"Bild" im Sturzflug
Nein, Bild hat bei der Recherche keine Kosten gescheut. Das wurde gestern aus einem dieser blatttypischen Drei-Wort-Sätze deutlich: "Bild flog mit." Man könnte es auch anders formulieren: Bild flog auf.
Unbedingt wollte das Blatt beweisen, dass Umweltminister Jürgen Trittin dienstliche Bonusmeilen für private Urlaubsreisen nutzt. Also bestieg auch ein Bild-Team die "Air-Dolomiti-Maschine (Flugnummer EN 2676)" von Pisa nach München. Doch der Aufwand hat sich nicht gelohnt. Heraus kam nur ein einziges substanzielles Rechercheergebnis: Erstmals wurde ein Foto von Trittins Lebensgefährtin "Angelika B." gedruckt. Allerdings ist diese magere Ausbeute juristisch schwierig: Es fehlt die Einwilligung des Opfers. Das nennt man auch Recherche-GAU.
Außer Spesen ist nichts gewesen für Bild. Und die Spesen sind beträchtlich, übersteigen sie doch bei weitem die Reisetickets für zwei Sensationsjournalisten. Es wurde offensichtlich: Bild macht Wahlkampf, und zwar mit den fragwürdigen Methoden, die schon Günter Wallraff beschrieb.
Systematisch soll die unliebsame Regierung diskreditiert werden. Gezielt wird das Leben von grünen Spitzenpolitikern ausgeforscht, wird Privatsphäre missachtet. Aber dieser Eifer ruht natürlich, sobald es die eigene Klientel treffen könnte. Von einer möglichen Miles-Affäre des Berliner CDU-Spitzenkandidaten Günter Nooke erfahren die Bild-Leser nur ganz am Rande. Als sei es eine Petitesse.
Und schon gar nicht fühlt sich Bild berufen, in der anderen Affäre aus diesen Tagen herumzuwühlen. Es würde sich bestimmt lohnen, zu recherchieren, was es bedeutet, dass der Lobbyist Moritz Hunzinger jeden zu kennen schien, der in die CDU-Parteispendenaffäre prominent verwickelt war. Und dass er der Schatzmeister einer Vereinigung ist, die von Kohls anonymen Spenden profitierte. Aber warum sollte Bild dort auch nur ein bisschen Ausdauer investieren? Es verlief ja im Springer-Sinne: Der Grüne Cem Özdemir und Verteidigungsminister Rudolf Scharping sind zu Fall gebracht.
Zu Beginn der Ära Schröder konnte man meinen, auch Bild würde an die "neue Mitte" glauben. Das Blatt schien zu reifen, schien nicht mehr auf den kalten Krieg der Lager zu setzen. Diese Phase ist nun erkennbar vorbei. Auf der Titelseite freut man sich zwar wie eh und je über Unpolitisches, diesmal über Baby Schiffer, doch auf der Rückseite wird knallhart Politik gemacht. Das könnte man lustig finden, wenn Bild nicht so viele Leser hätte.
taz