Die Verzückung der Analysten über den Vertrieb von Musik und Video per Internet ist schnell der Ernüchterung gewichen. Die Zeiten der so genannten Schulhof-Piraterie sind vorüber. Mit Napster und moderner Datenkompression wurde das weltweite Internet zum Schulhof der Raubkopierer, in dem Musik in beinahe CD-Qualität die Runde macht. Nun versuchen die Medienkonzerne verlorenes Terrain wieder wett zu machen.
Seit 1969 hat die Musikindustrie zwei Phasen mit zweistelligen Wachstumsraten durchlebt, die durch Einführung neuer Tonträger ausgelöst wurden. Den jüngsten Boom hatte die Einführung der Compact Disc ausgelöst. Die Boomphasen wurden durch Umsatzrückgänge unterbrochen. Derzeit befindet sich die Musikindustrie wieder in einer solchen Phase.
Zwischen den Jahren 1995 und 2000 ist der Umsatz der Musikindustrie jährlich um 1,5 Prozent gesunken. Den vorläufigen Höhepunkt wird wahrscheinlich das laufende Jahr mit einem Umsatzminus von zehn Prozent liefern. Neben der Wirtschaftsschwäche in Lateinamerika belasten vor allem der Tausch von Musik im Internet und das Kopieren von CDs den Umsatz. Neue Tonträger, wie die Super-CD SACD oder die DVD-Audio, werden diesmal die Scharte nicht auswetzen. Sie bieten dem Kunden zuwenig Vorteile gegenüber der normalen CD. Hoffnungsträger wird nun der Musikvertrieb per Internet.
Musikindustrie in den Startlöchern
Die Medienkonzerne stehen mit drei großen Online-Musikdiensten in den Startlöchern. Die zum Bertelsmann Konzern gehörende Bertelsmann Music Group (BMG) hat sich Napster gekauft und will künftig darüber Musik im Abonnement anbieten. Warner, EMI und wiederum BMG haben mit dem Software-Unternehmen RealNetworks das Gemeinschaftsunternehmen Music Net gegründet. Vertriebspartner sind AOL Time Warner und Napster. In Pressplay habe sich Vivendi Universal und Sony verbündet. Verkaufspartner sind Yahoo und MSN. Letztlich werden die Musikkonzerne sich gegenseitig ihre Titel lizenzieren müssen. Nur so können sie ein komplettes Musikangebot bei ihren Online-Diensten bieten. Sie alle müssen sich mit den Erben Napsters auseinandersetzen.
P2P oder Peer-two-Peer nennt sich die Technik hinter den Tauschbörsen. Gemeint ist der direkte Datentausch zwischen zwei Computern. Während einige der P2P-Netze auf einen Zentralrechner als Schwarzes Brett für die Tauschangebote setzten, haben einige Angebote auch diese Funktion über eine Vielzahl von privaten Computern im Netz verteilt. Da ein zentraler Betreiber fehlt, ist es quasi unmöglich juristisch gegen diese Netze vorzugehen. Die Musikindustrie setzt nun auf Komfort, eine große Auswahl und Werbung, um den Musik-Suchenden im Internet das Geld aus den Taschen zu locken. Nicht nur abtrünnige Kunden, sondern auch jene, die vielleicht noch auf den Geschmack kommen könnten, müssen angesprochen und auf Dauer gebunden werden.
Auf den Kunden wartet ein teurer Spaß
Während Bertelsmann bei Napster schon eine kleine Ewigkeit mit Preismodellen herumlaboriert und damit Nutzer vergrault, ist Pressplay erst im Dezember an den Start gegangen. Sony und Vivendi Universal bieten für knapp zehn Dollar monatlich den Download von 30 Musiktitel und 300 Stücke zum einmaligen Anhören an. Wer Musik auf CD brennen möchte, muss hingegen 25 Dollar zahlen. Er bekommt dann 20 Stücke zum CD-Brennen, 100 Stücke zum Herunterladen und 1.000 Titel zum einmaligen Ánhören.
Das mag nach viel klingen, ist es aber nicht. Die heruntergeladenen Titel können nicht auf CD gebrannt und wahrscheinlich nur am eigenen Computer gehört werden. Hinzu kommen die individuellen Online-Gebühren des Kunden und eine Menge Geduld. Denn über klassische Modemverbindungen, die bei den heimischen Anwendern mit rund 90 Prozent dominieren, dauert das Herunterladen einer CD eine kleine Ewigkeit.
Wer es schneller mag, muss auf einen schnelle Kabel- oder DSL-Anschluss aufrüsten, der schnell nochmals 100 DM im Monat verschlingt. Trotz des Aufwands und der Kosten hält der Kunde dann aber kaum eine professionell produzierte CD in der Hand. Kleine Qualitätsabstriche und der Mangel eines Covers trüben den Spaß. Werden so Erfolge gemacht? Immerhin bieten Musiktausch-Netze wie Edonkey, Morpheus, Kazaa und Gnutella ähnliches zum Nulltarif.
Die Musikindustrie gibt sich aber nicht geschlagen. Sie setzt auf ihren großen Musikkatalog. CD-Händler können im besten Fall 7.000 bis 10.000 CDs auf Lager halten. Im Internet können die Plattenfirmen hingegen ihren gesamten Musikkatalog zum Abruf bereithalten. Gleichzeitig sollen neue technische Verfahren das Kopieren von Musik erschweren. Da rund 60 Prozent des Gesamtumsatzes aus aktuellen Musikveröffentlichungen bestritten wird, könnte durch den Kopierschutz frischer Titel ein Großteil des Umsatzes geschützt werden. Allerdings sind Raubkopierer erfinderisch und der sichere Kopierschutz ist noch nicht erfunden. Gelegenheits-Raubkopierer werden zwar abgeschreckt, Musik von geknackten CDs werden dennoch ihren Weg ins Internet finden.
Die Börse scheint mit dem Schlimmsten zu rechnen
Der Umsatzrückgang im Musikhandel wird sich auch im kommenden Jahr fortsetzen, wenn auch mit verminderten Tempo. Gelingt es den Medienkonzerne mit Umsatzbeteiligungen die Anbieter von Tauschbörsen wie Morpheus und Kazaa zur Einführung von Kopierschutz-Systemen zu bewegen, könnte der Abschwung weiter gebremst werden. Die britische EMI ist das letzte große börsennotierte Unternehmen, dass sich ausschließlich auf das Musikgeschäft konzentriert. Die negative Entwicklung der vergangenen Monate hat die Bewertung des Unternehmens, gemessen am Kursgewinnverhältnis und Kursumsatzverhältnis, in die Nähe historischer Tiefs befördert. Bei dem Medienkonzernen Vivendi Universal wird der Wert der Musikrecht aktuell sehr tief angesetzt. Sollte sich Pressplay zu einem Flop entwickeln, wird sich dies nicht ändern.
Vivendi Universal lebt aber nicht von der Musik allein, sondern präsentiert sich als ordentlich geschmierte Medienmaschine. Auf dem aktuellem Niveau sind die Risiken aus der Internet-Piraterie schon größtenteils berücksichtigt. Allerdings: Mit der weitere Verbreitung schnellerer Internetanschlüsse steht allerdings den Konzernen die nächste Gefahr ins Haus. Schon jetzt kursieren mit dem Verfahren DivX komprimierte DVD-Kopien und aktuelle Kinofilme im Internet.
sharper.de
Seit 1969 hat die Musikindustrie zwei Phasen mit zweistelligen Wachstumsraten durchlebt, die durch Einführung neuer Tonträger ausgelöst wurden. Den jüngsten Boom hatte die Einführung der Compact Disc ausgelöst. Die Boomphasen wurden durch Umsatzrückgänge unterbrochen. Derzeit befindet sich die Musikindustrie wieder in einer solchen Phase.
Zwischen den Jahren 1995 und 2000 ist der Umsatz der Musikindustrie jährlich um 1,5 Prozent gesunken. Den vorläufigen Höhepunkt wird wahrscheinlich das laufende Jahr mit einem Umsatzminus von zehn Prozent liefern. Neben der Wirtschaftsschwäche in Lateinamerika belasten vor allem der Tausch von Musik im Internet und das Kopieren von CDs den Umsatz. Neue Tonträger, wie die Super-CD SACD oder die DVD-Audio, werden diesmal die Scharte nicht auswetzen. Sie bieten dem Kunden zuwenig Vorteile gegenüber der normalen CD. Hoffnungsträger wird nun der Musikvertrieb per Internet.
Musikindustrie in den Startlöchern
Die Medienkonzerne stehen mit drei großen Online-Musikdiensten in den Startlöchern. Die zum Bertelsmann Konzern gehörende Bertelsmann Music Group (BMG) hat sich Napster gekauft und will künftig darüber Musik im Abonnement anbieten. Warner, EMI und wiederum BMG haben mit dem Software-Unternehmen RealNetworks das Gemeinschaftsunternehmen Music Net gegründet. Vertriebspartner sind AOL Time Warner und Napster. In Pressplay habe sich Vivendi Universal und Sony verbündet. Verkaufspartner sind Yahoo und MSN. Letztlich werden die Musikkonzerne sich gegenseitig ihre Titel lizenzieren müssen. Nur so können sie ein komplettes Musikangebot bei ihren Online-Diensten bieten. Sie alle müssen sich mit den Erben Napsters auseinandersetzen.
P2P oder Peer-two-Peer nennt sich die Technik hinter den Tauschbörsen. Gemeint ist der direkte Datentausch zwischen zwei Computern. Während einige der P2P-Netze auf einen Zentralrechner als Schwarzes Brett für die Tauschangebote setzten, haben einige Angebote auch diese Funktion über eine Vielzahl von privaten Computern im Netz verteilt. Da ein zentraler Betreiber fehlt, ist es quasi unmöglich juristisch gegen diese Netze vorzugehen. Die Musikindustrie setzt nun auf Komfort, eine große Auswahl und Werbung, um den Musik-Suchenden im Internet das Geld aus den Taschen zu locken. Nicht nur abtrünnige Kunden, sondern auch jene, die vielleicht noch auf den Geschmack kommen könnten, müssen angesprochen und auf Dauer gebunden werden.
Auf den Kunden wartet ein teurer Spaß
Während Bertelsmann bei Napster schon eine kleine Ewigkeit mit Preismodellen herumlaboriert und damit Nutzer vergrault, ist Pressplay erst im Dezember an den Start gegangen. Sony und Vivendi Universal bieten für knapp zehn Dollar monatlich den Download von 30 Musiktitel und 300 Stücke zum einmaligen Anhören an. Wer Musik auf CD brennen möchte, muss hingegen 25 Dollar zahlen. Er bekommt dann 20 Stücke zum CD-Brennen, 100 Stücke zum Herunterladen und 1.000 Titel zum einmaligen Ánhören.
Das mag nach viel klingen, ist es aber nicht. Die heruntergeladenen Titel können nicht auf CD gebrannt und wahrscheinlich nur am eigenen Computer gehört werden. Hinzu kommen die individuellen Online-Gebühren des Kunden und eine Menge Geduld. Denn über klassische Modemverbindungen, die bei den heimischen Anwendern mit rund 90 Prozent dominieren, dauert das Herunterladen einer CD eine kleine Ewigkeit.
Wer es schneller mag, muss auf einen schnelle Kabel- oder DSL-Anschluss aufrüsten, der schnell nochmals 100 DM im Monat verschlingt. Trotz des Aufwands und der Kosten hält der Kunde dann aber kaum eine professionell produzierte CD in der Hand. Kleine Qualitätsabstriche und der Mangel eines Covers trüben den Spaß. Werden so Erfolge gemacht? Immerhin bieten Musiktausch-Netze wie Edonkey, Morpheus, Kazaa und Gnutella ähnliches zum Nulltarif.
Die Musikindustrie gibt sich aber nicht geschlagen. Sie setzt auf ihren großen Musikkatalog. CD-Händler können im besten Fall 7.000 bis 10.000 CDs auf Lager halten. Im Internet können die Plattenfirmen hingegen ihren gesamten Musikkatalog zum Abruf bereithalten. Gleichzeitig sollen neue technische Verfahren das Kopieren von Musik erschweren. Da rund 60 Prozent des Gesamtumsatzes aus aktuellen Musikveröffentlichungen bestritten wird, könnte durch den Kopierschutz frischer Titel ein Großteil des Umsatzes geschützt werden. Allerdings sind Raubkopierer erfinderisch und der sichere Kopierschutz ist noch nicht erfunden. Gelegenheits-Raubkopierer werden zwar abgeschreckt, Musik von geknackten CDs werden dennoch ihren Weg ins Internet finden.
Die Börse scheint mit dem Schlimmsten zu rechnen
Der Umsatzrückgang im Musikhandel wird sich auch im kommenden Jahr fortsetzen, wenn auch mit verminderten Tempo. Gelingt es den Medienkonzerne mit Umsatzbeteiligungen die Anbieter von Tauschbörsen wie Morpheus und Kazaa zur Einführung von Kopierschutz-Systemen zu bewegen, könnte der Abschwung weiter gebremst werden. Die britische EMI ist das letzte große börsennotierte Unternehmen, dass sich ausschließlich auf das Musikgeschäft konzentriert. Die negative Entwicklung der vergangenen Monate hat die Bewertung des Unternehmens, gemessen am Kursgewinnverhältnis und Kursumsatzverhältnis, in die Nähe historischer Tiefs befördert. Bei dem Medienkonzernen Vivendi Universal wird der Wert der Musikrecht aktuell sehr tief angesetzt. Sollte sich Pressplay zu einem Flop entwickeln, wird sich dies nicht ändern.
Vivendi Universal lebt aber nicht von der Musik allein, sondern präsentiert sich als ordentlich geschmierte Medienmaschine. Auf dem aktuellem Niveau sind die Risiken aus der Internet-Piraterie schon größtenteils berücksichtigt. Allerdings: Mit der weitere Verbreitung schnellerer Internetanschlüsse steht allerdings den Konzernen die nächste Gefahr ins Haus. Schon jetzt kursieren mit dem Verfahren DivX komprimierte DVD-Kopien und aktuelle Kinofilme im Internet.
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