Merrill Lynch: \"Indien wird profitieren.\"
Interview mit Matei Mihalca, Chef-Analyst für Software- und Internet-Research, Asien-Pazifik bei Merrill Lynch
25,5% hat die Nasdaq im ersten Quartal dieses Jahres verloren und damit die meisten Börsen in Asien mit nach unten gezogen. Vor allem der Technologie-Sektor musste erneut kräftig leiden. Pünktlich zu Beginn des zweiten Quartals häufen sich die Anzeichen, dass Asiens Technologie-Werte das schlimmste überstanden haben könnten. Insbesondere in Indien bieten sich mittlerweile attraktive Einstiegsmöglichkeiten, meint Merrill-Lynch-Analyst Matei Mihalca.
Herr Mihalca leitet für die renommierte US-Investmentbank von Hongkong aus die Abteilung für Software- und Internet-Research in der Region Asien-Pazifik. Im Interview mit wallstreet:online rät er trotz einiger noch bestehender Risiken gezielt zum Einstieg.
? Herr Mihalca, das erste Quartal 2001 ist vorbei. Es war das vierte Quartal in Folge mit fallenden Technologie-Aktien. Die amerikanische Technologie-Börse Nasdaq hat in dieser Zeit weitere 25,5% verloren. Nun sieht es erstmals seit langem so aus als könnten die Märkte weltweit ihren Boden finden. Ist dies der Fall oder findet hier nur eine erneute Bärenmarkt-Rallye statt, bevor es weiter abwärts geht?
M. Mihalca: Zur Nasdaq möchte ich mich nicht direkt äußern, da das meinen US-Kollegen obliegt. Aber einige der Aktien, die wir in Asien beobachten, z.B. von ausgewählten indischen Software-Unternehmen, sind zum aktuellen Zeitpunkt attraktiv bewertet. Obwohl sich deren Wachstum leicht abgeschwächt hat, ist es mit 30% bis 40% noch immer stark. Die Unternehmen haben Netto-Gewinnmargen von 30% und werden mit Kursgewinnverhältnissen von 10 gehandelt. Wir denken einige dieser Namen sind lohnenswert.
? Einige Analysten und Ökonomen sind der Meinung, dass wir die hohen Wachstumsraten der 90er Jahre so schnell nicht wieder sehen werden.
M. Mihalca: Wenn ich mir die Technologie-Branche ansehe, fallen mir einige besorgniserregende Dinge auf. Vor allem sieht es so aus, als könnte die Nachfrage nach Technologie hinter dem Angebot an Technologie zurück bleiben. Das ist ein Kernpunkt, bei dem sich wieder ein Gleichgewicht einfinden muss. Auch wenn Technologie grundsätzlich von positiven Faktoren getrieben wird, ist der Sektor nicht immun gegen zyklische Schwankungen – das ist es, was wir aktuell sehen. Ich glaube, dass die Geschwindigkeit der Nachfrage sich ändert und dass sektorübergreifende Lösungen Platz machen müssen für unternehmensspezifische Investitionen. Einige Unternehmen werden sich in diesem Umfeld besser zurecht finden als andere. Es wird nicht mehr so sein, dass die Mehrheit der Unternehmen gleichermaßen hohe Wachstumsraten erreicht. Zudem spielt auch das Ende der PC-Ära eine Rolle bei den derzeitigen Veränderungen.
? Nachdem die Technologie-Blase an den Weltbörsen geplatzt ist, haben viele Unternehmen es wesentlich schwerer, Kapital aufzunehmen. Gleichzeitig üben Investoren Druck auf die Unternehmen aus, sich mehr auf Kostensenkungen und Gewinne zu konzentrieren. Was wird unter diesen Umständen aus den Expansions-Plänen und den ehrgeizigen Umsatzzielen der Technologie-Unternehmen?
M. Mihalca: Ich achte auf die Informations-Technologie-Ausgaben des gesamten Unternehmens-Sektors und auf die Budgets für Forschung und Entwicklung bei den Technologie-Konzernen, da diese das Angebot bestimmen. Unternehmensinvestitionen dürften dieses Jahr etwas geringer ausfallen, aber der Trend zum Outsourcen wird zunehmen, wenn die Unternehmen ihre Kontrolle nach den drastischen Änderungen des Wirtschaftsumfeldes wieder zurückgewinnen. Gerade in einem Abschwung bietet Outsourcing eine überzeugende Lösung, die Qualitäts- und Kostensenkungsansprüchen gleichermaßen gerecht wird. Forschung und Entwicklung war ohnehin nicht die Stärke vieler Unternehmen, die stattdessen Fusionen und Übernahmen als Ersatz für die eigene Technologieentwicklung genutzt haben. Über offene Standards können ausländische Lieferanten akzeptable Lösungen anbieten und auf eigene Faust Nischen finden. Beispielsweise engagieren sich viele indische Unternehmen in entsprechenden Industrieverbänden, die sich um die Formulierung solcher Standards kümmern.
? China hat kürzlich ein Wirtschaftswachstum von 8,1% für das erste Quartal gemeldet und damit die Erwartungen übertroffen. Ist China das Land auf das sich Investoren konzentrieren sollten oder gibt es interessantere Länder?
M. Mihalca: Aus meiner Sicht findet gerade ein fundamentaler, globaler Wandel statt, der durch den Wechsel weg von Hardware und hin zu Software gekennzeichnet ist, da dadurch Funktionalität geboten und gesteigert werden kann. Indien wird davon profitieren beziehungsweise profitiert bereits davon.
? Gibt es eine Technologie-Aktie, die in keinem Asien-Portfolio fehlen sollte?
M. Mihalca: Das Software-Unternehmen Infosys.
? Welchen Zeithorizont würden Sie Investoren für Investitionen in asiatische Technologie-Aktien empfehlen?
M. Mihalca Fundamental könnte sich die Situation im zweiten Halbjahr 2001 verbessern, aber es ist schwierig, das zu verallgemeinern. Die Erholung der Technologie-Aktien hängt derzeit vermutlich großenteils von volkswirtschaftlichen Faktoren ab. Mein Standpunkt ist, dass es zurzeit attraktiv bewertete Unternehmen gibt, wenn man einen längeren Anlagehorizont hat, mindestens ein Jahr.
? Vermutlich gibt es allerdings auch gute Gründe, derzeit nicht in asiatischen Technologie-Aktien engagiert zu sein. Was würden Sie als die größte Gefahr für eine erfolgreiche Anlage in asiatische Technologie-Werte bezeichnen?
M. Mihalca: Dass die USA – und der Rest der Welt – in eine langanhaltende, umfassende Rezession rutschen.
Herr Mihalca, vielen Dank für das Interview.
Für wallstreet:online aus Kuala Lumpur, Malaysia.
Autor: Henning Osmers, 18:10 21.04.01
Interview mit Matei Mihalca, Chef-Analyst für Software- und Internet-Research, Asien-Pazifik bei Merrill Lynch
25,5% hat die Nasdaq im ersten Quartal dieses Jahres verloren und damit die meisten Börsen in Asien mit nach unten gezogen. Vor allem der Technologie-Sektor musste erneut kräftig leiden. Pünktlich zu Beginn des zweiten Quartals häufen sich die Anzeichen, dass Asiens Technologie-Werte das schlimmste überstanden haben könnten. Insbesondere in Indien bieten sich mittlerweile attraktive Einstiegsmöglichkeiten, meint Merrill-Lynch-Analyst Matei Mihalca.
Herr Mihalca leitet für die renommierte US-Investmentbank von Hongkong aus die Abteilung für Software- und Internet-Research in der Region Asien-Pazifik. Im Interview mit wallstreet:online rät er trotz einiger noch bestehender Risiken gezielt zum Einstieg.
? Herr Mihalca, das erste Quartal 2001 ist vorbei. Es war das vierte Quartal in Folge mit fallenden Technologie-Aktien. Die amerikanische Technologie-Börse Nasdaq hat in dieser Zeit weitere 25,5% verloren. Nun sieht es erstmals seit langem so aus als könnten die Märkte weltweit ihren Boden finden. Ist dies der Fall oder findet hier nur eine erneute Bärenmarkt-Rallye statt, bevor es weiter abwärts geht?
M. Mihalca: Zur Nasdaq möchte ich mich nicht direkt äußern, da das meinen US-Kollegen obliegt. Aber einige der Aktien, die wir in Asien beobachten, z.B. von ausgewählten indischen Software-Unternehmen, sind zum aktuellen Zeitpunkt attraktiv bewertet. Obwohl sich deren Wachstum leicht abgeschwächt hat, ist es mit 30% bis 40% noch immer stark. Die Unternehmen haben Netto-Gewinnmargen von 30% und werden mit Kursgewinnverhältnissen von 10 gehandelt. Wir denken einige dieser Namen sind lohnenswert.
? Einige Analysten und Ökonomen sind der Meinung, dass wir die hohen Wachstumsraten der 90er Jahre so schnell nicht wieder sehen werden.
M. Mihalca: Wenn ich mir die Technologie-Branche ansehe, fallen mir einige besorgniserregende Dinge auf. Vor allem sieht es so aus, als könnte die Nachfrage nach Technologie hinter dem Angebot an Technologie zurück bleiben. Das ist ein Kernpunkt, bei dem sich wieder ein Gleichgewicht einfinden muss. Auch wenn Technologie grundsätzlich von positiven Faktoren getrieben wird, ist der Sektor nicht immun gegen zyklische Schwankungen – das ist es, was wir aktuell sehen. Ich glaube, dass die Geschwindigkeit der Nachfrage sich ändert und dass sektorübergreifende Lösungen Platz machen müssen für unternehmensspezifische Investitionen. Einige Unternehmen werden sich in diesem Umfeld besser zurecht finden als andere. Es wird nicht mehr so sein, dass die Mehrheit der Unternehmen gleichermaßen hohe Wachstumsraten erreicht. Zudem spielt auch das Ende der PC-Ära eine Rolle bei den derzeitigen Veränderungen.
? Nachdem die Technologie-Blase an den Weltbörsen geplatzt ist, haben viele Unternehmen es wesentlich schwerer, Kapital aufzunehmen. Gleichzeitig üben Investoren Druck auf die Unternehmen aus, sich mehr auf Kostensenkungen und Gewinne zu konzentrieren. Was wird unter diesen Umständen aus den Expansions-Plänen und den ehrgeizigen Umsatzzielen der Technologie-Unternehmen?
M. Mihalca: Ich achte auf die Informations-Technologie-Ausgaben des gesamten Unternehmens-Sektors und auf die Budgets für Forschung und Entwicklung bei den Technologie-Konzernen, da diese das Angebot bestimmen. Unternehmensinvestitionen dürften dieses Jahr etwas geringer ausfallen, aber der Trend zum Outsourcen wird zunehmen, wenn die Unternehmen ihre Kontrolle nach den drastischen Änderungen des Wirtschaftsumfeldes wieder zurückgewinnen. Gerade in einem Abschwung bietet Outsourcing eine überzeugende Lösung, die Qualitäts- und Kostensenkungsansprüchen gleichermaßen gerecht wird. Forschung und Entwicklung war ohnehin nicht die Stärke vieler Unternehmen, die stattdessen Fusionen und Übernahmen als Ersatz für die eigene Technologieentwicklung genutzt haben. Über offene Standards können ausländische Lieferanten akzeptable Lösungen anbieten und auf eigene Faust Nischen finden. Beispielsweise engagieren sich viele indische Unternehmen in entsprechenden Industrieverbänden, die sich um die Formulierung solcher Standards kümmern.
? China hat kürzlich ein Wirtschaftswachstum von 8,1% für das erste Quartal gemeldet und damit die Erwartungen übertroffen. Ist China das Land auf das sich Investoren konzentrieren sollten oder gibt es interessantere Länder?
M. Mihalca: Aus meiner Sicht findet gerade ein fundamentaler, globaler Wandel statt, der durch den Wechsel weg von Hardware und hin zu Software gekennzeichnet ist, da dadurch Funktionalität geboten und gesteigert werden kann. Indien wird davon profitieren beziehungsweise profitiert bereits davon.
? Gibt es eine Technologie-Aktie, die in keinem Asien-Portfolio fehlen sollte?
M. Mihalca: Das Software-Unternehmen Infosys.
? Welchen Zeithorizont würden Sie Investoren für Investitionen in asiatische Technologie-Aktien empfehlen?
M. Mihalca Fundamental könnte sich die Situation im zweiten Halbjahr 2001 verbessern, aber es ist schwierig, das zu verallgemeinern. Die Erholung der Technologie-Aktien hängt derzeit vermutlich großenteils von volkswirtschaftlichen Faktoren ab. Mein Standpunkt ist, dass es zurzeit attraktiv bewertete Unternehmen gibt, wenn man einen längeren Anlagehorizont hat, mindestens ein Jahr.
? Vermutlich gibt es allerdings auch gute Gründe, derzeit nicht in asiatischen Technologie-Aktien engagiert zu sein. Was würden Sie als die größte Gefahr für eine erfolgreiche Anlage in asiatische Technologie-Werte bezeichnen?
M. Mihalca: Dass die USA – und der Rest der Welt – in eine langanhaltende, umfassende Rezession rutschen.
Herr Mihalca, vielen Dank für das Interview.
Für wallstreet:online aus Kuala Lumpur, Malaysia.
Autor: Henning Osmers, 18:10 21.04.01
