Das Kapital: Cisco und der böse Bär
Noch 27 Tage. Dann wäre an der Nasdaq ein neues Allzeithoch fällig, wenn das Feuerwerk ungehemmt weiterginge, das Cisco am Mittwoch angefacht hat. Vergessen wären die letzten anderthalb Jahre. Irre.
Im Ernst: Man kann die Marktreaktion verstehen. Die meisten Werte an der Nasdaq sind technisch extrem "überverkauft". Es sind Leerverkäufe einzudecken. Ohnehin war früher oder später eine Erholung des Marktes fällig, die keiner verpassen möchte. Eine wenigstens vorübergehende Besserung der Wirtschaft ist wegen der geplanten Fiskalmaßnahmen in Höhe von 1,5 Prozent des BIP sowie der extrem expansiven Geldpolitik so gut wie ausgemacht. Zumindest für ein, zwei gute Quartalsergebnisse ist daher gesorgt.
Aber die Heftigkeit der Reaktion kann Skeptiker nur noch skeptischer machen. Was hat Cisco denn gesagt: Dass sie die überaus dürftigen Prognosen für das laufende Quartal erfüllen. Dass sie drei Prozent weniger umsetzen als im Vorquartal, ein Viertel weniger als im Vorjahresquartal. Und dass sie dabei eigentlich kein Geld verdienen, selbst nach eigener Rechnung nicht, was schon was heißen will. Aussagen, die über das laufende Quartal hinaus zielen, gibt es nicht, zumindest keine Ernst zu nehmenden.
Das Bittere dabei ist, dass es einfach nicht möglich zu sein scheint, auch mal zu einem wirklich günstigen Preis an eine an sich attraktive Aktie wie Cisco heranzukommen. Die Bullenmentalität ist noch längst nicht gebrochen. Und deshalb ist der Bärenmarkt noch längst nicht vorbei, selbst wenn die jetzige Bullenfalle über Monate dauern wird.
Cisco hat im Boom des Jahres 2000 ein Fünftel vom Umsatz netto verdient. Das gilt zwar nur nach eigener Rechnungslegung, aber selbst nach US-GAAP waren es 14 Prozent. Für dieses Jahr liegt die - nach Cisco-Definition - geschätzte Marge bei gut sechs Prozent. Wir rechnen mit 20 Prozent und tun so, als ob es echter Profit wäre.
Danach notiert Cisco mit dem 31fachen des Gewinns. Soweit so gut. Aber wir wissen ja nicht, ob Cisco jemals wieder eine Netto-Gewinnspanne von 20 Prozent erzielen wird. Um zu überprüfen, ob ein derart optimistisch gerechnetes KGV von 31 in Ordnung geht, sollte man daher mit einer Risikoprämie rechnen. Sagen wir also, dass wir von Cisco nicht - wie von einer gewöhnlichen Aktie - eine Jahresrendite von acht Prozent verlangen, sondern von zehn Prozent.
Dann müsste der Gewinn ab dem nächsten Geschäftsjahr bis 2012 um jährlich 20 Prozent wachsen, um den momentanen Wert von Cisco fundamental zu unterlegen. Dabei ist eine Ausschüttungsquote von 50 Prozent unterstellt und - wie gesagt - eine dauerhafte Gewinnspanne von 20 Prozent.
Das ist abenteuerlich. Ein Abenteuer muss deshalb eingehen, wer auf weitere massive Kursgewinne bei Cisco setzt. Und es muss gesagt werden: Aberwitzig wie der Markt ist, könnte das Abenteuer lohnend werden.
Dell Computer
Der lang ersehnte Boden scheint gefunden. Dell hat die Vorhersage fürs laufende Quartal bestätigt und peilt einen Gewinn von 15 bis 16 Cent pro Aktie an, in einer Linie mit den Konsensschätzungen. Das ist bemerkenswert, da der Computerhersteller ein abweichendes Geschäftsjahr hat und das dritte Quartal für Dell noch vier Wochen dauert.
Dell ist in vielerlei Hinsicht ein Sonderfall. Die operativen Aufwendungen liegen nur bei rund zehn Prozent vom Umsatz, andere Hersteller kommen auf das Doppelte. Dell verfügt über eine straffe Lagerhaltung und konnte so die Preisnachlässe bei den PC-Bauteilen schnell an die Kunden weitergeben. Dadurch konnte das Unternehmen im vergangenen Quartal seinen Marktanteil nicht nur halten, sondern weiter ausbauen. Das dürfte im laufenden Vierteljahr anhalten. Zudem stammen bei Dell nur 15 Prozent vom Umsatz von Privatkunden, der Branchenschnitt liegt bei 37 Prozent. Gerade die privaten Verbraucher halten sich zurzeit mit PC-Käufen stark zurück.
Auf mittlere Sicht dürften die neue Version von Microsoft-Windows und der nächste Intel-Prozessor dazu führen, dass mehr Computer gekauft werden. Rund 70 Prozent der privaten Verbraucher werden einen neuen PC brauchen, um Windows XP überhaupt starten zu können. Aber noch ist davon wenig zu spüren. CSFB schätzt, dass ein PC nicht mehr wie früher anderthalb bis drei Jahre genutzt wird, sondern vier bis fünf. Damit verlagern sich Umsätze in die Zukunft.
Die meisten Analysten erwarten, ebenso wie Dell, eine deutliche Erholung des Sektors nicht vor Mitte 2002. Und die Wachstumsaussichten sind unklar. Das Niveau von 2000 wird der PC-Absatz jedoch so schnell nicht mehr sehen. Dell kostet rund 0,5-mal den für nächstes Jahr erwarteten Umsatz, klassischerweise die Untergrenze des Sektors im Abschwung. IBM und HP sind einen Tick teurer, Compaq etwas billiger. Es kann noch eine Zeit lang ruppig zugehen, bis alle Werte aufgesetzt haben. Und der Neustart kann auch für Dell noch eine Weile brauchen.
© 2001 Financial Times Deutschland
Noch 27 Tage. Dann wäre an der Nasdaq ein neues Allzeithoch fällig, wenn das Feuerwerk ungehemmt weiterginge, das Cisco am Mittwoch angefacht hat. Vergessen wären die letzten anderthalb Jahre. Irre.
Im Ernst: Man kann die Marktreaktion verstehen. Die meisten Werte an der Nasdaq sind technisch extrem "überverkauft". Es sind Leerverkäufe einzudecken. Ohnehin war früher oder später eine Erholung des Marktes fällig, die keiner verpassen möchte. Eine wenigstens vorübergehende Besserung der Wirtschaft ist wegen der geplanten Fiskalmaßnahmen in Höhe von 1,5 Prozent des BIP sowie der extrem expansiven Geldpolitik so gut wie ausgemacht. Zumindest für ein, zwei gute Quartalsergebnisse ist daher gesorgt.
Aber die Heftigkeit der Reaktion kann Skeptiker nur noch skeptischer machen. Was hat Cisco denn gesagt: Dass sie die überaus dürftigen Prognosen für das laufende Quartal erfüllen. Dass sie drei Prozent weniger umsetzen als im Vorquartal, ein Viertel weniger als im Vorjahresquartal. Und dass sie dabei eigentlich kein Geld verdienen, selbst nach eigener Rechnung nicht, was schon was heißen will. Aussagen, die über das laufende Quartal hinaus zielen, gibt es nicht, zumindest keine Ernst zu nehmenden.
Das Bittere dabei ist, dass es einfach nicht möglich zu sein scheint, auch mal zu einem wirklich günstigen Preis an eine an sich attraktive Aktie wie Cisco heranzukommen. Die Bullenmentalität ist noch längst nicht gebrochen. Und deshalb ist der Bärenmarkt noch längst nicht vorbei, selbst wenn die jetzige Bullenfalle über Monate dauern wird.
Cisco hat im Boom des Jahres 2000 ein Fünftel vom Umsatz netto verdient. Das gilt zwar nur nach eigener Rechnungslegung, aber selbst nach US-GAAP waren es 14 Prozent. Für dieses Jahr liegt die - nach Cisco-Definition - geschätzte Marge bei gut sechs Prozent. Wir rechnen mit 20 Prozent und tun so, als ob es echter Profit wäre.
Danach notiert Cisco mit dem 31fachen des Gewinns. Soweit so gut. Aber wir wissen ja nicht, ob Cisco jemals wieder eine Netto-Gewinnspanne von 20 Prozent erzielen wird. Um zu überprüfen, ob ein derart optimistisch gerechnetes KGV von 31 in Ordnung geht, sollte man daher mit einer Risikoprämie rechnen. Sagen wir also, dass wir von Cisco nicht - wie von einer gewöhnlichen Aktie - eine Jahresrendite von acht Prozent verlangen, sondern von zehn Prozent.
Dann müsste der Gewinn ab dem nächsten Geschäftsjahr bis 2012 um jährlich 20 Prozent wachsen, um den momentanen Wert von Cisco fundamental zu unterlegen. Dabei ist eine Ausschüttungsquote von 50 Prozent unterstellt und - wie gesagt - eine dauerhafte Gewinnspanne von 20 Prozent.
Das ist abenteuerlich. Ein Abenteuer muss deshalb eingehen, wer auf weitere massive Kursgewinne bei Cisco setzt. Und es muss gesagt werden: Aberwitzig wie der Markt ist, könnte das Abenteuer lohnend werden.
Dell Computer
Der lang ersehnte Boden scheint gefunden. Dell hat die Vorhersage fürs laufende Quartal bestätigt und peilt einen Gewinn von 15 bis 16 Cent pro Aktie an, in einer Linie mit den Konsensschätzungen. Das ist bemerkenswert, da der Computerhersteller ein abweichendes Geschäftsjahr hat und das dritte Quartal für Dell noch vier Wochen dauert.
Dell ist in vielerlei Hinsicht ein Sonderfall. Die operativen Aufwendungen liegen nur bei rund zehn Prozent vom Umsatz, andere Hersteller kommen auf das Doppelte. Dell verfügt über eine straffe Lagerhaltung und konnte so die Preisnachlässe bei den PC-Bauteilen schnell an die Kunden weitergeben. Dadurch konnte das Unternehmen im vergangenen Quartal seinen Marktanteil nicht nur halten, sondern weiter ausbauen. Das dürfte im laufenden Vierteljahr anhalten. Zudem stammen bei Dell nur 15 Prozent vom Umsatz von Privatkunden, der Branchenschnitt liegt bei 37 Prozent. Gerade die privaten Verbraucher halten sich zurzeit mit PC-Käufen stark zurück.
Auf mittlere Sicht dürften die neue Version von Microsoft-Windows und der nächste Intel-Prozessor dazu führen, dass mehr Computer gekauft werden. Rund 70 Prozent der privaten Verbraucher werden einen neuen PC brauchen, um Windows XP überhaupt starten zu können. Aber noch ist davon wenig zu spüren. CSFB schätzt, dass ein PC nicht mehr wie früher anderthalb bis drei Jahre genutzt wird, sondern vier bis fünf. Damit verlagern sich Umsätze in die Zukunft.
Die meisten Analysten erwarten, ebenso wie Dell, eine deutliche Erholung des Sektors nicht vor Mitte 2002. Und die Wachstumsaussichten sind unklar. Das Niveau von 2000 wird der PC-Absatz jedoch so schnell nicht mehr sehen. Dell kostet rund 0,5-mal den für nächstes Jahr erwarteten Umsatz, klassischerweise die Untergrenze des Sektors im Abschwung. IBM und HP sind einen Tick teurer, Compaq etwas billiger. Es kann noch eine Zeit lang ruppig zugehen, bis alle Werte aufgesetzt haben. Und der Neustart kann auch für Dell noch eine Weile brauchen.
© 2001 Financial Times Deutschland