Von Sebastian Sachs, Heino Reents und Christian Schwalb Die Quartalszahlen europäischer Blue-Chips werden in der kommenden Woche die weitere Richtung an den Aktienmärkten diktieren. Die Kursverluste der Staatsanleihen wurden vorerst gestoppt.
Der Rentenmarkt ist schon einen Schritt weiter: Hier beschäftigt die Strategen aktuell die Frage, ob die vielbeschworene Trendumkehr bereits vollzogen ist - zumindest in den USA. Nach dem Kursdebakel der vergangenen Woche bei den Treasuries sind sich die Experten jedoch zumindest für die nächsten Tage einig, dass sich die Kursverluste oder Renditeanstiege nicht im gleichen Ausmaß fortsetzen werden. Im Vorwochenvergleich stieg die Rendite zehnjähriger Treasuries um rund 35 Basispunkte an. Steigende Volatilität Die großen Aktienindizes zeigten bereits vergangene Woche ein uneinheitliches Bild. Der Deutsche Aktienindex Dax legte 1,2 Prozent zu, während der Stoxx50 1,1 Prozent im Minus lag. An der Wall Street freuten sich Anleger über einen leichten Zugewinn von 0,7 Prozent beim Dow Jones, der Nasdaq Composite gab hingegen 1,4 Prozent ab. "Der Aktienmarkt war zuletzt deutlich überkauft", sagt Stefan Serret von der SEB. Er rechnet für diese Wochen mit einer Seitwärtsbewegung an den Aktienmärkten. "Nach den kräftigen Kursgewinnen sind wir jetzt in einer Phase, wo das Ganze verdaut werden muss." Für einen lang anhaltenden Aufwärtstrend sei es nun nötig, dass die Volatilität bei steigenden Kursen anziehen müsse. "Zurzeit sind aber nur Kursschwankungen nach Überraschungen und bei einzelnen Titeln zu beobachten", sagte der Leiter Portfoliomanagement. So war am Donnerstag die Nokia-Aktie nach enttäuschenden Quartalszahlen zweistellig eingebrochen. Freitag zogen dagegen Ericsson zeitweise mehr als 20 Prozent an. "Ruhe vor dem Sturm" Für Volker Borghoff von HSBC Trinkaus & Burkhardt bedeutet die derzeit insgesamt geringe Volatilität dagegen "nur die Ruhe vor dem Sturm". Kursschwankungen werden seiner Ansicht nach wieder rapide zunehmen. Dazu beitragen würden "sehr sehr schwache Unternehmenszahlen in den kommenden Wochen". Das Rückschlagspotenzial sei groß. "Auch von konjunktureller Seite kündigt sich kein Umschwung an", sagte der Aktienstratege. Während auch Helaba Trust davon ausgeht, "dass das Potenzial an den Aktienmärkten zunächst ausgereizt ist" und deshalb mit fallenden Kursen zu rechnen sei, zeigt sich Carsten Klude von M.M. Warburg sehr optimistisch: "Neben den Konjunkturdaten spricht auch die Abschwächung des Euro gegenüber dem US-Dollar für eine freundliche Börsentendenz." Berichtssaison in vollem Gange In den USA ist die Berichtssaison ebenfalls in vollem Gange. 1400 Unternehmen legen diese Woche ihre Zahlen vor. Zu den wichtigsten Vertretern ihrer Branche zählen Boeing, Pfizer, Amgen, AT&T und AOL. Zudem stehen die Zahlen von 3M, Sun Microsystems, Eastman Kodak, AT&T und Ebay auf der Agenda. Bisher scheint die Börse die Quartalsergebnisse im vorweg genommen zu haben. Seit zwei Wochen bewegen sich die Aktienmärkte größtenteils seitwärts. "Zwei Schritte vorwärts, einer zurück", sagt Richard McCabe, Analyst von Merrill Lynch. Dies könnte im Juli zum bestimmenden Muster werden. "Im derzeitigen Marktumfeld, und vor allem nach den starken letzten Monaten, heißt das Motto 'Sell on the News', selbst wenn die Neuigkeiten gut sind", sagt Louis Navellier von Navellier & Associates. "Der Markt wird anspruchsvoller." Gute Ergebnisse seien laut Navellier bereits in den aktuellen Kurse enthalten. Auch für McCabe steigt im August die Wahrscheinlichkeit, dass es an den Börsen abwärts geht. Risiken sehen die Experten bei den Tech- und BioTech-Konzernen. Sie bezweifeln, dass diese ihre Kursgewinne mit positiven Ergebnissen untermauern können Einige Analysten sagen eine Wiederholung von Reaktionen wie im Falle Yahoos voraus. Hier gab es trotz eines unerwartet hohen Gewinns und verbesserten Ausblicks einen Kurseinbruch. Vorläufige Verbraucherpreise im Blickpunkt Die konjunkturellen Veröffentlichungen dürften die Märkte diese Woche nicht maßgeblich bewegen. Diesseits des Atlantiks könnten einzig die vorläufigen Verbraucherpreise für Juli und die Aufträge des Bauhauptgewerbes für Mai (beides Deutschland) für Interesse sorgen. Glaubt man den Prognosen der Volkswirte, wird sich bei den Verbraucherpreisen zeigen, dass ein Abrutschen in die Deflation für Deutschland doch keine akute Gefahr ist. In den USA blicken die Volkswirte den konjunkturellen Frühindikatoren skeptisch entgegen. Nachdem die Mai-Zahl mit einem Sprung von 1,0 Prozent das beste Ergebnis seit 17 Monaten war, rechnen die Experten im Juni nur noch mit einem leichten Wachstum von 0,1 Prozent. Optimistischer sind die Konsensschätzungen für die Auftragseingänge langlebiger Wirtschaftsgüter in den USA. Hier wird ein kräftiger Anstieg erwartet. Dollar gut unterstützt Am Devisenmarkt mehren sich die Stimmen, die zumindest kurzfristig von einem gut unterstützten Dollar ausgehen. Für ein stärkeres Anlegerinteresse am Greenback spricht nach Einschätzung von Händlern nicht alleine der neu gewachsene Optimismus für die US-Konjunktur. Auch die kräftig gestiegenen Renditen der amerikanischen Staatsanleihen würden Investoren anziehen und so die Dollarnachfrage erhöhen. Ob der Dollar allerdings bereits sein angemessenes Kursniveau erreicht hat, oder ob noch weiteres Aufwertungspotenzial besteht, wird von den Strategen unterschiedlich eingeschätzt. "Fundamental sehen wir keinen Grund, warum sich der Dollar noch weiter aufwerten sollte", schreibt beispielsweise Goldman Sachs. BNP Paribas erwartet hingegen eine - von kurzen Rückschlägen abgesehen - kontinuierliche Aufwertung des Greenback, wenn auch eher moderat im Ausmaß. Die Euro/Dollar-Prognose der Investmentbank für Ende Dezember liegt bei 1,10 $. Am Freitag notierte die Einheitswährung bei rund 1,1280 $. |