Mit China wird der weltgrößte Produktpirat WTO-Mitglied
Wer in China einen Computer anmacht, fährt mit mehr als 90-prozentiger Sicherheit illegal kopierte Software hoch. Auch sonst bilden Raubkopien und Plagiate urheberrechtlich geschützter Waren die Basis für ganze Teile der Volkswirtschaft. Eine milliardenschwere Fälscherindustrie bietet Millionen von Menschen Lohn und Brot, ganze Städte leben von der Produktpiraterie.
Mit der Aufnahme in die Welthandelsorganisation WTO am Dienstag wird die Luft für Fälscher dünner - wenn es auch noch Jahre dauern dürfte, bis die Regierung in Peking wirklich entschlossen gegen den größten Volkssport der Volksrepublik vorgeht. Durch illegale Kopien aus China entstand Schätzungen von Experten zufolge allein der Software-Industrie im vergangenen Jahr ein Schaden von 1,12 Milliarden Dollar, ein drastischer Anstieg gegenüber dem Vorjahr mit 645 Millionen Dollar. Der viel zitierte Software-Klau stellt dabei nur einen Bruchteil der Produkte dar: Gefälscht wird alles, was Rang und Namen hat. Die Palette reicht von Hollywood-Filmen, DVDs und Videokassetten über CDs, Luxuswaren, Kosmetika, Zigaretten, Alkohol bis zum Shampoo und Auto-Bremspedalen. In manchen Fällen sind selbst heimische Firmen betroffen - etwa die Zigarettenmarke "Rote Pagode" und der Haushaltsgerätehersteller Quingdaio Haier.
KONZERNE DROHEN WEGEN RAUBKOPIEN MIT INVESTITIONSSTOPP
Ausländische Konzerne drohen der Regierung in Peking seit Jahren damit, weitere Investitionen in China zurückzuhalten, wenn den Produktpiraten nicht das Handwerk gelegt wird. Das Massenphänomen hemmt nicht zuletzt auch chinesische Firmen, eigenständige Produkte zu entwickeln. Experte Peter Humphrey von PriceWaterhouse Coopers fürchtet indes, Chinas WTO-Beitritt werde nicht viel ändern. "Fälschen ist tief verwurzelt in der chinesischen Kultur, und die Jobs vieler Menschen hängen daran." Alle Bemühungen blieben erfolglos, solange Polizei und Justiz nicht dahinter stünden: "Man kann den Kampf gegen das Fälschen nicht gewinnen, ohne gleichzeitig die Korruption zur Strecke zu bringen." In den vergangenen Monaten zeigte sich die Regierung immerhin gewillt, eine härtere Gangart einzulegen. Die Anstrengungen, Fälscher zu fassen und auch mit Haftstrafen zu belegen, hätten zugenommen, sagt Urheberrechts-Experte Humphrey. Erst vor zwei Monaten wurde das Merkenrecht verschärft. Wie weit der Weg noch ist, zeigte indes eine Initiative Pekings: In wenigstens einem Bereich soll nun weniger illegale Software eingesetzt werden - den Regierungsbehörden.