Maut made in Germany - vom Verlustgeschäft zum Exportschlager?
BERLIN (dpa-AFX) -
Die ersten Stunden Lkw-Maut sind für Toll Collect überstanden. Doch bis das Konsortium mit der Maut-Erhebung auf den deutschen Autobahnen richtig Geld verdient, werden noch viele Jahre vergehen. Mehr als eine Milliarde Euro hat das Projekt mit all seinen Pannen inzwischen verschlungen, so dass in Deutschland damit frühestens 2016 Geld zu machen ist. Also muss das weltweit einmalige System ins Ausland verkauft werden, damit es kein Verlustgeschäft wird. Die Chancen stehen gar nicht schlecht - wenn das Betreiberkonsortium Toll Collect, hinter dem vor allem die Deutsche Telekom DTE.ETR und DaimlerChrysler DCX.ETR stehen, auch die nächsten Monate ohne Komplikationen übersteht.
Die Kosten für das Hochtechnologieprojekt - eine Kombination aus Mobilfunk und dem satellitengestützten Global Positioning System (GPS), das auch in der Seefahrt verwendet wird - sprengen längst jeden Rahmen. Ursprünglich hatten die beteiligten Konzerne DaimlerChrysler und Deutsche Telekom (jeweils 45 Prozent) dafür rund 500 Millionen Euro ausgeben wollen. Inzwischen haben sich die beiden Partner darauf verständigt, keine konkrete Zahl mehr zu nennen.
Toll-Collect-Geschäftsführer Christoph Bellmer verriet aber kürzlich einmal, dass die Investitionen bereits bei "weit über einer Milliarde Euro" liegen. In der gesamten Laufzeit des Vertrags mit der Bundesregierung - also bis ins Jahr 2015 - wird für das Konsortium mit der Maut-Erhebung per On-Board Unit (OBU) kein Geld zu verdienen sein. "Der Business-Case über zwölf Jahre hinweg verspricht keinen Gewinn", sagt Manager Bellmer.
Obendrein drohen wegen der 16-monatigen Verspätung noch mehr als 4,5 Milliarden Euro Vertragsstrafe und Schadenersatz, die an die Bundesregierung zu zahlen wären. Toll Collect weist die Forderungen als "unbegründet und nicht nachvollziehbar" zurück. Deshalb wird in Kürze unter Leitung von Bundesgerichtshof-Präsident Günter Hirsch ein Schiedsverfahren anlaufen. Erwartet wird ein Vergleich, bei dem das Konsortium besser wegkommen dürfte als die Regierung.
Aber wie auch immer der Streit ausgehen wird: Der wirtschaftliche Erfolg kann sich für Toll Collect in absehbarer Zeit allenfalls im Ausland einstellen. Die Planungen laufen längst. Mehr als 100 Informationsveranstaltungen in fast 30 Ländern hat das Konsortium schon organisiert. Interesse haben beispielsweise Ungarn, Polen und die Niederlande. Die nächsten Entscheidungen stehen aber in Tschechien und Großbritannien an, wo 2006 beziehungsweise 2008 neue Maut-System eingeführt werden sollen.
Eine erfolgreiche Deutschland-Premiere könnte Toll Collect dabei den entscheidenden Startvorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen: Je mehr Fuhrunternehmer ihre Fahrzeuge mit OBUs made in Germany ausstatten, desto niedriger werden für andere europäische Staaten die Kosten für eine Einführung. Zudem arbeiten die System-Ingenieure von Toll Collect derzeit mit Hochdruck daran, die OBUs für verschiedene Maut-Systeme nutzbar zu machen. Ziel ist es, mit einem einzigen Bordcomputer im Lkw-Führerhaus durch ganz Europa zu kommen.
"In diesem System ist so ungefähr alles drin, von dem die Konkurrenz seit fünf Jahren redet, dass man das haben muss", sagt Bellmer. Irgendwann einmal könnten je nach Tageszeit und Straße sogar unterschiedlich hohe Gebühren erhoben werden, um so den Verkehrsfluss zu steuern. Deshalb will sich Toll Collect, wenn der Deutschland- Start geschafft ist, verstärkt um Besuchergruppen aus dem Ausland kümmern. Bellmer gibt sich heute schon sicher: "Wir werden richtige Pilgerfahrten nach Deutschland haben."
Gruß Moya