Aus meinem aktuellen Börsenbrief der folgende Bericht!
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SORGENKIND NEUER MARKT / Vertrauensverlust nimmt ueberhand
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Das Boersenjahr 2000 begann fuer die Wachstumsmaerkte so gut,
wie das alte geendet hatte. Das Kursfeuerwerk setzte sich weiter
fort und trieb den Neuen Markt in ungeahnte Hoehen. Jetzt, knapp
10 Monate spaeter gab die NASDAQ seit ihrem Hoechststand vom
Maerz rund 52 % ab und der NEMAX 50 verlor seitdem gar 76 %.
Wenn also ein Anleger zum Hoehepunkt der Euphorie im Maerz mit
einem Depotvolumen von 100.000 Euro eingestiegen ist, besitz
sein Depot aktuell nur noch einen Wert von 24.000 Euro.
Ein Wertverlust eines Index von 76 % in weniger als einem Jahr
kann nicht als Korrektur oder Baissephase bezeichnet werden.
Nein, es handelt sich hier um einen ausgewachsenen, schlimmen
Crash. Einen derartigen Verlust erlitt noch nicht einmal der
Nikkei im Rahmen der Asienkrise. Zum letzten Mal sahen wir einen
derart vehementen Wertverfall eines mehr oder weniger bedeuten-
den Index im Jahr 1919-1922 waehrend der historischen US-
Depression, als sich der Markt innerhalb von 3 Jahren um rund
80 % ermaessigte. Der Neue Markt ist hiervon nicht weit ent-
fernt, allerdings mit dem Unterschied, dass sich der Rueckgang
in noch kuerzerer Zeit ereignete.
Dass Anleger hierbei Anzeichen von Resignation verspueren, ist
mehr als verstaendlich. Was also ist geschehen, das ein solch
vehementes Wegbrechen der Kurse ueber einen derart langen Zeit-
raum ausloest? Um eines vorweg zu nehmen: Die Analysten sind
nicht die alleinig Schuldigen. Wenden wir uns also den funda-
mentalen und marktpsychologischen Hintergruenden des andauernden
Crashs am Neuen Markt zu:
Zuallererst kam Ende 99 eine irrationale Euphorie auf, die sich
zu Jahresbeginn 2000 weiter fortsetzte. Gleiches vollzog sich
entsprechend an der Nasdaq. Alan Greenspan sprach in diesem
Zusammenhang von der Irrationalitaet der Maerkte. Es setzte sich
an den Maerkten die Meinung durch, dass in den neueren Branchen
wie Internet etc. unbegrenztes Umsatz- und Gewinnwachstum zu
erzielen sei. Entsprechend wanderten die Bewertungen der Unter-
nehmen ins Uferlose. Ausgeloest durch verschiedene Faktoren
wurde jedoch ersichtlich, dass auch die New Economy realwirt-
schaftlichen Gesetzmaessigkeiten mit ordinaeren Problemen wie
Wettbewerbs- und Margendruck, Verdraengungswettbewerb, substitu-
ierende Technologien, Nachfrageschwankungen etc. unterliegt.
Diese heute selbstverstaendliche Erkenntnis erscheint zwar
banal, reflexiv betrachtet zerstoerte sie jedoch das schoene
aber truegerische Bild vom unbegrenzten Wachstum. Dieser Traum
zerplatzte im Lauf der Zeit immer mehr. Als anschliessend nach
einem Kursruckgang von 20 oder 25 % Anleger die vermeintliche
Kursdelle zum Nachkaufen oder zum Wiedereinstieg nutzten, nahm
das Unheil seinen Lauf. Denn die Maerkte erholten sich nicht wie
erwartet, sondern liefen weiter nach unten. Bei vorgenannten
Anlegern bedingt dies einen Schock, der meist den verlustreichen
Verkauf saemtlicher Papiere bedingt. Anschliessend kamen in den
USA Inflationsaengste auf, die durch den zeitweise horrenden
Oelpreis weiter verstaerkt wurden, so dass sich die Aussichten
auch fundamental verschlechterten.
Nun begannen sich auch institutionelle Investoren zunehmend aus
den Wachstumssegmenten zu verabschieden und schichteten ihre
Mittel in weniger volatile, defensivere Sektoren der Old Economy
um. Als sich dann in den USA die ersten Zeichen einer konjunktu-
rellen Abkuehlung verdichteten - zuvor angekuendigt durch eine
Reihe von Gewinnwarnungen vornehmlich im Tech-Sektor - kamen die
ersten echten Rezessionsaengste auf. Und bekannterweise reagie-
ren die US-Maerkte allergisch auf das Wort Rezession. Zu diesem
Zeitpunkt war die Marktstimmung bereits seit geraumer Zeit sehr
schlecht. Die vielen Wachstumsunternehmen, die zum Boersengang
Kapitalmassnahmen in ihrem Businessplan als festen Finanzie-
rungsbestandteil aufnahmen, waren entweder bereits an den Rand
der Insolvenz abgeglitten oder mussten einen harschen Sparkurs
fahren.
Bei den erforderlichen Einsparungen, vornehmlich im Bereich
Personal und Marketing zu erreichen, bleibt das Wachstum natur-
gemaess auf der Strecke. Gewinn- und Umsatzwarnungen waren somit
auch die zwangslaeufige Folge der anhaltend schlechten Marktver-
fassung, die es den Unternehmen unmoeglich machte, die dringend
erforderlichen frischen Mittel ueber Kapitalmassnahmen zu gene-
rieren. Doch am gravierendsten waren und sind die Probleme am
Neuen Markt. So produzieren immer noch etwas mehr als die Haelf-
te aller Unternehmen am Neuen Markt Verluste. Diese Verlustbrin-
ger werden in einem schlechten Marktumfeld gnadenlos abverkauft,
sie sind das schwaechste Glied in der Wertschoepfungskette und
die ersten, die zum Penny-Stock degradiert werden. Das Kursaus-
gangsniveau der Vergangenheit spielt dabei kaum eine Rolle.
Auch der harte Kampf im IPO-Bereich sorgte fuer mannigfaltige
Fehlentwicklungen. Um Nachfrage zu generieren, sahen sich viele
der in diesem Jahr neuemittierten Werte veranlasst, ihre Finanz-
planungen ueberzogen positiv darzustellen. Auch dies bedingte
anschliessend eine Fuelle von Enttaeuschungen. Wenn jedoch
kleine und hochgepushte Werte enttaeuschen, ist das eine Sache,
enttaeuschen jedoch die bisher etablierten Highflyer des Neuen
Marktes mit weisser Weste, ist das eine ganz andere Sache. Prae-
destiniertes Beispiel hierfuer ist EM.TV, wobei sich stets mehr
der Eindruck konkretisiert, dass die Anleger hier manipulativ
informiert und regelrecht verschaukelt wurden. Verhaelt sich ein
Unternehmen wie EM.TV derart anlegerfeindlich und selbstgerecht,
zerstoert dies auch das Vertrauen des gesamten Marktsegments.
Als weiterer wichtiger Faktor kam hinzu, dass das Deutsche Volk
kaum Erfahrungen an den Aktienmaerkten sammeln konnte, denn noch
bis vor kurzem waren die Deutschen noch ein Immobilien- und Ren-
ten-Volk. Durch die anfangs positive Marktentwicklung und durch
die Medien angestachelt, engagierten sich viele Anleger am Neuen
Markt, die entweder noch nie in Risikopapiere investiert hatten,
oder sich gar zum allerersten Mal in Aktien engagierten. Als
charakteristisches Beispiel hierfuer fuehren wir eine eMail
eines Lesers aus dem Jahre 1999 an. Wir hatten zuvor einige
Gewinne mit InternetMediaHouse in unserem Musterdepot verbucht.
Daraufhin schrieb uns ein Leser eine eMail mit folgendem Wort-
laut:
"Toll, dass ihr InternetMediaHouse auch in euer Musterdepot
aufgenommen habt, ich halte sie ebenfalls fuer aussichtsreich
und kaufte fuer rund 20.000 bereits etwas frueher. PS., koennt
ihr mir vielleicht sagen, was das KGV ist?"
Derartige eMails waren damals leider kein Einzelfall. Mehr
braucht zu diesem Thema nicht gesagt zu werden. Auch realisier-
ten viele Anleger nicht, dass der Neue Markt kein Qualitaetsseg-
ment nach dem Vorbild von DAX, DAX 100 oder M-DAX darstellt,
sondern ein klassischer Wagnis-Kapitalmarkt ist. Die meisten
aller Unternehmen am Neuen Markt sind deutlich juenger als zehn
Jahre und haben noch nie Gewinne produziert. Und im Wagnis-
Kapitalbereich gilt die Devise, dass von 10 Investments 2 posi-
tive, 3 neutrale, 2 schlechte, 2 Totalausfaelle und 1 Ueberflie-
ger dabei sind. Laesst man den Neuen Markt noch ein wenig rei-
fen, halten wir diese Quote im Nemax all share fuer durchaus
realistisch. Entsprechend schockiert zeigten sich weniger
versierte Anleger.
Kommen wir nun zur Rolle der institutionellen Anleger. So wird
den grossen Fonds meist eine erhebliche Teilschuld fuer den
Kursverfall am Neuen Markt gegeben. Dies mag bei einzelnen Titel
hin und wieder durchaus zutreffen, insgesamt entbehrt diese
oberflaechliche Schuldzuweisung jedoch jeglicher Grundlage. Denn
letztendlich sind Fonds nichts anderes als verwaltete Sammel-
portfolien, die aus den investierten Geldern vieler Tausender
Privat- und Kleinanleger bestehen. Erhalten bspw. schwerpunkt-
maessig am Neuen Markt investierende Fonds Mittelzufluesse,
muessen diese umgehend in Aktien des Neuen Marktes investiert
werden. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage steigen die Kurse
entsprechend. Im umgekehrten Fall muessen die Papiere verkauft
werden, falls Anleger ihre Fondsanteile liquidieren, so dass dem
Fondsmanagement bei halbwegs stabiler Liquiditaetsquote gar
nichts anderes uebrig bleibt, als zu verkaufen - und zwar zum
jeweils aktuellen Marktpreis.
Letztendlich sind demnach die vom Privatanleger ausgeloesten
Faktoren weitgehend fuer die langfristigen Trends verantwort-
lich. Vor einigen Jahren war dies noch anders, so beteiligten
sich ueberwiegend institutionelle oder versierte Anleger am
Marktgeschehen, die zugleich aus Erfahrung wissen, wie man die
in letzter Zeit vielfach verschriehenen Analystenmeinungen zu
deuten hat. Zwar stammten damals viele Gelder auch vom Privatan-
leger, sie kamen jedoch vornehmlich tertiaer bspw. ueber die
Lebensversicherer etc. an den Markt.
Um das Vertrauen der Anleger am Neuen Markt zu staerken und die
Transparenz zu erhoehen, fuehrt die Deutsche Boerse AG neue
Richtlinien und Auflagen ein. So muessen Insiderverkaeufe - d.h.
Verkaeufe bspw. der Vorstaende von eigenen Aktien - demnaechst
angezeigt werden. Sicher gilt es allgemein als schlechtes Zei-
chen, wenn Vorstaende Aktien des eigenen Unternehmens abstossen.
Verallgemeinernd deutet dies auf mangelndes Vertrauen in das
eigene Unernehmen hin. Ueberbewertet sollten Insiderverkaeufe
zwar auch nicht werden - denn auch Vorstaende von Aktiengesell-
schaften sollten eine sinnvolle Vermoegens-Diversifikation
beherzigen - dennoch erhoeht diese Auflage die Transparenz am
Neuen Markt nach amerikanischem Vorbild ganz erheblich.
Zudem verpflichteten sich die Emissionsbanken selbst, der Risi-
kopruefung von Boersenkandidaten mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Zwar erhoehen sich hierdurch unter anderem die Researchkosten,
die Prospekt- und Boerseneinfuehrungskosten; es verlaengern sich
die IPO-Einfuehrungszeiten, doch dies alles wiegt schliesslich
weniger als der teilweise nicht wieder gutzumachende Vertrauens-
verlust bei Fehlentscheidungen der Banken. Der neue Markt befin-
det sich also auch regulatorisch auf dem richtigen Weg.
Hinzu kommt die fundamentale Marktbereinigung, wobei bspw.
Unternehmen automatisch herausselektiert werden, die Umsatzzu-
waechse nur ueber immense Marketingausgaben erzielen koennen
oder die ueber ein allgemein defizitaeres Geschaeftsmodell
verfuegen.
Darueber hinaus lernten weniger versierte und juengere Anleger
im aktuellen Crash, dass die Baeume nicht unbegrenzt in den
Himmel wachsen und dass Eigenverantwortlichkeit oberstes Prinzip
im Wertpapiergeschaeft ist. Zwar kann man Analysten zurecht oder
zu unrecht im Nachhinein beschimpfen, das hierdurch verlorene
eigene Geld erhaelt man dadurch jedoch nicht wieder zurueck.
Diese zwar schmerzhaften, aber im Zuge der Evolution von Inves-
toren und Maerkten wichtigen Erfahrungen markieren einen der
bedeutendsten Eckpunkte der in Deutschland noch jungen Aktien-
kultur. Hierzu moechten wir einen Beitrag leisten - so verfolgen
wir mit unseren Newslettern neben den ueblichen monetaeren spe-
ziell das ideelle Ziel, mehr Transparenz fuer Deutsche Anleger
zu schaffen und die massgeblichen Hintergruende verstaendlich zu
dokumentieren. Denn je besser der Anleger den Markt versteht,
desto effektiver kann er sich vor Verlusten schuetzen. Und die
Minimierung der Verluste ist am Aktienmarkt bekanntermassen die
beste Basis fuer attraktive Gewinne und eine langfristig erfolg-
reiche Anlagetaetigkeit.
Na, was sagt ihr dazu??
Für die Trendwende
Patznjeschniki
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SORGENKIND NEUER MARKT / Vertrauensverlust nimmt ueberhand
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Das Boersenjahr 2000 begann fuer die Wachstumsmaerkte so gut,
wie das alte geendet hatte. Das Kursfeuerwerk setzte sich weiter
fort und trieb den Neuen Markt in ungeahnte Hoehen. Jetzt, knapp
10 Monate spaeter gab die NASDAQ seit ihrem Hoechststand vom
Maerz rund 52 % ab und der NEMAX 50 verlor seitdem gar 76 %.
Wenn also ein Anleger zum Hoehepunkt der Euphorie im Maerz mit
einem Depotvolumen von 100.000 Euro eingestiegen ist, besitz
sein Depot aktuell nur noch einen Wert von 24.000 Euro.
Ein Wertverlust eines Index von 76 % in weniger als einem Jahr
kann nicht als Korrektur oder Baissephase bezeichnet werden.
Nein, es handelt sich hier um einen ausgewachsenen, schlimmen
Crash. Einen derartigen Verlust erlitt noch nicht einmal der
Nikkei im Rahmen der Asienkrise. Zum letzten Mal sahen wir einen
derart vehementen Wertverfall eines mehr oder weniger bedeuten-
den Index im Jahr 1919-1922 waehrend der historischen US-
Depression, als sich der Markt innerhalb von 3 Jahren um rund
80 % ermaessigte. Der Neue Markt ist hiervon nicht weit ent-
fernt, allerdings mit dem Unterschied, dass sich der Rueckgang
in noch kuerzerer Zeit ereignete.
Dass Anleger hierbei Anzeichen von Resignation verspueren, ist
mehr als verstaendlich. Was also ist geschehen, das ein solch
vehementes Wegbrechen der Kurse ueber einen derart langen Zeit-
raum ausloest? Um eines vorweg zu nehmen: Die Analysten sind
nicht die alleinig Schuldigen. Wenden wir uns also den funda-
mentalen und marktpsychologischen Hintergruenden des andauernden
Crashs am Neuen Markt zu:
Zuallererst kam Ende 99 eine irrationale Euphorie auf, die sich
zu Jahresbeginn 2000 weiter fortsetzte. Gleiches vollzog sich
entsprechend an der Nasdaq. Alan Greenspan sprach in diesem
Zusammenhang von der Irrationalitaet der Maerkte. Es setzte sich
an den Maerkten die Meinung durch, dass in den neueren Branchen
wie Internet etc. unbegrenztes Umsatz- und Gewinnwachstum zu
erzielen sei. Entsprechend wanderten die Bewertungen der Unter-
nehmen ins Uferlose. Ausgeloest durch verschiedene Faktoren
wurde jedoch ersichtlich, dass auch die New Economy realwirt-
schaftlichen Gesetzmaessigkeiten mit ordinaeren Problemen wie
Wettbewerbs- und Margendruck, Verdraengungswettbewerb, substitu-
ierende Technologien, Nachfrageschwankungen etc. unterliegt.
Diese heute selbstverstaendliche Erkenntnis erscheint zwar
banal, reflexiv betrachtet zerstoerte sie jedoch das schoene
aber truegerische Bild vom unbegrenzten Wachstum. Dieser Traum
zerplatzte im Lauf der Zeit immer mehr. Als anschliessend nach
einem Kursruckgang von 20 oder 25 % Anleger die vermeintliche
Kursdelle zum Nachkaufen oder zum Wiedereinstieg nutzten, nahm
das Unheil seinen Lauf. Denn die Maerkte erholten sich nicht wie
erwartet, sondern liefen weiter nach unten. Bei vorgenannten
Anlegern bedingt dies einen Schock, der meist den verlustreichen
Verkauf saemtlicher Papiere bedingt. Anschliessend kamen in den
USA Inflationsaengste auf, die durch den zeitweise horrenden
Oelpreis weiter verstaerkt wurden, so dass sich die Aussichten
auch fundamental verschlechterten.
Nun begannen sich auch institutionelle Investoren zunehmend aus
den Wachstumssegmenten zu verabschieden und schichteten ihre
Mittel in weniger volatile, defensivere Sektoren der Old Economy
um. Als sich dann in den USA die ersten Zeichen einer konjunktu-
rellen Abkuehlung verdichteten - zuvor angekuendigt durch eine
Reihe von Gewinnwarnungen vornehmlich im Tech-Sektor - kamen die
ersten echten Rezessionsaengste auf. Und bekannterweise reagie-
ren die US-Maerkte allergisch auf das Wort Rezession. Zu diesem
Zeitpunkt war die Marktstimmung bereits seit geraumer Zeit sehr
schlecht. Die vielen Wachstumsunternehmen, die zum Boersengang
Kapitalmassnahmen in ihrem Businessplan als festen Finanzie-
rungsbestandteil aufnahmen, waren entweder bereits an den Rand
der Insolvenz abgeglitten oder mussten einen harschen Sparkurs
fahren.
Bei den erforderlichen Einsparungen, vornehmlich im Bereich
Personal und Marketing zu erreichen, bleibt das Wachstum natur-
gemaess auf der Strecke. Gewinn- und Umsatzwarnungen waren somit
auch die zwangslaeufige Folge der anhaltend schlechten Marktver-
fassung, die es den Unternehmen unmoeglich machte, die dringend
erforderlichen frischen Mittel ueber Kapitalmassnahmen zu gene-
rieren. Doch am gravierendsten waren und sind die Probleme am
Neuen Markt. So produzieren immer noch etwas mehr als die Haelf-
te aller Unternehmen am Neuen Markt Verluste. Diese Verlustbrin-
ger werden in einem schlechten Marktumfeld gnadenlos abverkauft,
sie sind das schwaechste Glied in der Wertschoepfungskette und
die ersten, die zum Penny-Stock degradiert werden. Das Kursaus-
gangsniveau der Vergangenheit spielt dabei kaum eine Rolle.
Auch der harte Kampf im IPO-Bereich sorgte fuer mannigfaltige
Fehlentwicklungen. Um Nachfrage zu generieren, sahen sich viele
der in diesem Jahr neuemittierten Werte veranlasst, ihre Finanz-
planungen ueberzogen positiv darzustellen. Auch dies bedingte
anschliessend eine Fuelle von Enttaeuschungen. Wenn jedoch
kleine und hochgepushte Werte enttaeuschen, ist das eine Sache,
enttaeuschen jedoch die bisher etablierten Highflyer des Neuen
Marktes mit weisser Weste, ist das eine ganz andere Sache. Prae-
destiniertes Beispiel hierfuer ist EM.TV, wobei sich stets mehr
der Eindruck konkretisiert, dass die Anleger hier manipulativ
informiert und regelrecht verschaukelt wurden. Verhaelt sich ein
Unternehmen wie EM.TV derart anlegerfeindlich und selbstgerecht,
zerstoert dies auch das Vertrauen des gesamten Marktsegments.
Als weiterer wichtiger Faktor kam hinzu, dass das Deutsche Volk
kaum Erfahrungen an den Aktienmaerkten sammeln konnte, denn noch
bis vor kurzem waren die Deutschen noch ein Immobilien- und Ren-
ten-Volk. Durch die anfangs positive Marktentwicklung und durch
die Medien angestachelt, engagierten sich viele Anleger am Neuen
Markt, die entweder noch nie in Risikopapiere investiert hatten,
oder sich gar zum allerersten Mal in Aktien engagierten. Als
charakteristisches Beispiel hierfuer fuehren wir eine eMail
eines Lesers aus dem Jahre 1999 an. Wir hatten zuvor einige
Gewinne mit InternetMediaHouse in unserem Musterdepot verbucht.
Daraufhin schrieb uns ein Leser eine eMail mit folgendem Wort-
laut:
"Toll, dass ihr InternetMediaHouse auch in euer Musterdepot
aufgenommen habt, ich halte sie ebenfalls fuer aussichtsreich
und kaufte fuer rund 20.000 bereits etwas frueher. PS., koennt
ihr mir vielleicht sagen, was das KGV ist?"
Derartige eMails waren damals leider kein Einzelfall. Mehr
braucht zu diesem Thema nicht gesagt zu werden. Auch realisier-
ten viele Anleger nicht, dass der Neue Markt kein Qualitaetsseg-
ment nach dem Vorbild von DAX, DAX 100 oder M-DAX darstellt,
sondern ein klassischer Wagnis-Kapitalmarkt ist. Die meisten
aller Unternehmen am Neuen Markt sind deutlich juenger als zehn
Jahre und haben noch nie Gewinne produziert. Und im Wagnis-
Kapitalbereich gilt die Devise, dass von 10 Investments 2 posi-
tive, 3 neutrale, 2 schlechte, 2 Totalausfaelle und 1 Ueberflie-
ger dabei sind. Laesst man den Neuen Markt noch ein wenig rei-
fen, halten wir diese Quote im Nemax all share fuer durchaus
realistisch. Entsprechend schockiert zeigten sich weniger
versierte Anleger.
Kommen wir nun zur Rolle der institutionellen Anleger. So wird
den grossen Fonds meist eine erhebliche Teilschuld fuer den
Kursverfall am Neuen Markt gegeben. Dies mag bei einzelnen Titel
hin und wieder durchaus zutreffen, insgesamt entbehrt diese
oberflaechliche Schuldzuweisung jedoch jeglicher Grundlage. Denn
letztendlich sind Fonds nichts anderes als verwaltete Sammel-
portfolien, die aus den investierten Geldern vieler Tausender
Privat- und Kleinanleger bestehen. Erhalten bspw. schwerpunkt-
maessig am Neuen Markt investierende Fonds Mittelzufluesse,
muessen diese umgehend in Aktien des Neuen Marktes investiert
werden. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage steigen die Kurse
entsprechend. Im umgekehrten Fall muessen die Papiere verkauft
werden, falls Anleger ihre Fondsanteile liquidieren, so dass dem
Fondsmanagement bei halbwegs stabiler Liquiditaetsquote gar
nichts anderes uebrig bleibt, als zu verkaufen - und zwar zum
jeweils aktuellen Marktpreis.
Letztendlich sind demnach die vom Privatanleger ausgeloesten
Faktoren weitgehend fuer die langfristigen Trends verantwort-
lich. Vor einigen Jahren war dies noch anders, so beteiligten
sich ueberwiegend institutionelle oder versierte Anleger am
Marktgeschehen, die zugleich aus Erfahrung wissen, wie man die
in letzter Zeit vielfach verschriehenen Analystenmeinungen zu
deuten hat. Zwar stammten damals viele Gelder auch vom Privatan-
leger, sie kamen jedoch vornehmlich tertiaer bspw. ueber die
Lebensversicherer etc. an den Markt.
Um das Vertrauen der Anleger am Neuen Markt zu staerken und die
Transparenz zu erhoehen, fuehrt die Deutsche Boerse AG neue
Richtlinien und Auflagen ein. So muessen Insiderverkaeufe - d.h.
Verkaeufe bspw. der Vorstaende von eigenen Aktien - demnaechst
angezeigt werden. Sicher gilt es allgemein als schlechtes Zei-
chen, wenn Vorstaende Aktien des eigenen Unternehmens abstossen.
Verallgemeinernd deutet dies auf mangelndes Vertrauen in das
eigene Unernehmen hin. Ueberbewertet sollten Insiderverkaeufe
zwar auch nicht werden - denn auch Vorstaende von Aktiengesell-
schaften sollten eine sinnvolle Vermoegens-Diversifikation
beherzigen - dennoch erhoeht diese Auflage die Transparenz am
Neuen Markt nach amerikanischem Vorbild ganz erheblich.
Zudem verpflichteten sich die Emissionsbanken selbst, der Risi-
kopruefung von Boersenkandidaten mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Zwar erhoehen sich hierdurch unter anderem die Researchkosten,
die Prospekt- und Boerseneinfuehrungskosten; es verlaengern sich
die IPO-Einfuehrungszeiten, doch dies alles wiegt schliesslich
weniger als der teilweise nicht wieder gutzumachende Vertrauens-
verlust bei Fehlentscheidungen der Banken. Der neue Markt befin-
det sich also auch regulatorisch auf dem richtigen Weg.
Hinzu kommt die fundamentale Marktbereinigung, wobei bspw.
Unternehmen automatisch herausselektiert werden, die Umsatzzu-
waechse nur ueber immense Marketingausgaben erzielen koennen
oder die ueber ein allgemein defizitaeres Geschaeftsmodell
verfuegen.
Darueber hinaus lernten weniger versierte und juengere Anleger
im aktuellen Crash, dass die Baeume nicht unbegrenzt in den
Himmel wachsen und dass Eigenverantwortlichkeit oberstes Prinzip
im Wertpapiergeschaeft ist. Zwar kann man Analysten zurecht oder
zu unrecht im Nachhinein beschimpfen, das hierdurch verlorene
eigene Geld erhaelt man dadurch jedoch nicht wieder zurueck.
Diese zwar schmerzhaften, aber im Zuge der Evolution von Inves-
toren und Maerkten wichtigen Erfahrungen markieren einen der
bedeutendsten Eckpunkte der in Deutschland noch jungen Aktien-
kultur. Hierzu moechten wir einen Beitrag leisten - so verfolgen
wir mit unseren Newslettern neben den ueblichen monetaeren spe-
ziell das ideelle Ziel, mehr Transparenz fuer Deutsche Anleger
zu schaffen und die massgeblichen Hintergruende verstaendlich zu
dokumentieren. Denn je besser der Anleger den Markt versteht,
desto effektiver kann er sich vor Verlusten schuetzen. Und die
Minimierung der Verluste ist am Aktienmarkt bekanntermassen die
beste Basis fuer attraktive Gewinne und eine langfristig erfolg-
reiche Anlagetaetigkeit.
Na, was sagt ihr dazu??
Für die Trendwende
Patznjeschniki