In der Krise ist überlegtes Handeln gefragt
Rüdiger von Rosen
Die politische Reaktion auf die Terrorakte in den Vereinigten Staaten zeichnet sich durch ein bemerkenswert besonnenes Handeln der beteiligten Akteure aus. Es ist den Vereinigten Staaten gelungen, nahezu die gesamte Völkergemeinschaft für einen Pakt gegen den Terror zu gewinnen. Wenn überhaupt ein Nutzen aus den sinnlosen Gewaltakten gezogen werden kann, dann ist es das einheitliche weltweite Eintreten gegen den Terror.
Die Finanzmärkte, die auf die Anschläge mit einer verständlichen Schockreaktion antworteten, haben ebenfalls besonnen und keineswegs überreagiert. Sicherlich kann damit noch keine Entwarnung gegeben werden, denn die Unsicherheit über die weitere Entwicklung ist noch zu groß. Dennoch zeigen die letzten Tage, dass sowohl auf politischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene die Ruhe das beste Rezept für die Stabilisierung der Lage ist.
Die Erfahrungen mit vergangenen Krisen an den internationalen Wertpapiermärkten zeigen, dass politisch ausgelöste Krisensituationen wie die Ölkrise in den siebziger und die Golfkrise zu Beginn der neunziger Jahre zu stärkeren Kursrückgängen führten als reine Finanzmarktkrisen. Zudem waren die Erholungsphasen bis zum Erreichen des Kursniveaus vor dem Ausbruch der Krisen sowohl beim Börsencrash 1987 als auch bei der Ostasienkrise 1997 deutlich kürzer. Der Hauptgrund liegt in der stärkeren Verunsicherung der Kapitalmarktakteure in Zeiten politischer Eskalation, insbesondere dann, wenn gleichzeitig militärische Aktionen erwartet werden oder schon stattfinden. Das ist genau die Lage, in der wir uns gegenwärtig befinden.
Wie sollte der Anleger damit umgehen? Empfehlenswert ist ein ähnlich rationales Verhalten, wie es die politischen Akteure zeigen. Entscheidungen sollten gerade jetzt mehr als sorgfältig gefällt werden. Sowohl bei Verkäufen als auch bei Zukäufen von Aktien muss man sich des Risikos bewusst sein, dass sich die politische Lage - und damit auch das Kursniveau - innerhalb von Minuten ändern kann. Es ist daher generell ratsam, die Entwicklungen abzuwarten und erst dann wieder aktiv zu handeln, wenn sich die Unsicherheit weiter gelegt hat.
Unterstützung bieten dabei die Akteure auf der geld- wie der fiskalpolitischen Seite. Die Zinssenkungen der Federal Reserve Bank und der Europäischen Zentralbank waren angebracht, um die Märkte zu beruhigen, zumal von der Inflationsseite aktuell keine Gefahr zu drohen scheint. Für die Finanzpolitik sollte ein stetiges und vorausschaubares Handeln im Vordergrund stehen. Hektische Konjunkturprogramme waren in der Vergangenheit selten von Erfolg gekrönt und drohen auch momentan wieder wirkungslos zu verpuffen.
Was zu einer Erholung der Finanzmärkte dringend erforderlich ist, ist Vertrauen. Die Konsumenten brauchen Vertrauen in eine stabile wirtschaftliche Entwicklung, um ihren Verbrauch aufrechtzuerhalten. Unternehmen brauchen das Vertrauen, um für ihre Produkte oder Dienstleistungen genügend Abnehmer zu finden. Und Anleger brauchen Vertrauen darauf, dass Aktienkurse wieder primär von der ökonomischen Entwicklung der Emittenten abhängen statt von politischen Ereignissen, auf die keiner der Beteiligten Einfluss hat.
Auf dem Weg der Vertrauensbildung ist von politischer und wirtschaftlicher Seite ein Anfang gemacht. Das Problem des Terrorismus ist zwar nach allgemeiner Ansicht nicht innerhalb weniger Monate zu lösen. Dieser Tatsache sollte man sich bewusst sein. Dennoch sollte im Rahmen des Möglichen alles versucht werden, eine Normalität wieder herzustellen, die es erlaubt, sich auch wieder mit den Themen zu befassen, die die Finanzmärkte vor den Terrorakten beschäftigte.
Wir können zwar nicht von heute auf morgen einfach zum "business as usual" übergehen. Durch besonnenes Handeln können wir aber verhindern, dass die Terroranschläge das beabsichtigte Ziel einer Destabilisierung des marktwirtschaftlichen Systems erreichen. Die Wirtschaftsordnung der westlichen Welt ist integraler Bestandteil unserer Zivilisation und wurde durch die Gewaltakte in New York und Washington mit angegriffen. Wenn die Marktteilnehmer an den Finanzmärkten ähnlich überlegt handeln, wie es die politische Ebene bisher vorgemacht hat, wird diese Attacke keine Aussicht auf Erfolg haben.