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Von Markus Verbeet
Schummeln steht bei Studenten immer noch hoch im Kurs. Der akademische Nachwuchs von heute spickt aber nicht nur beim Nachbarn im Hörsaal, sondern nutzt moderne Technik, umso wenig wie möglich zu arbeiten. Pech, wer sich dabei erwischen lässt.
Geschummelt wird mit modernster Technik
Einmal abschreiben - und Good Bye! In den Vereinigten Staaten kennen Professoren keine Gnade mit Studenten, die sich bei Kommilitonen mehr als nur Inspiration geholt haben. "An US-Unis ist das Plagiat ein Grund, sofort und ohne Rückgabe der Gebühren exmatrikuliert zu werden", sagt Ian Kaplow, amerikanischer Dozent an der TU Berlin. Außerdem erfolgt der Rauswurf nicht klammheimlich, sondern mit großem Tamtam. "Das wird bekannt gegeben, und zwar in Großbuchstaben", sagt Kaplow.
Als der Amerikaner seine Lehrtätigkeit an der TU Berlin aufnahm, musste er gleich sein Bild von deutschen Universitäten gerade rücken. Schon die erste Hausarbeit, die ihm zur Korrektur vorgelegt wurde, war eine Fälschung. Kaplow verfuhr nach amerikanischem Muster und veröffentlichte den Fall in der Hochschulzeitung. Dafür erntete er nicht nur Lob. "Ich habe wohl einiges zur Sprache gebracht, worüber ansonsten Stillschweigen bewahrt wird." Die Fälschung der Studentin enttarnte er innerhalb weniger Minuten, das Original fand sich im Internet. Mit Hilfe des WWW kann es laut Kaplow eine Sache weniger Minuten sein, eine Hausarbeit anzufertigen: "Klicken, speichern, ausdrucken."
Verhaltenskodex für Erstsemester
Dass Pfusch an der Uni auch unter Studenten geahndet wird, ist in Deutschland noch die Ausnahme. Den Dozenten schaut man dagegen schon viel strenger auf die Finger: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat eigens einen fünfköpfigen Ausschuss gebildet, der darüber wachen soll, dass Professoren nur mit ehrlichen Mitteln arbeiten. Betrug in der Wissenschaft soll damit verhindert werden.
Den Mitgliedern dieses Ausschusses ist jedoch bewusst, dass auch Hochschüler nicht immer redlich sind. "Die Einstellung dieser Studenten halte ich für untragbar", klagt Walter Neupert. Der Münchner Professor würde am liebsten schon auf die Erstsemester einwirken. Neupert wünscht sich "einen Verhaltenskodex mit einer klaren Darstellung der Konsequenzen, den die Studenten bei der Immatrikulation mit auf den Weg bekommen".
Die Versuchung für den akademischen Nachwuchs, den Weg zur fertigen Hausarbeit gehörig abzukürzen, ist heute größer denn je - es lockt das Internet. Eine Vorlage ist schnell gefunden, etliche Anbieter im Netz sammeln fertige Arbeiten, um sie dann zum kostenlosen Download anzubieten. 15.000 Texte aus 175 Fachbereichen finden sich etwa beim Marktführer www.hausarbeiten.de, der auch Partner von Uni-SPIEGEL ONLINE ist. Gründerin Tanja Hammer weiß um den möglichen Missbrauch und beeilt sich zu versichern: "Nach einer Umfrage schummeln nur vier Prozent unserer Nutzer."
Informieren statt kopieren
Nur alle paar Monate erreicht sie der Hilferuf eines Schummlers: Ich stehe unter Verdacht, bitte nehmt das Original aus dem Netz! "Aber das machen wir nicht", sagt Tanja Hammer, die als Juristin mit dem Tatbestand des Betrugs bestens vertraut ist. Auf ihren Seiten wird vielmehr Professoren angeboten, bei der Aufdeckung der Mogeleien zu helfen. Und an alle Nutzer wird appelliert: "Informieren - nicht kopieren!"
Dennoch hält Michael Dreyer von der Universität Jena solche Online-Sammlungen "für eine echte Krux". Ihm sind "eine ganze Reihe" von Missbrauchsfällen bekannt. Der Politologe musste selbst erfahren, dass Theorie und Praxis an der Universität weit auseinander klaffen können. "Da rede ich in meinem Kurs über Ethos in der Wissenschaft", sagt Dreyer, "und als ich danach einen kleinen Test mache, in dem es um überhaupt nichts geht, schreiben einige voneinander ab."
Die Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft haben Schummlern den Kampf angesagt: Demnächst sollen Studenten am Ende jeder Hausarbeit in einer Eidesstattlichen Versicherung ihre Redlichkeit bekunden. Dreyer hat unterdessen ein eigenes Strafsystem erdacht: "Wenn Dozenten ihre Zeit mit einer Fälschung vergeudet haben, schicken sie den Studenten eine Rechnung wie ein Handwerker."
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© SPIEGEL ONLINE 2001
Von Markus Verbeet
Schummeln steht bei Studenten immer noch hoch im Kurs. Der akademische Nachwuchs von heute spickt aber nicht nur beim Nachbarn im Hörsaal, sondern nutzt moderne Technik, umso wenig wie möglich zu arbeiten. Pech, wer sich dabei erwischen lässt.
Geschummelt wird mit modernster Technik
Einmal abschreiben - und Good Bye! In den Vereinigten Staaten kennen Professoren keine Gnade mit Studenten, die sich bei Kommilitonen mehr als nur Inspiration geholt haben. "An US-Unis ist das Plagiat ein Grund, sofort und ohne Rückgabe der Gebühren exmatrikuliert zu werden", sagt Ian Kaplow, amerikanischer Dozent an der TU Berlin. Außerdem erfolgt der Rauswurf nicht klammheimlich, sondern mit großem Tamtam. "Das wird bekannt gegeben, und zwar in Großbuchstaben", sagt Kaplow.
Als der Amerikaner seine Lehrtätigkeit an der TU Berlin aufnahm, musste er gleich sein Bild von deutschen Universitäten gerade rücken. Schon die erste Hausarbeit, die ihm zur Korrektur vorgelegt wurde, war eine Fälschung. Kaplow verfuhr nach amerikanischem Muster und veröffentlichte den Fall in der Hochschulzeitung. Dafür erntete er nicht nur Lob. "Ich habe wohl einiges zur Sprache gebracht, worüber ansonsten Stillschweigen bewahrt wird." Die Fälschung der Studentin enttarnte er innerhalb weniger Minuten, das Original fand sich im Internet. Mit Hilfe des WWW kann es laut Kaplow eine Sache weniger Minuten sein, eine Hausarbeit anzufertigen: "Klicken, speichern, ausdrucken."
Verhaltenskodex für Erstsemester
Dass Pfusch an der Uni auch unter Studenten geahndet wird, ist in Deutschland noch die Ausnahme. Den Dozenten schaut man dagegen schon viel strenger auf die Finger: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat eigens einen fünfköpfigen Ausschuss gebildet, der darüber wachen soll, dass Professoren nur mit ehrlichen Mitteln arbeiten. Betrug in der Wissenschaft soll damit verhindert werden.
Den Mitgliedern dieses Ausschusses ist jedoch bewusst, dass auch Hochschüler nicht immer redlich sind. "Die Einstellung dieser Studenten halte ich für untragbar", klagt Walter Neupert. Der Münchner Professor würde am liebsten schon auf die Erstsemester einwirken. Neupert wünscht sich "einen Verhaltenskodex mit einer klaren Darstellung der Konsequenzen, den die Studenten bei der Immatrikulation mit auf den Weg bekommen".
Die Versuchung für den akademischen Nachwuchs, den Weg zur fertigen Hausarbeit gehörig abzukürzen, ist heute größer denn je - es lockt das Internet. Eine Vorlage ist schnell gefunden, etliche Anbieter im Netz sammeln fertige Arbeiten, um sie dann zum kostenlosen Download anzubieten. 15.000 Texte aus 175 Fachbereichen finden sich etwa beim Marktführer www.hausarbeiten.de, der auch Partner von Uni-SPIEGEL ONLINE ist. Gründerin Tanja Hammer weiß um den möglichen Missbrauch und beeilt sich zu versichern: "Nach einer Umfrage schummeln nur vier Prozent unserer Nutzer."
Informieren statt kopieren
Nur alle paar Monate erreicht sie der Hilferuf eines Schummlers: Ich stehe unter Verdacht, bitte nehmt das Original aus dem Netz! "Aber das machen wir nicht", sagt Tanja Hammer, die als Juristin mit dem Tatbestand des Betrugs bestens vertraut ist. Auf ihren Seiten wird vielmehr Professoren angeboten, bei der Aufdeckung der Mogeleien zu helfen. Und an alle Nutzer wird appelliert: "Informieren - nicht kopieren!"
Dennoch hält Michael Dreyer von der Universität Jena solche Online-Sammlungen "für eine echte Krux". Ihm sind "eine ganze Reihe" von Missbrauchsfällen bekannt. Der Politologe musste selbst erfahren, dass Theorie und Praxis an der Universität weit auseinander klaffen können. "Da rede ich in meinem Kurs über Ethos in der Wissenschaft", sagt Dreyer, "und als ich danach einen kleinen Test mache, in dem es um überhaupt nichts geht, schreiben einige voneinander ab."
Die Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft haben Schummlern den Kampf angesagt: Demnächst sollen Studenten am Ende jeder Hausarbeit in einer Eidesstattlichen Versicherung ihre Redlichkeit bekunden. Dreyer hat unterdessen ein eigenes Strafsystem erdacht: "Wenn Dozenten ihre Zeit mit einer Fälschung vergeudet haben, schicken sie den Studenten eine Rechnung wie ein Handwerker."
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