Microsoft macht sich lächerlich
„Mama, der Peter lügt“, schreit das Kind. Und: „Papa, die Susi hat was geklaut.“ Man kennt solche Petzereien aus dem Kindergarten – und hört sie zur Zeit immer häufiger an der Wall Street. Microsoft ist die Petze, die mit dem Finger auf andere Unternehmen zeigt, die bessere Produkte haben und erfolgreicher performen.
Angefangen hat das Theater vor ein paar Monaten, als Apple eine neue Werbe-Kampagne ins Fernsehen brachte. Darin tauchen ein dynamischer Mitt-Dreißiger („Hallo, ich bin ein Mac.“) und ein etwas schwerfälliger, sehr bürokratischer Mitt-Vierziger („Hallo, ich bin ein PC.“) auf. Der PC-Mann bleibt mitten im Satz hängen, hat sich an irgendwelchen Viren angesteckt oder muss sich zur Abwehr von Spy-Ware total lächerlich verkleiden.
Jüngst war er sogar auf dem Weg ins Krankenhaus zu einer schweren Operation. Er bekomme „Vista“ eingebaut, klagte der PC über das neue Betriebssystem von Microsoft. Dafür bräuchte er aber Updates und eine neue Soundkarte und neue Chips. „Stimmt alles gar nicht“, schimpfte umgehend Bill Gates. Apple finde es wohl cool, falsche Meldungen zu verbreiten. Die User ließ das kalt, denn: Apple ist cool. Und die Werbung ist lustig. Dass Microsoft gleich so gekränkt reagierte, machte den Konzern aus Seattle einfach lächerlich.
Nichtsdestotrotz hat man sich nun ein neues Opfer vorgeknöpft: Google. In einer Rede vor einer Gruppe von Verlegern klagt Microsofts Rechtsberater Tom Rubin die Suchmaschine wegen deren Copyright-Verletzungen an. Dass Google Bücher komplett ins Internet stelle und auf Suchbegriffe durchkämme, und dass die Google-Tochter YouTube.com neben Heim-Videos auch TV- und Konzertausschnitte verbreite, sei „anmaßend“.
Nun, das mag sein – ist es aber auch schon sehr lange. Der Streit um YouTube.com ist bald ein Jahr alt, mit vielen Content-Anbietern hat das Unternehmen längst Lizenzverträge geschlossen. Zahlreiche Sender präsentieren Programme bewusst auf dem Video-Portal, und seit dieser Woche fahndet sogar das FBI mit Hilfe der Seite nach Schwerverbrechern.
Dass Google Bücher scannt und durchsucht ist noch viel länger bekannt. Und nach einem kurzen Aufschrei in der Branche hat sich der Tumult längst gelegt. Zum einen, weil Google Bücher nicht komplett zur Verfügung stellt, sondern Suchbegriff-orientiert nur abschnittsweise. Zum anderen, weil der Service im vergangenen Jahr allein 3,3 Milliarden Dollar an Anzeigen-Umsatz erwirtschaftet hat, die an Partnerfirmen und Kontent-Provider gehen.
Im Internet machen sich nun zahlreiche Blogger darüber lustig, dass sich mit Microsoft ausgerechnet der Hightech-Monopolist auf die Seite der Ausgebeuteten zu stellen versucht, der seit Jahren als Inbegriff des bösen Konzerns gesehen wird. Dazu kommt, dass Microsoft nichts Neues aufgreift. Mit seiner Kritik an anderen Unternehmen läuft man der öffentlichen Kritik meilenweit hinterher.
Im Kerngeschäft sieht das ähnlich aus, und das wird sich wohl nicht so bald ändern. Zumal die Konkurrenz im er härter wird. Am Dienstag haben sich Microsofts Lieblingsfeinde sogar zusammengeschlossen. Man entwickle zur Zeit „viele interessante Produkte mit Apple“, erklärte Google-CEO Eric Schmidt am Morgen. Mal sehen, was Bill Gates dazu einfällt.
Lars Halter
Quelle: http://www.wsc.de/inside.php?id=11822
Beste Grüße vom Gesellen