Dienstmädchen in Hongkong
Prügel, Putzen, Prügel
Von Andreas Lorenz, Peking
Viele ausländische Hausmädchen - vor allem Philippinas - leben in Hongkong schlechter als Hunde. Sie müssen in Küchenschränken schlafen, werden von ihren Arbeitgebern belästigt und verdienen einen Hungerlohn. Selbsthilfeorganisation versuchen, die Rechte der Frauen zu schützen.
Es wird gebetet, gesungen und geweint im Zentrum von Hongkong: Die katholische
Erweckungsbewegung "El Shaddai" veranstaltet neben dem Regierungsgebäude einen
Straßengottesdienst, seit mehreren Stunden schon. Die rund 1000 Gläubigen sind philippinische Frauen, die weit weg von zu Hause Trost beim lieben Gott suchen.
Geraldine Riego, 28, sitzt abseits der Messe. Sie ist gekommen, um mit Freundinnen
Erfahrungen auszutauschen. Denn der kleine Park an der Connaught-Road zwischen Hongkong Shanghai Bank und dem Mandarin-Hotel ist traditioneller Treffpunkt der Maids oder Amahs, wie die philippinischen Hausangestellten in Hongkong heißen.
Seit einem Jahr arbeitet die gelernte Krankenschwester in einer Ingenieursfamilie, "18 Stunden am Tag, sechs Tage die Woche", berichtet Riego. Sie putzt, kocht, wäscht, kauft ein, hütet zwei kleine Kinder, mit denen sie in einem Zimmer schlafen muss: "Privatsphäre habe ich nicht."
Eine Alternative für ihr Dasein in der Fremde gibt es nicht, sagt Riego. Die Familie muss die Ausbildung des kleinen Bruders finanzieren, sie selbst will sich Geld für das Medizinstudium verd enen. In Hongkong erhält sie den offiziellen Mindestlohn von derzeit 3670 HK-Dollar (knapp 540 Euro) inklusive Kost und Logis, das sind rund 23.000 Pesos: "So viel würde ich als Krankenschwester in Manila nie und nimmer bekommen." Ihr Fazit: "Ich bin glücklich, hier zu
sein."
Die Philippinas, die sich jedes Wochenende zu Zehntausenden im Zentrum Hongkongs versammeln, gehören mittlerweile zum Alltag von Chinas Sonderverwaltungsregion. Rund 160.000 philippinische Frauen arbeiten in der britischen Ex-Kolonie und bilden damit vor Indonesierinnen, Thailänderinnen und Inderinnen die größte Gruppe unter den Ausländern.
Seit die Wirtschaftskrise die Region fest im Griff hält, versuchen immer mehr Frauen aus
Süd- und Südostasien im reichen Hongkong ihr Glück als Haushaltshilfen. Anfang des Jahres hatten hier bereits 237.000 einen Job gefunden. Genug Geld zu verdienen für ein kleines Haus in der Heimat, eine vernünftige Ausbildung der Kinder oder ein emüselädchen - das ist der Traum, den die Amahs in Südchinas Finanzmetropole verwirklichen wollen.
Andere Philippinos verdingen sich in Taiwan, Japan oder in den arabischen Staaten.
Insgesamt sind acht Millionen Frauen und Männer unterwegs - oft wie Sklaven behandelt,
getrennt von Kindern und Ehepartnern sind sie mittlerweile zu einem der wichtigsten
Wirtschaftsfaktoren der Philippinen geworden.
Im Jahr 2000 schickten die rund acht Millionen in aller Welt verteilten philippinischen
Gastarbeiter sechs Milliarden US-Dollar nach Hause. Sie seien wahre "Helden" des Landes, jubelte Präsidentin Gloria Arroyo bei ihrem letzten Besuch in Hongkong - ohne allerdings die Frage zu beantworten, warum die Lage in ihrem Land so katastrophal ist, dass so viele Bürger in der Ferne arbeiten müssen.
Auch für die Hongkonger sind die ausländischen Arbeiterinnen ein Segen: Weil sie sich nicht um Haushalt und Kinder kümmern müssen, können viele Chinesinnen die Chance zur eigenen beruflichen Karriere nutzen. Ihr Verdienst trägt nicht selten dazu bei, die ypotheken für die teuren Wohnungen abzutragen.
Gleichwohl behandeln die Hongkonger die Helferinnen oft als soziale Fußabtreter - woran in einer Stadt, in der Reichtum kein Makel und Armut eine persönliche Schande ist, kaum jemand Anstoß nimmt. Daran hat sich auch nach der Machtübernahme durch Pekings Kommunisten 1997 nichts geändert.
"Die Lage der Haushaltshilfen ist miserabel", sagt Conny Bragas-Regalado von der Selbsthilfeorganisation Vereinigte Philippinos in Hongkong (Unifil). Die meisten verdienen nicht nur weit weniger als die Einheimischen. Manche werden geschlagen, psychisch gequält oder sexuell bedrängt, andere müssen nach ihrem Tagewerk - oft unbezahlt - in den Firmen ihrer Brötchengeber Arbeiten übernehmen. "Es vergeht kaum ein Tag, an dem es nicht zu Missbräuchen kommt", klagt die studierte Sozialarbeiterin Bragas-Regalado, die selbst als Haushaltshilfe arbeitet.
Viele Amahs leben unter unwürdigen Bedingungen im Haushalt ihrer Arbeitgeber. Sie müssen mitunter in der Badewanne oder unter dem Esstisch schlafen. Eine räumt jeden Abend die Tassen aus dem Küchenschrank, in den sie sich verkriecht. "Für ihre Autos und Hunde haben sie mehr Platz als für uns", klagt die Haushaltshilfe Amy aus Manila.
Die Frauen können ohne viel Federlesens von einer Stunde zur anderen gekündigt werden.
Wer nicht innerhalb von 14 Tagen eine neue Stelle findet, muss Hongkong verlassen. Die
eigenen Konsulate verlangen zudem überhöhte Gebühren für die notwendigen Papiere.
Skrupellose Makler nehmen die Frauen aus, indem sie für Arbeitsvermittlung, Flug und Visa gleich mehrere Monatslöhne verlangen. Im Jahr 2000 wurden über 80 Prozent der
Helferinnen gezwungen, mehr als das Doppelte der erlaubten Summen an die Vermittler zu
zahlen, fand Unifil heraus.
Dabei haben es die Philippinas noch besser als die Amahs aus anderen Ländern, denn sie
finden Rückhalt in ihren Kirchen und Verbänden. Die achten darauf, dass sie ihre wenigen
Rechte gegenüber Regierung und Arbeitgebern wahren können. Schlimmeres erleben die
derzeit rund 68.000 Indonesierinnen in Hongkong, die nur schlecht englisch sprechen und bislang keine schlagkräftige Lobby haben. Viele von ihnen erhalten kaum freie Tage und oft nur 220 bis 294 Euro im Monat - weit weniger als der gesetzliche Mindestlohn.
Seitdem auch in Hongkong die Zahl der Arbeitslosen steigt (2001: 6,1 Prozent), machen Politiker, Beamte und Arbeitgeberverbände immer wieder Stimmung gegen die ausländischen Amahs: Sie seien zu teuer und zu viele, heißt es.
Besser wäre es, sie durch lokale Kräfte zu ersetzen.
So konnten die Hausangestellten im Februar nur mit Hilfe von Kirchen und Heimatregierungen den Versuch abwehren, ihren Mindestlohn um fünf Prozent zu kappen. Eine besonders originelle Idee hatte die Abgeordnete Choy So-Yuk von der Pekingnahen Hongkonger Fortschrittsallianz: Die Amahs sollten 20 Prozent ihres Verdienstes an die Stadt abführen, weil sie jedes Wochenende die öffentlichen Plätze in Hongkongs Zentrum nutzten.