Müssen wir uns vor China schützen?

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calexa:

Müssen wir uns vor China schützen?

 
12.12.04 23:35
Nichts ist faszinierender als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Das dominierende Wirtschaftssystem vom 16. Bis 18. Jahrhundert war der Merkantilismus. Staaten versuchten wie Kaufleute zu handeln. Das Ziel war einen größtmöglichen Handelsbilanzüberschuss zu erzielen, um den Wohlstand eines Landes zu maximieren. Schutzzölle sollten den Import von Fertiggütern erschweren. Der Staat war Lenker und Denker. 1776 erlebte die moderne Nationalökonomie ihre Geburtstunde. Adam Smith lehrte in seinem wegweisenden Werk “Wohlstand der Nationen” eine neue Art zu denken. Der Egoismus jedes einzelnen Menschen und sein eigennütziges Streben nach Macht und Wohlstand, trage zum Wohl der gesamten Gesellschaft bei. Der Mensch werde dabei von einer unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu fördern, den er zu erfüllen in keiner Weise beabsichtigt hat. Die unsichtbare Hand führt die chaotischen Entscheidungen von Millionen von Menschen zu einem besseren gesellschaftlichen Zustand.

30 Jahre später, 1806, entwickelte David Ricardo die Theorie des komparativen Vorteiles, die auch heute noch die Grundlage des Außenhandels bildet. Ein komparativer Vorteil besteht dann, wenn ein Land einen Gegenstand im Verhältnis zu einem anderen günstiger herstellen kann. Zwischenstaatlicher Handel ist folglich auch sinnvoll wenn ein Handelspartner sämtliche Güter nach absoluten Kriterien effizienter produzieren kann. Wenn die Aussagen dieser Theorie in der breiten Bevölkerung auch nur ein klein wenig bekannter wären, würden viele leidvolle wirtschaftspolitische Diskussionen überflüssig. Meist wird aufgrund mangelnden Wissen das Gegenteil propagiert, denn die erste Schlussfolgerung bei außenwirtschaftlichen Sachverhalten ist kontraintuitiv, d.h. der konditionierte gesunde Menschenverstand fällt spontan ein anderes Urteil. Globalisierungsgegner versammeln sich deshalb wutentbrannt zu Massenprotesten, um gegen die vermeintliche Ausbeutung der Entwicklungsländer durch die Industrienationen zu demonstrieren. Die einfache Logik legt dies nahe, richtiger wird es dadurch jedoch nicht. Das zeigen die Statistiken.

Umdenken. Besonders die europäischen Staaten sind aufgrund der wirtschaftstheoretischen Grundlagen so von freien Märkten überzeugt, dass sie keine einzige Sekunde mehr darüber nachdenken. Freihandel funktioniert wunderbar und mehrt den Wohlstand für alle Beteiligten, wenn bestimmte Spielregeln eingehalten werden. Das ist derzeit nicht der Fall. Wir lassen uns von den Mitspielern im Welthandel abzocken. Ebenso wie ein Individuum muss im Kapitalismus auch ein einzelner Staat lernen, seine Interessen durchzusetzen. Doch wir sind Pokerspieler, die sich in die Karten schauen lassen. Die Chinesen binden ihre Währung an den US-Dollar. Die amerikanische Notenbank ist auf die Idee gekommen, dass man sich das Defizit in der Handelsbilanz doch prima von den Europäern finanzieren lassen könnte. Die sind ja so freundlich einer Dollarabwertung tatenlos zuzusehen, obwohl deren Konjunkturen maßgeblich vom Export stimuliert werden.

Und dann haben wir ja noch China, die kein bisschen daran interessiert sind, geistiges Eigentum zu schützen. Warum auch? Es ist doch viel einfacher die Führ- und Antriebstechnik des Transrapids zu kopieren, als selbst zu entwickeln. Die Chinesen fordern unverblümt die gesamte Transrapid-Technologie, um so schnell wie möglich selbst mit der Produktion zu beginnen. Und was machen wir? Wir zucken mit den Schultern und schauen zu wie unsere wichtigsten Produktionsfaktoren, Know-how und Technologie, in die Hände anderer Staaten wandern. Liebe Leser, Deutschland muss wieder zu einer radikaleren Außenpolitik übergehen, die auf die Eigeninteressen unseres Landes ausgerichtet ist. Ehrbare wirtschaftliche Prinzipien sind bei direkter Konkurrenz mit aufstrebenden Nationen fehl am Platz.

Ich gebe eines zu bedenken. Die Mechanismen des komparativen Vorteiles zwingen die westlichen Industrie-Staaten in bestimmte hochentwickelte Sektoren hinein. Was aber wenn der Großteil der Bevölkerung diesen Strukturwandel nicht mehr mitgehen kann, weil Intelligenz und Bildung nicht ausreichend sind? Das Szenario der Zukunft wären 10 Millionen oder mehr Arbeitslose, weil die Industrie keine einfachen Berufe mehr bereitstellen kann. Die Forderung, die ich jetzt stelle, ist im etablierten Meinungbild verpönt: Wir müssen europaweit wieder über Importzölle auf einfache Güter nachdenken, um den Verlust des industriellen Sektors und niedrig qualifizierter Arbeitsplätze aufzuhalten. Ansonsten stehen wir im Außenhandel zwar gut dar, bekommen aber ein unlösbares soziales Problem. Ich sage bewusst “nachdenken”, um der Komplexität der Materie gerecht zu werden, denn vielleicht ist auch meine Schlussfolgerung in einer höheren Ebene kontraintuitiv.
(Quelle: tradecenter.de

So long,
Calexa
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