TV-Rededuell mit dem Publikum brachte Gore die Hausse und Bush den Crash
Von Hubert Wetzel, Washington
Wenn der Markt nicht lügt, dann hat Al Gore die dritte US-Präsidentschaftsdebatte klar gewonnen. Mit 47,9 Cent notierte die 1-$-Aktie des Demokraten am Dienstagabend um 21 Uhr an der Internet-Wahlbörse der Universität von Iowa. Eineinhalb Stunden später war der Kurs auf 53 Cent gestiegen.
US-Wahlkampf
Gores Hausse war Bushs Crash: Die Aktie des Republikaners fiel während des 90-minütigen Schlagabtausches um zehn Prozent, von 52 auf 47 Cent. Gore, so das Urteil der Anleger, hat die letzte Runde im Kandidaten-Duell für sich entschieden.
Die Aktie der George W. Bush AG rutschte am "Iowa Election Market" von Anfang an. Das Wahlteam des Republikaners hatte offenbar unterschätzt, mit wie viel Angriffslust der Demokrat in das letzte Duell gehen würde. Als die ersten beiden Fragen das Thema Gesundheitspolitik anschnitten, klassisches demokratisches Terrain, überrumpelte Gore seinen Gegner mit einem Hagel von Vorwürfen: von dessen mangelnder Unterstützung für ein Gesetz, das Patienten mehr Rechte gibt, bis zur altbekannten Anschuldigung, Bush sei eigentlich nur eine Marionette von "Big Drug", der bösen, raffgierigen Pharmaindustrie.
"Ich werde für Euch kämpfen"
"Wenn Sie jemanden wollen, der viel rumredet, dann aber im Interesse von Big Drug entscheidet - da sitzt ihr Mann", hämmerte Gore den Zuschauern ein, zeigte auf den Republikaner und schob seinen bekanntesten Wahlkampfspruch nach: "Ich werde für Euch kämpfen." Die Phrase "Da sitzt ihr Mann!" verwendete er später noch mal, so gut gefiel sie ihm. Bush erklärte seinen Gesundheitsplan, verteidigte sich, allerdings zu schwach. Nur 15 Minuten nach dem Beginn der Debatte hatte Gores Aktienkurs bereits um 1,5 Cent zugelegt, Bushs stagnierte.
Und die Hausse ging weiter. Zweiter Fragenblock: Bildungspolitik, ein Thema, bei dem sich Bush auskennt und gute Ideen hat. Aber der Republikaner blieb nicht beim Punkt. Als seine zwei Minuten Redezeit abgelaufen waren, übernahm Gore und machte, was er gerne macht: Er erklärte seinem Rivalen Bushs Bildungsplan. Der Republikaner sah aus, als höre er einige Details zum ersten Mal. Um 21.30 Uhr notierte Al Gore in Iowa bei 48,5 Cent, Bushs Aktie war auf 50 Cent gefallen.
Die nächste Vorlage lieferte Bush selbst. Wie schon in der zweiten Debatte griff er Gore als "big spender" an, als typischen linksliberalen Demokraten, der den Leuten das Geld aus der Tasche wegbesteuert und in riesige, teure Regierungsprogramme steckt. Anders als beim letzten Duell hatte Gore diesmal freilich eine Antwort parat, bei der er nicht nur sich als konservativen Haushaltspolitiker darstellen, sondern auch noch seine Kritik an Bushs Steuerplan anbringen konnte: Der Republikaner wolle den Reichsten der Reichen ein enormes Steuergeschenk machen. "Ich will jedes Jahr einen ausgeglichenen Haushalt, die Staatsschuld abbauen, mein Haushalt ist der kleinste seit Jahrzehnten", konterte Gore.
Und weil Bush schon zugab, dass von seiner Steuersenkung auch die Reichen profitieren würden, blickte Gore dem Mittelklassepublikum im Saal in die Augen, versprach Steuersenkungen und sagte noch mal: "Ich werde für Euch kämpfen." Um 21.45 war Bushs Kurs auf 49,9 Cent abgesunken, Gore lag bei 48,6 Cent.
Gore blieb beinhart
Was immer Bush auch versuchte, er konnte kaum gegen den Demokraten punkten. Gore war der beinharte Debattierer, als der er immer gegolten hatte. Er setzte nach, stellte Bush Fragen - ein Verstoß gegen die Debattenregeln - und ratterte sein Programm herunter. Der Demokrat, der mit einem leichten Rückstand in den Umfragen in die Debatte gegangen war, wusste, dass dies die letzte Chance war, sich einem Millionenpublikum zu präsentieren.
Entsprechend entschlossen trat er in den Ring und kämpfte. George W. Bush landete nur bei einem Thema Treffer: bei seinen Angriffen auf das vergiftete politische Klima in Washington. Dies verhindere eine Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg und damit echte politische Fortschritte.
Den bitteren Ton wolle er als Präsident ändern, wie er es als Gouverneur in seinem Heimatstaat Texas gemacht habe. "Es sind nicht die Themen, die Leute von der Politik fern halten, es ist der Ton", sagte er - der streitsüchtige, rechthaberische Ton, den Gore hier und heute anschlägt, meinte er. Ob dieser Vorwurf beim Wähler zieht, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.
Die Anleger am "Iowa Election Market" störte Gores Ton nicht. Punkt 22 Uhr stieg der Kurs des Demokraten auf 49,7 Cent - und lag damit erstmals über dem des Republikaners (49,5 Cent). In den nächsten 45 Minuten legte Gores Aktie weiter zu, Höchststand am Dienstagabend waren glatte 55 Cent um 22.45 Uhr. Danach nahmen offenbar ein paar Anleger ihr Gewinne mit, was Gores Aktie wieder sinken ließ. Am Mittwochmorgen hatte sich der Kurs eingependelt: Rund 51 Cent wurden für Gore bezahlt, etwa fünf Cent mehr als für Bush. Der Demokrat hatte die Debatte gewonnen, aber noch lange nicht die Wahl.