Geschmackssache
Wut, daß es McDonald's gibt
Von Jürgen Dollase
18. Juni 2004 Die regelmäßigen Kampagnen von McDonald's zur Imageverbesserung bedienen sich natürlich derjenigen gedanklichen Kanäle und Konstellationen, die in einem bestimmten Land und zu einer bestimmten Zeit am erfolgversprechendsten sind.
Typisch für sie ist, daß sie die kulinarischen Probleme im engeren Sinne nicht berühren, sondern sich dort betätigen, wo auch andere Essens-Instrumentalisierer arbeiten, also im eher technischen Sektor von Nährwert, Modernität und Gesundheit oder der hierzulande so wichtigen "political correctness", etwa bei der Fleischbeschaffung.
Entwickelt sich da am Horizont gar eine Allianz von alten Gegnern, weil es McDonald's mit Leichtigkeit gelingt, wissenschaftliche Zeugen für die technische Unbedenklichkeit ihrer Produkte zu benennen - und erst recht für die Übereinstimmung der Firmenpolitik mit den sich neuerdings so schick und großstädtisch auflösenden Formen traditionellen Essens und seiner sozialen Position? Mögliche Verwüstungen im gustatorischen Weltbild derjenigen, für die Eßbares im Stil von McDonald's zur Bezugsgröße wird, werden auf diese Weise - wieder einmal - nicht thematisiert.
Schon optisch wenig ähnlich
Ohnehin verblassen die Programme vor der schieren Realität des tatsächlich verkauften Produktes, das in der Regel schon optisch wenig Ähnlichkeit mit der Makrofotografie "saftig" komponierter Kreationen in der Werbung hat. Entsprechend ernüchternd ist die kulinarische Bestandsaufnahme.
Der normale Hamburger wird als pampig-feuchte Masse geliefert, weil die spärlich dimensionierte Sauce auch noch in das Brot eingezogen ist. Das Fleisch (etwa fünf Millimeter dick) ist von extremer Übergarung ausgesprochen trocken und hat keinerlei identifizierbaren Geschmack. Gemüse und Sauce vermischen sich zu einem kräftigen Süß-sauer-Geschmack (dem Weltgeschmack Nummer eins), der stark von Zwiebelaroma, Gurke und Gewürzen bestimmt ist. Der Gesamtakkord ist nicht saftig, sondern trocken. Das berühmte McDonald's-Mouthfeeling (also die Textur) hat im "normalen" Essen kaum eine Parallele. Es entspricht etwa einem Biß in die entspannte Unterarm-Muskulatur.
Fisch von schlechter Qualität
Beim Fisch-Mäc verschwindet der Fischgeschmack im Akkord vollständig. In der Sauce dominieren abermals kräftige Aromen von Gurke und Zwiebel, deren Effekt vor allem ein langer, unangenehmer Nachgeschmack ist. Der gepreßte Fisch - von seiner dicken Panade befreit - ist von schlechter Qualität und schmeckt deutlich "fischig". Panade und Sauce übertünchen dieses Problem allerdings.
Ganz ähnlich ist der Aufbau beim McChicken, wo wieder ein überaus schwaches Grundprodukt (gepreßtes Hühnerfleisch, pur quasi ohne Ähnlichkeit mit einem auch nur annähernd tolerablen Hühnergeschmack) durch eine weitere Variation des Süß-Sauren zu dem typischen McDonald's-Geschmacksbild aufgebaut wird. Hier wird diese Arbeit von einer Panade - die stark nach industrieller Tütensuppe schmeckt - und einer süßlichen Mayonnaise geleistet, in der sich einige matschig gewordene Salatstreifen befinden.
Undefinierbare Pampe
Weitere Produkte setzen diese Linie fort, ob beim Honolulu-Chicken mit einem stärker süßlichen Spektrum oder beim McRib mit einer großen Ähnlichkeit zu einer schlechten, stark überwürzten Currywurst, ob bei den Garnelen de luxe mit der Kombination aus übertünchtem Garnelengeschmack und Chili-Sauce (mit Glucosesirup und Gewürzextrakt) oder einem Gemüse-Mäc, bei dem einem vordergründigen Körner-Panade-Kauerlebnis wieder nur eine undefinierbare Pampe folgt.
In der Summe ergeben sich klare Strukturen: In einer dem normalen Essen nur vage ähnlichen Textur werden schwache Grundprodukte in einen stark süß-sauer gewürzten Zusammenhang gebracht. Das von McDonald's vermittelte kulinarische Weltbild hat mit entwickelter Eßkultur nichts zu tun. Der Verzicht auf jedweden konkreten Produktgeschmack im engeren Sinne und die gleichzeitige, konsequente Förderung eines undefinierbaren (und unausweichlichen) Mischgeschmackes stellen eine Art kulinarischer Desozialisierung dar.
Entwicklungshemmend
Aus der Erforschung kindlicher Verhaltensweisen ist bekannt, daß süßliche Aromen und stark gemischte Formen bis weit ins Jugendalter bevorzugt werden. Im Prozeß der kulinarischen Sozialisation kann sodann die Gewöhnung an ein immergleiches Geschmacksbild eine traurige Rolle spielen, weil in dem Maße, in dem der Kontakt (das Lernen) mit anderen Nahrungsmitteln ausbleibt, deren Akzeptanz schwierig bis kaum mehr möglich wird. Insofern ist die Rolle von McDonald's bei der Einübung in die Eßkultur kontraproduktiv, weil entwicklungshemmend.
Im Detail wird klar, welche Auswirkungen eine Fixierung auf die kulinarische Welt in dieser industrialisierten Form hat. Wer keine direkten Produktaromen mehr erlebt, geschweige denn solche in guter Qualität und Zubereitung, läuft Gefahr, im Kontakt mit identifizierbarem Essen dieses für das eigentlich "nicht richtige" zu halten.
Infantilisierung und Regression
Gewöhnt an Fisch, Fleisch und Geflügel in Form von Kaumaterial, wird das gute Original als das eigentlich befremdliche empfunden, schmecken bald die Erbsen aus der Dose (ein klassischer Test) besser als frische Erbsen, und alles, was nicht mit penetranter Würzung versehen ist, wirkt fade. Dem perfekt gegarten und präzise mit Salz und Pfeffer gewürzten Fleisch oder Fisch fehlt die Dichte der übertünchenden Würzsaucen, das plötzlich nicht mehr versteckte Grundmaterial irritiert in seiner Deutlichkeit. So wie für Kinder und Jugendliche Entwicklungshemmung zu befürchten ist, bedeutet der gleiche Mechanismus für Erwachsene Infantilisierung und Regression.
Davon hängt der Unternehmenserfolg ab. Die Mär vom billigen Essen ist bizarr verfälschend. Da kostet ein Essen für Eltern und zwei Kinder mal eben vierundzwanzig Euro. Für diesen Preis läßt sich ohne weiteres ein gutes bis sehr gutes Essen kochen. Es ist ein Teufelskreis: Verführung, Gewöhnung und die Entmündigung zum lebenslangen Stammkunden, dessen kulinarisches Raster nur noch hier bedient werden kann.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung
Wut, daß es McDonald's gibt
Von Jürgen Dollase
18. Juni 2004 Die regelmäßigen Kampagnen von McDonald's zur Imageverbesserung bedienen sich natürlich derjenigen gedanklichen Kanäle und Konstellationen, die in einem bestimmten Land und zu einer bestimmten Zeit am erfolgversprechendsten sind.
Typisch für sie ist, daß sie die kulinarischen Probleme im engeren Sinne nicht berühren, sondern sich dort betätigen, wo auch andere Essens-Instrumentalisierer arbeiten, also im eher technischen Sektor von Nährwert, Modernität und Gesundheit oder der hierzulande so wichtigen "political correctness", etwa bei der Fleischbeschaffung.
Entwickelt sich da am Horizont gar eine Allianz von alten Gegnern, weil es McDonald's mit Leichtigkeit gelingt, wissenschaftliche Zeugen für die technische Unbedenklichkeit ihrer Produkte zu benennen - und erst recht für die Übereinstimmung der Firmenpolitik mit den sich neuerdings so schick und großstädtisch auflösenden Formen traditionellen Essens und seiner sozialen Position? Mögliche Verwüstungen im gustatorischen Weltbild derjenigen, für die Eßbares im Stil von McDonald's zur Bezugsgröße wird, werden auf diese Weise - wieder einmal - nicht thematisiert.
Schon optisch wenig ähnlich
Ohnehin verblassen die Programme vor der schieren Realität des tatsächlich verkauften Produktes, das in der Regel schon optisch wenig Ähnlichkeit mit der Makrofotografie "saftig" komponierter Kreationen in der Werbung hat. Entsprechend ernüchternd ist die kulinarische Bestandsaufnahme.
Der normale Hamburger wird als pampig-feuchte Masse geliefert, weil die spärlich dimensionierte Sauce auch noch in das Brot eingezogen ist. Das Fleisch (etwa fünf Millimeter dick) ist von extremer Übergarung ausgesprochen trocken und hat keinerlei identifizierbaren Geschmack. Gemüse und Sauce vermischen sich zu einem kräftigen Süß-sauer-Geschmack (dem Weltgeschmack Nummer eins), der stark von Zwiebelaroma, Gurke und Gewürzen bestimmt ist. Der Gesamtakkord ist nicht saftig, sondern trocken. Das berühmte McDonald's-Mouthfeeling (also die Textur) hat im "normalen" Essen kaum eine Parallele. Es entspricht etwa einem Biß in die entspannte Unterarm-Muskulatur.
Fisch von schlechter Qualität
Beim Fisch-Mäc verschwindet der Fischgeschmack im Akkord vollständig. In der Sauce dominieren abermals kräftige Aromen von Gurke und Zwiebel, deren Effekt vor allem ein langer, unangenehmer Nachgeschmack ist. Der gepreßte Fisch - von seiner dicken Panade befreit - ist von schlechter Qualität und schmeckt deutlich "fischig". Panade und Sauce übertünchen dieses Problem allerdings.
Ganz ähnlich ist der Aufbau beim McChicken, wo wieder ein überaus schwaches Grundprodukt (gepreßtes Hühnerfleisch, pur quasi ohne Ähnlichkeit mit einem auch nur annähernd tolerablen Hühnergeschmack) durch eine weitere Variation des Süß-Sauren zu dem typischen McDonald's-Geschmacksbild aufgebaut wird. Hier wird diese Arbeit von einer Panade - die stark nach industrieller Tütensuppe schmeckt - und einer süßlichen Mayonnaise geleistet, in der sich einige matschig gewordene Salatstreifen befinden.
Undefinierbare Pampe
Weitere Produkte setzen diese Linie fort, ob beim Honolulu-Chicken mit einem stärker süßlichen Spektrum oder beim McRib mit einer großen Ähnlichkeit zu einer schlechten, stark überwürzten Currywurst, ob bei den Garnelen de luxe mit der Kombination aus übertünchtem Garnelengeschmack und Chili-Sauce (mit Glucosesirup und Gewürzextrakt) oder einem Gemüse-Mäc, bei dem einem vordergründigen Körner-Panade-Kauerlebnis wieder nur eine undefinierbare Pampe folgt.
In der Summe ergeben sich klare Strukturen: In einer dem normalen Essen nur vage ähnlichen Textur werden schwache Grundprodukte in einen stark süß-sauer gewürzten Zusammenhang gebracht. Das von McDonald's vermittelte kulinarische Weltbild hat mit entwickelter Eßkultur nichts zu tun. Der Verzicht auf jedweden konkreten Produktgeschmack im engeren Sinne und die gleichzeitige, konsequente Förderung eines undefinierbaren (und unausweichlichen) Mischgeschmackes stellen eine Art kulinarischer Desozialisierung dar.
Entwicklungshemmend
Aus der Erforschung kindlicher Verhaltensweisen ist bekannt, daß süßliche Aromen und stark gemischte Formen bis weit ins Jugendalter bevorzugt werden. Im Prozeß der kulinarischen Sozialisation kann sodann die Gewöhnung an ein immergleiches Geschmacksbild eine traurige Rolle spielen, weil in dem Maße, in dem der Kontakt (das Lernen) mit anderen Nahrungsmitteln ausbleibt, deren Akzeptanz schwierig bis kaum mehr möglich wird. Insofern ist die Rolle von McDonald's bei der Einübung in die Eßkultur kontraproduktiv, weil entwicklungshemmend.
Im Detail wird klar, welche Auswirkungen eine Fixierung auf die kulinarische Welt in dieser industrialisierten Form hat. Wer keine direkten Produktaromen mehr erlebt, geschweige denn solche in guter Qualität und Zubereitung, läuft Gefahr, im Kontakt mit identifizierbarem Essen dieses für das eigentlich "nicht richtige" zu halten.
Infantilisierung und Regression
Gewöhnt an Fisch, Fleisch und Geflügel in Form von Kaumaterial, wird das gute Original als das eigentlich befremdliche empfunden, schmecken bald die Erbsen aus der Dose (ein klassischer Test) besser als frische Erbsen, und alles, was nicht mit penetranter Würzung versehen ist, wirkt fade. Dem perfekt gegarten und präzise mit Salz und Pfeffer gewürzten Fleisch oder Fisch fehlt die Dichte der übertünchenden Würzsaucen, das plötzlich nicht mehr versteckte Grundmaterial irritiert in seiner Deutlichkeit. So wie für Kinder und Jugendliche Entwicklungshemmung zu befürchten ist, bedeutet der gleiche Mechanismus für Erwachsene Infantilisierung und Regression.
Davon hängt der Unternehmenserfolg ab. Die Mär vom billigen Essen ist bizarr verfälschend. Da kostet ein Essen für Eltern und zwei Kinder mal eben vierundzwanzig Euro. Für diesen Preis läßt sich ohne weiteres ein gutes bis sehr gutes Essen kochen. Es ist ein Teufelskreis: Verführung, Gewöhnung und die Entmündigung zum lebenslangen Stammkunden, dessen kulinarisches Raster nur noch hier bedient werden kann.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung