Ein bunter Strauß neuer Aktien
Die Kurse an den Börsen steigen, der Optimismus ist groß und vielfach scheinen die Bewertungen gerade auch bei Neuemissionen an den Börsen keine Rolle mehr zu spielen. Vieles erinnert an die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als man selbst eine „Würstchenbude” hätte an die Börse bringen können.
So dürfte es kaum verwundern, daß Unternehmen der verschiedensten Art vor den Börsen förmlich Schlange stehen. Angefangen vom Dax-Unternehmen Altana, das sich aufspalten möchte, bis hin zu kleinen Biotechunternehmen wie Biofrontera oder Wilex. Sie forschen zwar an hoffnungsvollen Medikamenten, allerdings ohne bisher nennenswerte Umsätze zu erzielen.
„Exit” oder auf Suche nach neuem Kapital
Finanzinvestoren haben früher gut bekannte Unternehmen wie Debitel, Demag oder Klöckner & Co. restrukturiert und wollen nun ihre Rendite einfahren. Familien wie Wacker trennen sich in Teilen von ihren Unternehmen. Technologieunternehmen, manche jung, manche schon zwanzig Jahre alt, zieht es an die Börse.
Sie alle suchen neue Anleger, neues Kapital zum Wachstum. Unter den Börsenkandidaten sind sicherlich viele gute Unternehmen, aber vielleicht auch manche, die zu teuer an die Börse kommen. Manche sind in ihrer Art tatsächlich einzigartig wie Wacker-Chemie oder das Immobilienunternehmen Patrizia und daher schwer bewertbar. Andere wie Air Berlin sind nicht nur wegen ihrer Markenbekanntheit, sondern auch wegen börsennotierter Wettbewerber besser einschätzbar.
Anleger sollten sich vorab informieren und gut abwägen, ob nicht die bereits börsennotierten Konkurrenten die günstigeren sind. Und dennoch: Es ist gut möglich, daß im Prime Standard am Ende des Jahres mehr Börsengänge in Deutschland zu verzeichnen sind als im Jahr 2001, als es zum letzten Mal mehr als 25 Börsenneulinge gab.
Die Kandidaten sind:
Air Berlin
Air Berlin ist hinter Wacker-Chemie der bisher größte bekannte Börsengang des Jahres mit einem voraussichtlichen Emissionsvolumen von bis zu 800 Millionen Euro. Dank der Markenbekanntheit der Billigfluglinie erscheint es Investmentbankern als realistisch, daß rund 25 Prozent der neuen Aktien bei Privatanlegern plaziert werden können. Für Kunden von Air Berlin wird es indes keinen geldwerten Vorteil im Fall der Zeichnung geben. Das Bankenkonsortium führen die Commerzbank und Morgan Stanley. Bereits im Vorfeld des Börsengangs hat Air Berlin das Kapital um 130 Millionen Euro erhöht. Unternehmenschef Joachim Hunold erwartet, daß sich der Marktanteil der Billigfluggesellschaften in Europa in den nächsten Jahren verdoppeln wird, und sieht entsprechend gute Wachstumschancen für Air Berlin. Die 1978 gegründete Air Berlin ist die drittgrößte Billig-Fluggesellschaft in Europa nach Ryanair und Easyjet. Easyjet gilt in Bankenkreisen als das Unternehmen, mit dem sich Air Berlin am ehesten vergleichen läßt. Easyjet ist derzeit an der Börse rund 2 Milliarden Euro wert. Air Berlin steigerte 2005 mit 2700 Mitarbeitern und 54 Flugzeugen den Umsatz um 17 Prozent auf 1,22 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Leasingkosten (Ebitda) belief sich im Jahr 2005 auf 153 Millionen Euro.
Altana
Im Zuge der Zerschlagung des Pharma- und Spezialchemiekonzerns Altana wird im Spätherbst die Altana Chemie AG eigenständig an die Börse geführt werden. Das ist sicher, der genaue Weg dorthin unter Begleitung der Deutschen Bank ist bisher aber offen. Denkbar ist zum einen eine Abspaltung, bei der die Aktionäre der heutigen Altana Aktien der Altana Chemie erhalten. Möglich ist aber auch, daß, nach einem Herauslösen der Altana Pharma, die Bad Homburger Altana AG mit der in Wesel ansässigen Altana Chemie verschmolzen wird. Quandt-Erbin Susanne Klatten wird in jedem Fall mit 50,1 Prozent an dem künftig selbständigen Unternehmen beteiligt bleiben. Ein Teil der anderen außenstehenden Altana-Aktionäre ist aber wohl nur am Pharmageschäft interessiert. Altana Chemie gehört international zu den profitabelsten Unternehmen der Spezialchemie, und die im vergangenen Jahr übernommene Nürnberger Eckart Gruppe soll zusätzlichen Schub geben. 2006, im ersten Jahr der Vollkonsolidierung, wird mit einem Chemie-Umsatz von 1,2 Milliarden Euro gerechnet. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) hat zuletzt 18,1 Prozent vom Umsatz betragen. Angestrebt wird künftig ein Umsatzwachstum von jährlich mehr als 10 Prozent.
Biofrontera
Das Leverkusener Biotechnologieunternehmen Biofrontera strebt den Börsengang für das zweite oder dritte Quartal an. Das Emissionsvolumen wird auf 20 bis 40 Millionen Euro geschätzt. Unter Federführung der Wertpapierhandelsbank Close Brothers Seydler hatte Biofrontera bereits im September 2005 anstelle einer Venture-Capital-Finanzierung eine Wandelanleihe im Volumen von 20 Millionen Euro begeben. Zuvor war Biofrontera in Gutachten mit 40 Millionen Euro bewertet worden. Die Firma forscht an dermatologischen und entzündungshemmenden Medikamenten und erzielt derzeit noch so gut wie keine Umsätze. Die Markteinführung des ersten Medikamentes zur Behandlung von Verhornungsstörungen der Haut (aktinischer Keratose, Stachelzellkrebs) ist für 2008 geplant.
Catoil
Die Catoil AG aus Baden ist eines der spannendsten und zugleich undurchsichtigsten Unternehmen, die in diesem Jahr an die Deutsche Börse wollen. Die österreichische Holding zweier operativer russischer Öl- und Gasförderdienstleister plant, Aktien im Wert eines dreistelligen Millionenbetrages zu plazieren. Catoil hat den Finanzplatz Frankfurt gewählt, um hier im Rohstoffboom sein Alleinstellungsmerkmal „Öl” auszuspielen. Mittelfristig will Catoil die erste Öl-Aktie im M-Dax sein. Begleitet wird der Börsengang von Dresdner Kleinwort Wasserstein und der österreichischen Erste Bank. Catoil, 1991 im niedersächsischen Celle gegründet, erzielte 2005 mit 2230 Mitarbeitern - überwiegend Russen - einen Umsatz von 157 Millionen Euro. Für dieses Jahr ist nach Angaben des erst seit 1. November amtierenden Vorstandsvorsitzenden Manfred Kastner ein Umsatzwachstum von mindestens 30 Prozent absehbar. Das Unternehmen sei profitabel - mit zweistelliger Marge. Den Emissionserlös will Catoil zum Ausbau seiner Flotte und für gezielte Akquisitionen verwenden. Catoil rückt mit Hochdruckpumpeinheiten und Chemikalienfahrzeugen an, um die Öl- und Gasförderung in Rußland und seit drei Jahren auch in Kasachstan effektiver zu machen. Nach dem Börsengang werden die Mitgründerin, Vorstandsmitglied Anna Brinkmann, und ein Finanzinvestor die Mehrheit an dem Unternehmen über eine in Zypern sitzende Holding halten.
Debitel
Um den Stuttgarter Mobilfunkprovider Debitel ranken sich die Gerüchte: Mal soll die Gesellschaft angeblich mit den Wettbewerbern Talkline oder Mobilcom fusioniert werden, mal ist anscheinend ein Börsengang in der konkreten Planung. So ist womöglich JP Morgan bereits als Konsortialführer mandatiert. Daß der Besitzer, die britische Beteiligungsgesellschaft Permira, noch in diesem Jahr einen Teil der Aktien über den Kapitalmarkt abgibt, wird in Finanzkreisen für denkbar gehalten. Doch daß der Börsengang noch im ersten Halbjahr stattfindet, könnte auch Wunschdenken der Investmentbanken sein - oder ein Testballon, um die Reaktion des Marktes zu überprüfen. Denn hinter die Strategie von Debitel setzen Fachleute zunehmend Fragezeichen angesichts der schrumpfenden Marktanteile von Serviceprovidern. Im vergangenen Jahr setzte Debitel 2,74 Milliarden Euro um, 5 Prozent weniger als im Vorjahr. Das operative Ergebnis (Ebitda) stieg dagegen um 23 Prozent auf 172 Millionen Euro.
Delticom
Der Internet-Reifenhändler Delticom aus Hannover hat Dresdner Kleinwort Wasserstein und Lehman Brothers als Konsortialführer für einen Börsengang mandatiert. Delticom verkauft über das Internet Autoreifen und -felgen an Privat- und Geschäftskunden. Die 1999 gegründete Gesellschaft ist in 25 Ländern Europas aktiv und hat 6600 Servicepartner. Nach eigenen Angaben hat Delticom mit rund 50 Mitarbeitern den Umsatz im Jahr 2005 um 60 Prozent auf rund 128 Millionen Euro erhöht. Im Jahr zuvor sei der Umsatz auch um 60 Prozent gestiegen.
Demag
Die vor einem Zusammenschluß stehenden Kranhersteller Demag Cranes und Gottwald gehören zu den sehr wahrscheinlichen Börsenkandidaten. Denn der Besitzer, die amerikanische Beteiligungsgesellschaft Kohlberg Kravis Roberts (KKR), hat bereits die Investmentbanken Goldman Sachs und Lehman Brothers damit beauftragt, einen Börsengang an den Frankfurter Prime Standard noch für dieses Jahr vorzubereiten. Zwar soll parallel auch ein Verkauf des nach der Fusion größten Industriekranherstellers der Welt sondiert werden. Doch der Investor KKR, der hierzulande bereits Wincor Nixdorf und MTU Aero Engines erfolgreich an die Börse gebracht hat, bevorzugt offenbar den Börsengang. Die breit aufgestellte Demag Cranes & Components GmbH in Wetter und die auf Hafenkräne spezialisierte Gottwald Port Technologies GmbH in Düsseldorf haben im vergangenen Jahr zusammen einen Umsatz von 880 Millionen Euro erwirtschaftet, gut 8,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Nach einem radikalen Sanierungsprogramm bei Demag Cranes sprudelt der Gewinn wieder: Im Vergleich zum Vorjahr stieg der operative Gewinn (Ebitda) der beiden Unternehmen um 60 Prozent auf 85 Millionen Euro. Der Wert der Gesellschaften dürfte damit deutlich über einer halben Milliarde Euro liegen.
Gagfah
Noch ist unklar, ob der Börsengang bis Ende dieses Jahres kommt oder ob es Anfang 2007 wird. Doch zwei Dinge sind sicher. Erstens: Die zum amerikanischen Finanzinvestor Fortress gehörende Immobiliengruppe Gagfah-Nileg will auf jeden Fall an die Börse. Und zweitens: mit einem Unternehmenswert von wohl mehr als 10 Milliarden Euro wäre Gagfah-Nileg nicht nur der größte Börsengang seit langer Zeit, sondern auch ein heißer Anwärter auf die oberste deutsche Kapitalmarktliga, den Deutschen Aktienindex. Zunächst muß Gagfah in den kommenden Monaten aber erst einmal die vor wenigen Wochen gekaufte Dresdner städtische Wohnungsgesellschaft Woba mit ihren knapp 50000 Wohnungen integrieren. Insgesamt hat Fortress einschließlich des jüngsten Kaufs in den vergangenen beiden Jahren einen Bestand von 160000 Wohnungen aufgebaut. Nach dem Abschluß der Integration könnte eventuell im Sommer der Kampf der Investmentbanken um das begehrte Mandat beginnen.
ITN Nanovation
ITN Nanovation will noch vor dem Sommer Aktien im Wert eines mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Betrags im Prime Standard der Deutschen Börse plazieren. Das Unternehmen mit Sitz in Saarbrücken stellt nanoskaliges Pulver her, das für keramische Oberflächenanwendungen, Filteranlagen in Elektrizitätswerken oder Backöfenbeschichtungen verwendet wird. Konsortialführer sind die Commerzbank und die Hypo-Vereinsbank.
Klöckner & Co.
Mit Klöckner & Co. könnte noch im ersten Halbjahr ein weiteres Schwergewicht den Weg an die Börse finden. Der Stahl- und Werkstoffhändler, gegründet 1906 in Duisburg, hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Als im Jahr 2001 aus der Fusion der Versorger Veba und Viag das neue Unternehmen Eon entstand, wurde Klöckner & Co. an die Londoner Balli-Gruppe verkauft. Im Mai 2003 wurde die WestLB Mehrheitsgesellschafterin. Die WestLB wiederum verkaufte Klöckner & Co. im Jahr 2005 für damals kolportierte 320 Millionen Euro inklusive Schulden an die amerikanische Fondsgesellschaft Lindsay, Goldberg & Bessemer. Diese Fondsgesellschaft könnte sich nun zumindest teilweise von ihren Anteilen über eine Börsenplazierung trennen. Das in Finanzkreisen genannte Konsortium, bestehend aus Deutscher Bank, J.P. Morgan und UBS, läßt auf eine große Transaktion in Höhe eines mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrages schließen. Klöckner & Co. machte im Jahr 2004 mit rund 10000 Mitarbeitern einen Umsatz von 4,8 (2003: 3,8) Milliarden Euro. Der Jahresüberschuß belief sich 2004 auf 140 (2003: 27) Millionen Euro.
Magix
Mit dem Berliner Softwareanbieter Magix beginnt die zweite Welle der Internetunternehmen an der Börse. Das passende Schlagwort kommt wieder einmal aus Amerika: Web 2.0 ist die Bezeichnung für die tiefgreifende Vernetzung der Nutzer untereinander. Die Menschen schreiben Online-Tagebücher, zeigen einander ihre Fotos und treffen Verabredungen im Netz. Diese Online-Gemeinschaften wie Myspace.com, Flickr.com oder Lunarstorm.se in Schweden ziehen vor allem jugendliche Nutzer magisch an. Daher liegt die Idee von Magix, neben dem Softwaregeschäft Online-Gemeinschaften für Fotos und Videos zu entwickeln, voll im Trend. Wenn Magix am 6. April an die Börse geht, muß das Unternehmen allerdings noch ein gutes Stück Aufbauarbeit leisten, denn das Web 2.0 steckt in Deutschland noch in den Anfängen. Das Modell funktioniert nur, wenn eine kritische Masse an Nutzern Spaß am Austausch der Fotos entwickelt. Das Unternehmen will 5,3 Millionen Aktien für bis zu 115 Millionen Euro verkaufen. Davon fließen allerdings 75 Prozent an die Altaktionäre.
Navigon
Der niederländische Konkurrent Tom-Tom hat es im Mai 2005 vorgemacht. Nun geht in diesem Jahr auch Navigon an die Börse. Der Anbieter tragbarer Navigationssysteme aus Hamburg will Aktien im Wert eines dreistelligen Millionenbetrages plazieren. Konsortialführer ist die Deutsche Bank. Die Anteile an Navigon halten bislang Firmenchef Peter Scheufen über die Beteiligungsgesellschaft NAV (75 Prozent) und der amerikanische Finanzinvestor General Atlantic (24,9 Prozent). Aufsichtsratsvorsitzender ist der ehemalige Mannesmann-Chef Klaus Esser, der inzwischen für General Atlantic arbeitet. Ein Rechtsstreit zwischen Scheufen und dem Verlagserben Alexander Falk über die Anteile der Beteiligungsgesellschaft NAV könnte den Börsengang verzögern. Navigon steigerte im Jahr 2005 den Umsatz mit 200 Mitarbeitern von 34 auf 100 Millionen Euro. Im Angebot sind mobile Navigationsgeräte für das Konsumgeschäft, Software für die Automobilindustrie und spezielle Lösungen wie Routenplanungen für Unternehmen
OVB
Für den Finanzvertrieb OVB soll der für Mitte dieses Jahres geplante Börsengang so etwas wie eine Zäsur sein - eine Trennlinie zwischen Vergangenheit und Zukunft. Die zu plazierenden Aktien dürften aus einer Kapitalerhöhung kommen. Dem Vernehmen nach ist ein höherer zweistelliger Millionenbetrag als Emissionsvolumen avisiert. Die Auswahl der Konsortialbanken befindet sich in der Endphase. Die Bewertung dürfte sich am Konkurrenten AWD orientieren. Der Emissionserlös soll zur Finanzierung der weiteren Expansion im Ausland vollständig im Unternehmen verbleiben. Auch nach dem Börsengang wird wohl der Versicherungskonzern Deutscher Ring die Mehrheit an der OVB halten. Doch soll der Streubesitz so groß sein, daß die Aufnahmekriterien für den S-Dax erfüllt sind. Mit Provisionseinnahmen von europaweit 181 Millionen Euro im Jahr 2005 ist die OVB der viertgrößte Finanzvertrieb in Deutschland. Bei der Vorstellung des jüngsten Jahresabschlusses gab der Vorstandsvorsitzende die Marschrichtung aus, bis 2009 den Provisionsumsatz um 60 Prozent und den Gewinn um 140 Prozent zu steigern.
Patrizia
Mit einem Emissionsvolumen von rund 400 Millionen Euro und einem Unternehmenswert von 800 Millionen Euro ist Patrizia Immobilien ein Kandidat für den M-Dax. 60 Prozent des Emissionserlöses streicht Firmengründer Wolfgang Egger ein, um, wie er sagt, künftige Kapitalerhöhungen zeichnen und dauerhaft die Mehrheit an dem Unternehmen halten zu können. Die Analysten trauen Patrizia zu, Umsatz und Gewinn in den nächsten beiden Jahren zu vervierfachen. Auf diese Annahme ist der Ausgabepreis der Aktien zum Börsengang am heutigen Freitag angelegt. Daß sich offenbar zahlreiche Anleger trotz der ambitionierten Bewertung zum Zeichnen bereit fanden, zeigt das Vertrauen darin, daß der deutsche Immobilienmarkt seinen Tiefpunkt erreicht hat. Patrizia macht 90 Prozent seines Umsatzes (im Jahr 2005: 99,5 Millionen Euro) mit dem Kauf von Wohnungen von Kommunen und Unternehmen. Anschließend werden die Wohnungen saniert und im Schnitt nach vier Jahren vorzugsweise an die Mieter verkauft. 3.000 bis 4.000 Wohnungen jährlich will Patrizia künftig kaufen. Der Emissionserlös könnte nur 18 Monate reichen. Dann könnte die nächste Kapitalerhöhung anstehen (siehe auch: Börsenkandidat Patrizia rechnet sich reich).
SAF
Der Schweizer Softwarehersteller SAF will am 6. April an die Deutsche Börse gehen. Von dem Gesamterlös von maximal 48 Millionen Euro fließen 25 Millionen Euro an die Altgesellschafter. Bislang gehören 60 Prozent der Anteile des Unternehmens den beiden Gründern Andreas von Beringe (heute Vorstandsvorsitzender) und Gerhard Arminger. Knapp 40 Prozent der Anteile entfallen auf die Beteiligungsgesellschaften Ventizz Capital, Techinvest, Paarl Ventures und New Value. Nach dem Börsengang soll der Anteil der Aktien im Streubesitz bei bis zu 49 Prozent liegen. Konsortialführer ist die französische Bank BNP Paribas. SAF bietet Software an, mit der die Bestellung von Waren im Handel gesteuert, automatisiert und beschleunigt werden kann. Mit den Einnahmen aus dem Börsengang will SAF in anderen Branchen außerhalb des Handels wie etwa der Konsumgüter- und der Automobilindustrie sowie im Pharma- und Transportsektor Fuß fassen. Die 1996 gegründete SAF setzte 2005 mit 50 Mitarbeitern 7,4 Millionen Euro um und erzielte einen Nettogewinn von mehr als zwei Millionen Euro. SAF hat mit dem Finanzamt eine niedrige Steuerquote für die nächsten Jahre von nur 10,9 Prozent vereinbart.
Solarwatt
Zum Jahresende 2005 hat der Börsengang nicht mehr geklappt. Ob der Sprung aufs Parkett dem Solarunternehmen Solarwatt in diesem Jahr gelingt, ist unklar. Konsortialführer ist die Deutsche Bank. Solarwatt, 1993 gegründet, ist seit 1998 profitabel und hat im Jahr 2005 mit 400 Mitarbeitern mehr als 100 Millionen (2004: 76 Millionen) Euro umgesetzt. Das Unternehmen mit Sitz in Dresden entwickelt und fertigt Solarmodule aus kristallinen Siliziumzellen in Laminiertechnologie. Das Interesse der Politik an alternativen Energien, jetzt auch in Amerika, und die guten Standortbedingungen in Deutschland durch das auch nach der Bundestagswahl nicht angetastete Erneuerbare-Energien-Gesetz machen Solaraktien derzeit zu den Lieblingen an der Börse.
Viscom
Die Viscom AG in Hannover wird zum Börsengang einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag plazieren. Damit gehört der Hersteller von automatischen Prüfsystemen zur Qualitätskontrolle zu den kleineren Emissionen. Den Emissionserlös will das Unternehmen verwenden, um sich Kunden in Asien und Amerika besser als bisher präsentieren zu können. Zentren mit Demonstrationsanlagen sollen in Schanghai und in der Nähe von Mexiko entstehen. Martin Heuser und Volker Pape, die Viscom 1984 gegründet haben und auch nach dem Börsengang die Mehrheit der Anteile halten werden, versprechen sich von einem stärkeren Vertrieb einen schnellen Umsatzschub noch in diesem Jahr und einen deutlichen Ergebnisbeitrag im Jahr 2007. Viscom wächst seit längerem um mehr als 20 Prozent jährlich und arbeitet mit Margen von mehr als 20 Prozent sehr profitabel. Das Unternehmen profitiert davon, daß die Elektronik fast alle Lebensbereiche durchdringt. Viscoms Prüfsysteme zur Fehlererkennung arbeiten auch mit Röntgenbildern und Computertomographen. 2005 machte das Unternehmen mit 236 Mitarbeitern einen Umsatz von 50 Millionen Euro. Der Börsengang wird begleitet von der Frankfurter Investmentbank Equinet.
Wacker Chemie
Warum sich das 1914 gegründete Familienunternehmen Wacker Chemie für den Schritt an die Börse entschieden hat, bleibt unklar. Die geplante Expansion könnte das Münchner Unternehmen auch aus eigener Kraft finanzieren, verkündet der Vorstand selbstbewußt. So drängt sich der Verdacht auf, daß mit dem Börsengang in erster Linie der Kauf der Unternehmensanteile von Sanofi-Aventis im vergangenen Jahr refinanziert werden soll. Sowohl die Familie als auch die Bank Morgan Stanley, zugleich zusammen mit UBS Konsortialführer der Emission, geben für die am 10. April geplante Erstnotiz Anteile ab. Mit einem Emissionsvolumen von bis zu 1,2 Milliarde Euro wäre der Börsengang der Wacker Chemie AG der bisher größte in diesem Jahr in Deutschland. Von dem Erlös sollen rund 365 Millionen Euro im Unternehmen bleiben. Der M-Dax-Kandidat profitiert derzeit besonders von der starken Nachfrage nach Silizium. Kunden sind die Solar- und die Halbleiterindustrie, darunter die eigene Tochtergesellschaft Siltronic, die aus Silizium Scheiben (Wafer) für die Chipproduktion herstellt. Der Ausbau der Siliziumproduktion zählt wie die Ausweitung des Geschäfts in China und der Bau einer Wafer-Fabrik gemeinsam mit Samsung zu den Investitionsschwerpunkten von Wacker in nächster Zeit.
Wilex
Das Münchener Biotechnologieunternehmen zählt inzwischen zu den Dauerbrennern unter den deutschen Börsenkandidaten. In der Branche ist sich jedermann einig, daß Wilex reif für den Börsengang wäre. Das Unternehmen verweist hingegen darauf, daß ein solcher Schritt nur eine von mehreren Optionen sei, um die weitere Finanzierung nach dem Jahr 2007 sicherzustellen. An die Börse begleitet würde Wilex wohl von der Investmentbank Goldman Sachs. Wilex entwickelt Krebstherapien zur Behandlung von soliden Tumoren, unter anderem von Nieren-, Brust- und Magenkrebs. Wilex-Gründer und Vorstandschef Olaf Wilhelm will auch nicht den Fehler machen, mit einem Unternehmen an die Börse zu gehen, das noch auf lange Sicht Verlust macht. Das wiederum hängt davon ab, wann Wilex sich dazu entschließt, eine Vertriebspartnerschaft für das in der Entwicklung am weitesten vorangeschrittene Krebsmedikament mit dem Namen Rencarex abzuschließen. Wilex hat bisher Eigenkapital und eigenkapitalähnliche Mittel in der für ein Unternehmen in diesem Stadium signifikanten Höhe von 68 Millionen Euro erhalten. Zu den Investoren gehören Apax Partners, Merlin Biosciences, TVM und Earlybird Venture Capital
Quelle: faz.net
Neuemissionen
Mit der Würstchenbude an die Börse
Haben sie es gemerkt? Der Dax steigt und steigt, und immer mehr Unternehmen gehen an die Börse.
Ein Unternehmen muß nicht profitabel sein, es braucht keine tolle Produkte und nur marginale Umsätze - das Volk zeichnet die Aktie. Höchste Zeit, die eigene Würstchenbude an die Börse zu bringen. Wir sagen Ihnen, worauf Sie achten sollten.
1. Der Name
Der Name ist wichtig. Besonders gut kommt derzeit Nano an. Solar ist auch nicht schlecht. Außerdem sind Internetwerte wieder angesagt.
„NanoSolar.com” - eigentlich der Traumname. Leider schon vergeben, und zwar an ein Unternehmen aus Kalifornien, das übrigens nicht an der Börse notiert ist. Wir wählen „nanosolarinvestors.com” - das klingt zusätzlich nach Beteiligungsunternehmen, was auch nicht schlecht ist.
2. Das Geschäftsmodell
Sie betreiben eine Würstchenbude. Das klingt nicht sexy, muß aber nur entsprechend verkauft werden. Siehe 3.
3. Die Informationspolitik
Behaupten Sie, ihre Würstchen fingen Sonnenlicht über Nanoröhrchen ein und speicherten die darin enthaltene Energie. Klar ist: Sie vermarkten Lifestyle- und Wellness-Produkte, keine Würstchen. Legen Sie Studien vor, die beweisen, daß ihre Würstchen die Fitneß steigern. Streuen Sie Gerüchte, auch die Potenz würde positiv beeinflußt. Kommentieren Sie diese Gerüchte nicht, denn Gerüchte locken immer Investoren an, Tatsachen nur selten.
Grundsätzlich gilt: Schicken Sie Ad-hoc-Meldungen nur zu unwichtigen Themen raus, wichtige verschweigen Sie. Beispiel: Wenn Sie ihre Würstchenbude in Hessen betreiben, verkaufen Sie im ersten Quartal ein Würstchen an einen Pfälzer, im zweiten Quartal dann drei. Melden Sie, Sie hätten Ihren Auslandsumsatz in nur einem Quartal verdreifacht.
4. Die Bilanzierung
Grundsätze der ordentlichen Buchführung? Das war gestern. Führen Sie Ihre Bücher nach fortschrittlichen Methoden: Rechnen Sie die Mehrmiete für einen neuen Standplatz auf die Umsätze drauf. Argumentieren Sie bei Nachfragen - sie werden selten genug kommen - wie folgt: Der Standplatz erhöht den Wert des Unternehmens, das wird den Umsatz erhöhen.
Zahlen Sie Ihrer Frau, die beim Verkauf aushilft, im ersten Quartal einen hohen und im zweiten Quartal keinen Lohn. Dadurch senken Sie Ihre Personalkosten in nur einem Quartal um 100 Prozent. Das kommt prima an - nicht bei Ihrer Frau, aber zumindest bei den Investoren.
5. Der Börsengang
Verzichten Sie auf eine Kapitalerhöhung, sondern bringen Sie nur Ihre eigenen Anteile an die Börse. Reagieren Sie auf den Vorwurf, Sie würden nur „Kasse machen”, mit dem Hinweis, daß die Aktionäre von künftigen Kapitalerhöhungen profitieren könnten.
Beeilen Sie sich mit Ihrem Börsengang. Die erste, zweite und dritte Würstchenbude finden problemlos Aktionäre. Dann geht die erste Würstchenbude pleite, dann die zweite, dann die dritte. Schließlich merken die Anleger, daß sie nur in eine Würstchenbude investiert haben - und sie geben keinen Cent mehr an der Börse aus. Die vierte Würstchenbude hat Pech gehabt.
Wenn Sie Inhaber der vierten Bude sind: Warten Sie ein paar Jahre ab. Erfahrungsgemäß investieren die Anleger dann wieder in Würstchenbuden.
Quelle: faz.net