Die Banken drehen den Mittelständlern den Geldhahn zu. Jedem Vierten droht der Konkurs – wenn sich nicht andere Finanzierungsquellen auftun.
Sie kamen zu viert, sie trugen dunkle Anzüge. Speziell geschulte Mitarbeiter aus der Zentrale einer deutschen Großbank. Interner Deckname des Quartetts: Taskforce. Ihr Auftrag: Rating des mittelständischen Sanitärherstellers Hansgrohe AG, Schiltach, Schwarzwald.
Sie bleiben mehr als vier Stunden, interessieren sich für das kleinste Detail. Nehmen nicht nur Businessplan und alle betriebswirtschaftlichen Kennzahlen unter die Lupe. Sondern informieren sich auch über die Stärke der Marke, ISO-Zertifikate, die Umsetzung unternehmensrelevanter Umweltgesetze, Abklopfen des Managements bis in die zweite Führungsebene. „Wir waren schon erstaunt, was die alles wissen wollten“, sagt Siegfried Gänßlen, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Finanzvorstand der Hansgrohe AG, die mit 2400 Mitarbeitern 356 Millionen Euro umsetzt. „Unternehmensführung auf gut Schwäbisch reicht heute nicht mehr, der Wind wird rauer.“
Eine Situation, in der nicht nur Gänßlen steckt. Denn das Finanzgebaren des Mittelstands ist in seinen Grundfesten erschüttert. Finanztechnisch lebt der Motor der deutschen Wirtschaft – 70 Prozent aller Arbeitsplätze sind hier angesiedelt, 75 Prozent aller Patente werden hier entwickelt – bislang im Mittelalter. 80 Prozent aller Mittelständler, so das Ergebnis einer Studie der Universität Marburg, finanzieren sich ausschließlich über Kredite der Hausbank, zu der das Unternehmen eine oft über Generationen dauernde Verbindung pflegte. „Diese Verbindung“, so der Stuttgarter Wirtschaftsanwalt Brun-Hagen Hennerkes, „löst sich auf.“
Besonders betroffen: kleine und mittlere Betriebe mit Umsätzen bis zu drei Millionen Euro – und damit weit über 90 Prozent der rund 3,3 Millionen Betriebe in Deutschland. Jeder Zweite arbeitet nach Angaben des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) völlig ohne Eigenkapital, jeder Dritte ohne Gewinn. „Diese Firmen fallen schon jetzt immer häufiger durchs Raster der Banken“, sagt Karl-Werner Hansmann, Betriebswirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg. Bei einer Umfrage seines Lehrstuhls unter 500 Mittelständlern in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen kritisierte jeder vierte Firmenchef die restriktive Haltung der Hausbank. „Dieser Trend wird sich verstärken“, sagt Hansmann. Allein im Handwerk sind nach Schätzungen des Nordrhein-Westfälischen Handwerkstags „zehntausende Betriebe substanziell gefährdet“, sollten sich die Konditionen für Bankkredite verschlechtern. Klar ist: Die Internationalisierung der Finanzmärkte, vor allem aber die vermutlich ab 2006 geltenden, neuen Eigenkapitalregeln zwingen Banken, aber auch ihre Firmenkunden schon heute dazu, nach alternativen Instrumenten wie Leasing, Factoring oder Anleihen Ausschau zu halten. Während das Gros der amerikanischen und europäischen Wettbewerber schon lange in großem Umfang auf diese Alternativen setzen, haben sich die Deutschen bis heute weit gehend über Kredite nationaler Banken finanziert.
Doch diese Ära geht zu Ende: Jetzt übernehmen private Investoren das Risiko, während Investmentbanken die Börsengänge vorbereiten. Eine Entwicklung, die auch vor den großen Mittelständlern nicht mehr Halt macht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Siemens Financial Services (SFS) in Zusammenarbeit mit TNS Emnid und der Universität Augsburg, die exklusiv für die WirtschaftsWoche 690 Führungskräfte mittelständischer Unternehmen mit mehr als 50 Millionen Euro Umsatz oder mehr als 500 Mitarbeitern aus den wichtigsten Branchen zu ihren Finanzstrukturen befragt haben.
Die Erkenntnis: Immer mehr Mittelständler wollen das Verhältnis zu ihrer Hausbank auf den Prüfstand stellen, 71 Prozent die „Abhängigkeit von einem einzigen Finanzdienstleister vermeiden“, 76 Prozent „die Finanzierungskosten senken“, jeder zweite „alternative Instrumente zum Kredit“ einsetzen. Doch obwohl für fast 80 Prozent der befragten Manager die Schaffung von Liquidität oberste Priorität in der Finanzierungsplanung hat, geht ein Großteil der Liquidität der globalen Finanzmärkte an deutschen Unternehmen bislang vorbei. „Viele Mittelständler haben zwar erkannt, dass es nicht mehr weitergehen wird wie bisher“, sagt Herbert Lohneiß, Vorsitzender der Geschäftsführung der Siemens Financial Services. „Aber sie stehen ratlos vor den nötigen Veränderungen.“
Dabei sind die Herausforderungen vielschichtig, denn der Finanzierungsbedarf für die Unternehmen steigt aus vielen Gründen: Die Globalisierung der Märkte erzwingt hohe Investitionen, in Zeiten schwacher Konjunktur muss der Absatz durch Finanzierungsangebote unterstützt werden, wissensbasierten Unternehmen fehlt häufig die materielle Ausstattung als Sicherheit für Bankkredite. „Wer sich seinen Handlungsspielraum erhalten will“, so das Fazit der Studie, „muss bei der Finanzierung seines Wachstums nach neuen Wegen suchen.“
Sie kamen zu viert, sie trugen dunkle Anzüge. Speziell geschulte Mitarbeiter aus der Zentrale einer deutschen Großbank. Interner Deckname des Quartetts: Taskforce. Ihr Auftrag: Rating des mittelständischen Sanitärherstellers Hansgrohe AG, Schiltach, Schwarzwald.
Sie bleiben mehr als vier Stunden, interessieren sich für das kleinste Detail. Nehmen nicht nur Businessplan und alle betriebswirtschaftlichen Kennzahlen unter die Lupe. Sondern informieren sich auch über die Stärke der Marke, ISO-Zertifikate, die Umsetzung unternehmensrelevanter Umweltgesetze, Abklopfen des Managements bis in die zweite Führungsebene. „Wir waren schon erstaunt, was die alles wissen wollten“, sagt Siegfried Gänßlen, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Finanzvorstand der Hansgrohe AG, die mit 2400 Mitarbeitern 356 Millionen Euro umsetzt. „Unternehmensführung auf gut Schwäbisch reicht heute nicht mehr, der Wind wird rauer.“
Eine Situation, in der nicht nur Gänßlen steckt. Denn das Finanzgebaren des Mittelstands ist in seinen Grundfesten erschüttert. Finanztechnisch lebt der Motor der deutschen Wirtschaft – 70 Prozent aller Arbeitsplätze sind hier angesiedelt, 75 Prozent aller Patente werden hier entwickelt – bislang im Mittelalter. 80 Prozent aller Mittelständler, so das Ergebnis einer Studie der Universität Marburg, finanzieren sich ausschließlich über Kredite der Hausbank, zu der das Unternehmen eine oft über Generationen dauernde Verbindung pflegte. „Diese Verbindung“, so der Stuttgarter Wirtschaftsanwalt Brun-Hagen Hennerkes, „löst sich auf.“
Besonders betroffen: kleine und mittlere Betriebe mit Umsätzen bis zu drei Millionen Euro – und damit weit über 90 Prozent der rund 3,3 Millionen Betriebe in Deutschland. Jeder Zweite arbeitet nach Angaben des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) völlig ohne Eigenkapital, jeder Dritte ohne Gewinn. „Diese Firmen fallen schon jetzt immer häufiger durchs Raster der Banken“, sagt Karl-Werner Hansmann, Betriebswirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg. Bei einer Umfrage seines Lehrstuhls unter 500 Mittelständlern in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen kritisierte jeder vierte Firmenchef die restriktive Haltung der Hausbank. „Dieser Trend wird sich verstärken“, sagt Hansmann. Allein im Handwerk sind nach Schätzungen des Nordrhein-Westfälischen Handwerkstags „zehntausende Betriebe substanziell gefährdet“, sollten sich die Konditionen für Bankkredite verschlechtern. Klar ist: Die Internationalisierung der Finanzmärkte, vor allem aber die vermutlich ab 2006 geltenden, neuen Eigenkapitalregeln zwingen Banken, aber auch ihre Firmenkunden schon heute dazu, nach alternativen Instrumenten wie Leasing, Factoring oder Anleihen Ausschau zu halten. Während das Gros der amerikanischen und europäischen Wettbewerber schon lange in großem Umfang auf diese Alternativen setzen, haben sich die Deutschen bis heute weit gehend über Kredite nationaler Banken finanziert.
Doch diese Ära geht zu Ende: Jetzt übernehmen private Investoren das Risiko, während Investmentbanken die Börsengänge vorbereiten. Eine Entwicklung, die auch vor den großen Mittelständlern nicht mehr Halt macht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Siemens Financial Services (SFS) in Zusammenarbeit mit TNS Emnid und der Universität Augsburg, die exklusiv für die WirtschaftsWoche 690 Führungskräfte mittelständischer Unternehmen mit mehr als 50 Millionen Euro Umsatz oder mehr als 500 Mitarbeitern aus den wichtigsten Branchen zu ihren Finanzstrukturen befragt haben.
Die Erkenntnis: Immer mehr Mittelständler wollen das Verhältnis zu ihrer Hausbank auf den Prüfstand stellen, 71 Prozent die „Abhängigkeit von einem einzigen Finanzdienstleister vermeiden“, 76 Prozent „die Finanzierungskosten senken“, jeder zweite „alternative Instrumente zum Kredit“ einsetzen. Doch obwohl für fast 80 Prozent der befragten Manager die Schaffung von Liquidität oberste Priorität in der Finanzierungsplanung hat, geht ein Großteil der Liquidität der globalen Finanzmärkte an deutschen Unternehmen bislang vorbei. „Viele Mittelständler haben zwar erkannt, dass es nicht mehr weitergehen wird wie bisher“, sagt Herbert Lohneiß, Vorsitzender der Geschäftsführung der Siemens Financial Services. „Aber sie stehen ratlos vor den nötigen Veränderungen.“
Dabei sind die Herausforderungen vielschichtig, denn der Finanzierungsbedarf für die Unternehmen steigt aus vielen Gründen: Die Globalisierung der Märkte erzwingt hohe Investitionen, in Zeiten schwacher Konjunktur muss der Absatz durch Finanzierungsangebote unterstützt werden, wissensbasierten Unternehmen fehlt häufig die materielle Ausstattung als Sicherheit für Bankkredite. „Wer sich seinen Handlungsspielraum erhalten will“, so das Fazit der Studie, „muss bei der Finanzierung seines Wachstums nach neuen Wegen suchen.“