...kaufen Sie jetzt, so lange Sie noch arm sind: Aktien! Ja! Und von den Gewinnen kann man sich dann auch Deutschländerwürstchen leisten!
Guten Tag, hochverehrte Arivaner! Falls Sie der Meinung sind, Anleger gibt's nur am Hafen, können Sie diese Kolumne überspringen und weiter Ihre Strickliesl bedienen oder das Bild-Kreuzworträtsel unter Zuhilfenahme des Fremdwörterlexikons ausfüllen. Und Sie sollten sich ernsthaft Gedanken machen. Wir leben ja in einer Welt, in der jeder seinen Dispokredit in Aktien anlegen darf. Gut und schön, doch was machen diejenigen, die keinen Dispokredit haben. Oder noch schlimmer: Sozialhilfeempfänger, Penner und der Abschaum der Menschheit? Sollen die etwa zusehen, wie sich Normalbürger wie Sie und ich den dicken Otto einschieben, während die armen Schlucker weiterhin bei Aldi kaufen müssen und sich für 8 Mark die Stunde krummbuckeln? So was nagt am Integrationsgefühl, ja sogar am Selbstwertempfinden. Denn wenn Nachbar Rainer pfeiferauchend von seinen kürzlich gemachten Kursgewinnen mit Stefan Raab-Optionsscheinen vorschwärmt, was soll sich ein sozial schwacher da denken? Etwa: »Alle können in Aktien anlegen nur ich nicht? Ich bring' diese Aktien-Wichser alle um, die Schweine!«
Die Folge ist eine zunehmende Kriminalisierung dieser Menschengruppierung, der »Nicht-Anleger«, im Fachjargon auch »Vollproleten« geschimpft. Diese Menschenschicht, die für die anderen die Kursgewinne einfährt, indem sie täglich das macht, was den tollen Technologiewerten an der Börse zum Gewinn verhilft: Arbeiten. Dumm, dass es auch die noch gibt, was, Spekulanten? Ohne die wäre der Gewinn nämlich noch höher, der Return of Investment perfekt! Nur, äh, dann wären ja alle an der Börse, und keiner würde mehr... äh. Egal. Jedenfalls: Dieser untragbare Zustand führt zu Unzufriedenheit und letztendlich zu kriminellen Handlungen des Einzelnen Nichtspekulanten, der dann alten Damen die Handtasche klaut, nur um sich ein, zwei T-Aktien vom Erklauten kaufen zu können, ein wenig teilzuhaben am guten Gefühl, viel zu kriegen fürs Nixtun!
»Ihr Aktientip hat mich steinreich gemacht!«
»Nicht der Rede wert, Mausi. Los leg dich da hin!«
Es ist doch so: Wenn Manfred Krug den gutgläubigen Fernsehzuschauern wieder einen von der neuen Aktie vorschwadroniert, und wie toll doch alles in der heilen rosa T-Welt ist, greifen doch alle wieder zum Telefonhörer, um die Aktie im Sack zu kaufen. Und wer bitte glaubt dem altklugen Mann mit der Narbe, dem früheren Ostzonen-Minnesänger mit seiner vertrauenserweckend-rührseligen Stimme denn nicht, dass die T-Aktie tatsächlich das Non-Plus-Ultra des Stockmarkets darstellt? Richtig: Keiner. Alle rennen los, und zeichnen, was das Zeug hält. Die Verlierer sind die armen Schweine, die denken Aktien könne man auch mit Buntstiften zeichnen, und sich dann wundern, wo die Kursgewinne bleiben.
»Was soll das heißen:
Widerrechtliches Tragen eines lächerlichen Hutes?!«
So kann das nicht weitergehen:
-Vater Staat muss intervenieren!
Das heißt: Auch schlechter betuchten den Nervenkitzel an der Aktienbörse durch staatliche Mittel ermöglichen. Deswegen fordere ich einen staatlich geförderten Aktienkredit für Jedermann! Aktienbons statt Essensmarken! Spekulantengeld statt Wohnbeihilfe! Ja, wo soll das denn hinführen, wenn sich da eine Zwei-Schichten-Gesellschaft herauskristallisiert, in Deutschland? Eine Schicht aus Anlegern und Spekulanten, lachende Gewinner und Neureiche; die andere aus sozial schwachen und armen Menschen, die nur sabbernd zusehen können, wenn der XETRA-DAX wieder um drei Prozentpunkte steigt. Jeder, der glaubhaft sein Interesse an der Aktienbörse belegen kann, aber keine Eigenmittel zum Spekulieren aufweisen kann, sollte gefördert werden, damit kriminelle Handlungen schon im Vorfeld gestoppt werden.
»Und dett könnwa uns ooch leisten, wa?«
»Na aber sicher, Ihr Penner!«
»Goil, Manni!«
Ich will nicht eines Tages an einer roten Ampel in meinem von Aktiengewinnen gekauften 500 SL einen Totschläger über die Rübe kriegen!
Ich sage ja zum Aktienbon. Und Ihr?
1999 als die Welt noch rosa sah!
Guten Tag, hochverehrte Arivaner! Falls Sie der Meinung sind, Anleger gibt's nur am Hafen, können Sie diese Kolumne überspringen und weiter Ihre Strickliesl bedienen oder das Bild-Kreuzworträtsel unter Zuhilfenahme des Fremdwörterlexikons ausfüllen. Und Sie sollten sich ernsthaft Gedanken machen. Wir leben ja in einer Welt, in der jeder seinen Dispokredit in Aktien anlegen darf. Gut und schön, doch was machen diejenigen, die keinen Dispokredit haben. Oder noch schlimmer: Sozialhilfeempfänger, Penner und der Abschaum der Menschheit? Sollen die etwa zusehen, wie sich Normalbürger wie Sie und ich den dicken Otto einschieben, während die armen Schlucker weiterhin bei Aldi kaufen müssen und sich für 8 Mark die Stunde krummbuckeln? So was nagt am Integrationsgefühl, ja sogar am Selbstwertempfinden. Denn wenn Nachbar Rainer pfeiferauchend von seinen kürzlich gemachten Kursgewinnen mit Stefan Raab-Optionsscheinen vorschwärmt, was soll sich ein sozial schwacher da denken? Etwa: »Alle können in Aktien anlegen nur ich nicht? Ich bring' diese Aktien-Wichser alle um, die Schweine!«
Die Folge ist eine zunehmende Kriminalisierung dieser Menschengruppierung, der »Nicht-Anleger«, im Fachjargon auch »Vollproleten« geschimpft. Diese Menschenschicht, die für die anderen die Kursgewinne einfährt, indem sie täglich das macht, was den tollen Technologiewerten an der Börse zum Gewinn verhilft: Arbeiten. Dumm, dass es auch die noch gibt, was, Spekulanten? Ohne die wäre der Gewinn nämlich noch höher, der Return of Investment perfekt! Nur, äh, dann wären ja alle an der Börse, und keiner würde mehr... äh. Egal. Jedenfalls: Dieser untragbare Zustand führt zu Unzufriedenheit und letztendlich zu kriminellen Handlungen des Einzelnen Nichtspekulanten, der dann alten Damen die Handtasche klaut, nur um sich ein, zwei T-Aktien vom Erklauten kaufen zu können, ein wenig teilzuhaben am guten Gefühl, viel zu kriegen fürs Nixtun!
»Ihr Aktientip hat mich steinreich gemacht!«
»Nicht der Rede wert, Mausi. Los leg dich da hin!«
Es ist doch so: Wenn Manfred Krug den gutgläubigen Fernsehzuschauern wieder einen von der neuen Aktie vorschwadroniert, und wie toll doch alles in der heilen rosa T-Welt ist, greifen doch alle wieder zum Telefonhörer, um die Aktie im Sack zu kaufen. Und wer bitte glaubt dem altklugen Mann mit der Narbe, dem früheren Ostzonen-Minnesänger mit seiner vertrauenserweckend-rührseligen Stimme denn nicht, dass die T-Aktie tatsächlich das Non-Plus-Ultra des Stockmarkets darstellt? Richtig: Keiner. Alle rennen los, und zeichnen, was das Zeug hält. Die Verlierer sind die armen Schweine, die denken Aktien könne man auch mit Buntstiften zeichnen, und sich dann wundern, wo die Kursgewinne bleiben.
»Was soll das heißen:
Widerrechtliches Tragen eines lächerlichen Hutes?!«
So kann das nicht weitergehen:
-Vater Staat muss intervenieren!
Das heißt: Auch schlechter betuchten den Nervenkitzel an der Aktienbörse durch staatliche Mittel ermöglichen. Deswegen fordere ich einen staatlich geförderten Aktienkredit für Jedermann! Aktienbons statt Essensmarken! Spekulantengeld statt Wohnbeihilfe! Ja, wo soll das denn hinführen, wenn sich da eine Zwei-Schichten-Gesellschaft herauskristallisiert, in Deutschland? Eine Schicht aus Anlegern und Spekulanten, lachende Gewinner und Neureiche; die andere aus sozial schwachen und armen Menschen, die nur sabbernd zusehen können, wenn der XETRA-DAX wieder um drei Prozentpunkte steigt. Jeder, der glaubhaft sein Interesse an der Aktienbörse belegen kann, aber keine Eigenmittel zum Spekulieren aufweisen kann, sollte gefördert werden, damit kriminelle Handlungen schon im Vorfeld gestoppt werden.
»Und dett könnwa uns ooch leisten, wa?«
»Na aber sicher, Ihr Penner!«
»Goil, Manni!«
Ich will nicht eines Tages an einer roten Ampel in meinem von Aktiengewinnen gekauften 500 SL einen Totschläger über die Rübe kriegen!
Ich sage ja zum Aktienbon. Und Ihr?
1999 als die Welt noch rosa sah!