Dividendenzahlungen entschlossen. Tendenziell positiv ist dagegen der - vorbehaltlich der Zustimmung der notwendigen Behörden - vereinbarte Verkauf der Glasfasersparte für 2,75 Mrd. US-$ an Furukawa Electric und Corning sowie der Verkauf einer Produktionsstätte an Celestica. Dieser kanadische Auftragsfertiger wird eine weitere Produktionsstätte von Lucent leasen und zahlt insgesamt 550-650 Mio. US-$ für Produktionsanlagen und zu übernehmende Lagerbestände. Im Gegenzug verpflichtete sich Lucent zur Abnahme der nun durch Celestica für Lucent gefertigten Produkte über 10 Mrd. US-$ verteilt über die nächsten fünf Jahre. (25.07.2001)
Perspektiven
Aufgrund von Fehleinschätzungen der Marktentwicklung verliert Lucent derzeit zunehmend Marktanteile im Geschäft mit Netzbetreibern. Lediglich im Mobilfunksegment konnte zuletzt der Umsatz gesteigert werden. Dies dürfte sich jedoch im laufenden Geschäftsjahr kaum wiederholen, da mit dem Rückzug aus dem nordamerikanischen GSM-Netzaufbau ein milliardenschwerer Auftrag im Wesentlichen an die skandinavische Konkurrenz ging. Um die Umsatzentwicklung zu stabilisieren und insbesondere den Umsatzanteil außerhalb Nordamerikas zu erhöhen, geht Lucent trotz der knappen Liquidität mit "attraktiven" Finanzierungsangeboten für den Aufbau der UMTS-Netze auf die europäischen Telekommunikationsgesellschaften zu. So wird dem 3G-Konsortium (Telefonica und Sonera) für den Netzaufbau in Deutschland Equipment für 780 Mio. US-$ geliefert bei einer Finanzierungszusage in doppelter Höhe. Diese Vorgehensweise ist angesichts der ohnehin schon angespannten Liquiditätslage bei Lucent sehr kritisch zu beurteilen und u.E. nicht lange durchzuhalten. Signifikante Marktanteilsgewinne im europäischen Markt halten wir daher für unwahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund - in Verbindung mit den derzeit erwirtschafteten Verlusten - kommt die Herabstufung der Verbindlichkeiten auf Junk-Bond-Niveau durch die Ratingagenturen nicht überraschend.
Zur Verbesserung der Liquiditätssituation plant das Unternehmen nach dem Börsengang der Mikroelektronik-Tochter Agere Systems und dem angekündigten Verkauf der Glasfasersparte u.a. an Furukawa weitere Asset-Verkäufe. Angesichts der derzeitigen Marktverfassung ist der Zeitpunkt für den Verkauf alles andere als günstig, so dass nicht die erwarteten Verkaufspreise erzielt werden konnten. Daneben sollen Immobilien verkauft und anschließend die weitere Nutzung über Leasingabkommen gesichert werden. Die ursprünglich für den September geplante Abspaltung der Tochter Agere Systems ist derzeit verschoben. Möglicherweise soll die Trennung von den weiteren Anteilen über eine zweite Emission erfolgen, um sich weitere Liquidität zu beschaffen.
Das im Januar vorgestellte und im Juli erweiterte Restrukturierungsprogramm umfasst u.a. die Verschlankung der Produktpalette, die Halbierung der Mitarbeiterzahl durch Kündigung, Vorruhestand, natürliche Fluktuation sowie durch Outsourcing bzw. den Verkauf von Unternehmensteilen samt Mitarbeitern. Lucent erwartet jährliche Kosteneinsparungen von 4 Mrd. US-$, von denen bereits zum Ende des Geschäftsjahres 60% umgesetzt sind. Dabei ist der mögliche Abschreibungsbedarf durch Forderungsausfälle nicht berücksichtigt.
Die Fusion mit Alcatel scheiterte an der Besetzung eines gemeinsamen Managements und damit der Unternehmenskontrolle. Lucent hatte zu diesem Zeitpunkt wohl eine Bewertung ohne Prämie lediglich unter der Bedingung eines "mergers-of-equals" akzeptiert. In den Gesprächen mit Alcatel wurden andererseits Probleme offensichtlich, wie z.B. der Verkauf der Bell Laboratories an ein ausländisches Unternehmen. Angesichts der starken Verflechtung mit dem US-Militär ist ein ausländischer Eigentümer für die Bell Labs - wenn überhaupt - nur unter starken Auflagen seitens der US-Regierung zu erwarten. Andere potenzielle Interessenten dürften daher ebenfalls kaum bereit sein, einen Aufschlag zu bezahlen. (30.10.2001)
Kurzportrait
Lucent Technologies Inc. ist eines der weltweit führenden Unternehmen im Bereich der Telekommunikationstechnologie. Die bisherige Erfolgsstory des noch jungen Unternehmens basierte auf über 100 Jahren Erfahrung (1996 Spin-off von AT&T !). Highlights der Unternehmensentwicklung bedeuteten sehr oft auch "Meilensteine" in der Telekommunikationstechnik (erste Fernverbindung, erste Interkontinentalverbindung, erstes Wähltelefon, erste Telefonverbindung per Seekabel über den Atlantik sowie das erste kommerzielle Lichtwellenleiter-Kommunikationssystem). Das heutige Unternehmen mit seinen (Noch-) Geschäftsfeldern im Überblick:
Bell Labs: Das Forschungs- und Entwicklungszentrum von Lucent (benannt nach Alexander Graham Bell, dem Entwickler des ersten Telefons) ist der Garant für innovative Entwicklungsverfahren. 11 Nobelpreisträger forschten in diesem Zentrum, das durchschnittlich 3 neue Patente pro Tag hervorbringt. Zu den bekannteren Erfindungen gehören der Transistor, der Laser, die Solarzelle, das Mobiltelefon und der Kommunikationssatellit.
Network Systems: Lucent bietet ein umfassendes Angebot an integrierten Lösungen für Mobil- und Festnetzbetreiber an. Die Produktpalette umfaßt Technologie und Dienstleistungen für Netzinfrastrukturen wie z.B. Daten-Netzwerke, Video-Netzwerke, Netzanschlüsse bzw. -verbindungen, drahtlose Netzwerklösungen, Server- & Kommunikationsplattformen, Internetlösungen, intelligente Netzmanagementsysteme, Glasfaserkabel und Verkabelungssysteme sowie Service- und Software-Lösungen.
Agere Systems (ehem. Sparte Mikroelektronik, Beteiligung noch 58%): Für nahezu alle großen Hersteller von Kommunikations- und Computersystemen entwickelt das Unternehmen auf die unterschiedlichsten Aufgabenbereiche zugeschnittene optoelektronische Bauteile, digitale Signalprozessoren, integrierte Schaltkreise und PC-Telefon-Produkte, um nur einige zu nennen.
Broadband Networking : Dieser Bereich der Netzwerk-Technologie (z.B. Netzwerk über TV-Kabel) wurde durch die Übernahme von Ascend Communications Inc. um den Bereich der paketorientierten Netzwerktechniken (Switching-Technologie) ergänzt.
Zum Geschäftsjahresende per September 2001 belief sich die Bilanzsumme auf rund 34 Mrd. US-$. Das Unternehmen beschäftigte noch rund 77.000 Mitarbeiter (ohne die Mitarbeiter bei Agere Systems).
Quelle: Dresdner Bank
mfg
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