Händler hoffen auf Trendwende
Von Peter Kleinort und Andreas Albert, Hamburg
Der Neue Markt hat am Freitagabend nach dünnen Umsätzen deutlich fester geschlossen. Ein gemischtes Bild boten die Medienwerte.
Der Nemax 50 schloss mit einem Zuwachs von 5,65 Prozent bei 1189 Punkten. Der Nemax All Share gewann 3,73 Prozent auf 1215 Punkte. Der Neue Markt wird nach Händlereinschätzung seine Aufwärtsbewegung in der kommenden Woche fortsetzen. "Es scheint, dass die Überverkauft-Situation erst einmal weg ist. Kurzfristig kann der Nemax 50 bis auf 1400 Punkte steigen", sagte ein Frankfurter Aktienhändler. Charttechnisch sei der Blue-Chip-Index aus dem kurzfristigen und sehr steilen Abwärtstrend nach oben ausgebrochen.
Auch von den viel beachteten US-Börsen seien in der kommenden Woche weniger störende Einflüsse zu erwarten, hieß es im Wochenausblick der Analysten der DG Bank. Drei Viertel der US-Firmen hätten nunmehr ihre Quartalszahlen vorgelegt. Dabei wurden in der Regel die zuvor nach unten revidierten Prognosen übertroffen, ohne dass die Firmen gleichzeitig optimistische Ausblicke lieferten. Spätestens ab Oktober rechnet die DG Bank mit einer deutlichen Erholung der deutschen Aktienmärkte. Bereits in der kommenden Woche sei mit einer Gegenreaktion auf die starken Verluste der Vorwochen zu rechnen.
Brokat angeschlagen
Im Mittelpunkt des Handels standen neben den Direktbanken die Titel der finanziell angeschlagenen Brokat. Abschreibungen auf die zuvor übernommenen Firmen führen bei Brokat nach vorläufigen Zahlen zu einem Nettoergebnis von minus 825 Mio. Euro. Das nährte bei Börsianern Zweifel, ob das Unternehmen ohne Investor lange überleben könne. Der Kurs konnte sich nach massiven Verlusten im Handelsverlauf leicht erholen und schloss mit Abschlägen von 15,73 Prozent bei 2,25 Euro. Das bisherige Jahrestief lag bei 1,70 Euro.
Das Indexschwergewicht BB Biotech hat nach eigenen Angaben im ersten Halbjahr des laufenden Jahres einen Verlust von 246.000 Schweizer Franken (Vorjahreszeitraum plus 1,321 Mrd. Schweizer Franken) verzeichnet. Der viertschwerste Wert des Neuen Marktes schloss bei sehr dünnen Umsätzen 2,87 Prozent fester bei 80,55 Euro.
Ebenfalls fester gingen die drei deutschen Direktbanken am Neuen Markt aus dem Handel. Die Commerzbank-Tochter Comdirect stieg um 16,85 Prozent auf 9,43 Euro. Consors erhöhten sich um 4,21 Prozent auf 14,85 Euro. Und die Titel der Direkt Anlage Bank verteuerten sich um 11,83 Prozent auf 15,60 Euro. Händler sagten, die insgesamt freundliche Stimmung an den Aktienmärkten belebe die zuletzt stark unter Druck geratenen Direktbanken.
EM.TV fährt Achterbahn
Eine Achterbahnfahrt vollführten die Aktien von EM.TV. Die Papiere waren im Handelsverlauf bis auf 5,50 Euro gestiegen. Die Aktie schloss mit einem Verlust von 30,02 Prozent auf 3,10 Euro als schwächster Wert am Neuen Markt. Händler begründeten den Absturz mit Gewinnmitnahmen. Am Nachmittag hatte EM.TV einen weiteren Beteiligungsverkauf angekündigt. Im Rahmen der Neuausrichtung sollen 41,9 Prozent an Theatro Centro verkauft werden. Ein Preis wurde nicht genannt. Einen Dämpfer bekam EM.TV von den Analysten der Landesbank Baden-Württemberg. Sie haben ihre Anlageempfehlung "Verkaufen" nach Vorlage der Quartalszahlen bekräftigt. Demnach halten sie die Aktie für kurz- wie langfristig gleichermaßen unattraktiv. Die aktuelle Börsenbewertung sei zu hoch, hieß es am Freitag. Neben den Ertragsbelastungen durch Restrukturierungsmaßnahmen verwiesen sie auf die niedrige Eigenkapitalquote und die Ungewissheit über die künftige strategische Ausrichtung als weitere belastende Faktoren. Die personelle Veränderung im Vorstand bewerteten sie positiv.
Übernahmefantasie beflügelt Advanced Medien
Advanced Medien mussten im Handelsverlauf einen Teil der enormen Gewinne wieder abgeben, konnten jedoch am Abend wieder zulegen und behaupteten mit einem Zuwachs von 60,47 Prozent auf 0,69 Euro ihre Position als Spitzenreiter am Neuen Markt. Händler sagten, es handele sich um eine typische Penny-Stock-Situation. Spekulanten würden den Kurs treiben, um kurzfristige Gewinne zu realisieren. Andere Händler sprachen von Übernahmespekulationen, die den Kurs zeitweise um mehr als 111 Prozent auf 0,91 Euro steigen ließen. "Kurzfristig ausgerichtete Anleger spekulieren hier, wie bereits gestern und in den Vortagen bei den anderen Medienwerten wie RTV (minus 22,97 Prozent auf 1,61 Euro) auf eine Übernahme durch EM.TV", sagte ein Händler. Besonders private Anleger mit einem relativ kurzen Anlagehorizont von wenigen Wochen, aber auch einige institutionelle Investoren bauen Händlern zufolge nun Positionen auf. Die Umsätze fielen mit rund 605.000 auf Xetra gehandelten Stücken überdurchschnittlich hoch aus.
Etwas besser als von Analysten erwartet waren die Zahlen der Beratungsgesellschaft SAP System Integration (SAP SI). Der Fehlbetrag sei auf 9,68 Mio. Euro von 16,09 Mio. Euro gesunken. Der Umsatz sei im ersten Halbjahr um 48 Prozent gestiegen. "Mit dem Auftragsbestand sollte das Umsatzziel in diesem Jahr erreicht werden", sagte eine Analystin. Die Aktie verteuerte sich um 5,38 Prozent auf 23,50 Euro.
Micronas legt nach Microsoft-Auftrag zu
Große Gewinne verbuchten auch die Papiere von Travel24.com (plus 42,86 Prozent auf 1,40 Euro) und Amatech mit einem Aufschlag von 49,15 Prozent auf 0,88 Euro. Die Aktien des Schweizer Halbleiter-Herstellers Micronas Semiconductor stiegen nach Bekanntgabe eines Großauftrags von Microsoft. Das Unternehmen soll den Audio-Steuerungsbaustein für die Spielekonsole "X-Box" zuliefern. Die Aktie legte 20,87 Prozent auf 15 Euro zu. Nach dem jüngsten Kurssturz sei wieder Fantasie in der Aktie, sagte ein Händler.
Der Chipkarten Spezialist ACG musste einen Kursabschlag von 8,87 Prozent auf 6,47 Euro hinnehmen. Marktbeobachter rätselten über die negative Kursentwicklung. "Von Unternehmensseite liegen keine Nachrichten vor", sagte ein Händler. Die Verluste seien möglicherweise auf Glattstellungen vor dem Wochenende zurückzuführen.