Management à la USA
Während wir Europäer tapsig und gutgläubig wie die Waschbären in die
Globalisierung hineinstolpern, führen uns die USA überzeugend vor, wie
man den Gegnern nach den neuen Spielregeln erfolgreich das Fell abzieht.
Die Erfahrung im Umgang mit den Indianern macht sich also ein weiteres
Mal in klingender Münze bezahlt: Erst Schnaps und Waffen liefern, und
wenn das nichts nützt, dann gibt es immer noch Reservate ...
Ein Reservat der ganz besonderen Art geworden ist der Neue Markt in
der Bundesrepublik, der jetzt bereits 90 Prozent Kursverlust von der
Spitze zu verzeichnen hat. Wobei dieses Problem jedoch hauptsächlich
hausgemacht ist: Man hat sich vom US-Euphorie-Virus anstecken lassen,
jedoch nicht bemerkt, dass man über keinerlei Medizin verfügt, im
Krankheitsfall gegensteuern und so den oder die Patienten am Leben
erhalten zu können.
Eine fast schon witzige Fußnote in dieser Hinsicht ist die Nachricht in
dieser Woche, dass die Büroräume des Würzburger
Wirtschaftsprofessors Ekkehard Wenger wegen des Verdachts auf
Insiderhandel durchsucht worden sind. Man muss sich das einmal
vorstellen: Alle die zwielichtigen Figuren, die mit ihren krummen
Machenschaften den Anlegern Milliardenverluste am Neuen Markt
zugefügt haben, sind bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmefälle bisher völlig
unbehelligt, obwohl jedes Kind ihre Vergehen im Schlaf aufzählen kann.
Doch nun wird dem "Robin Hood" der Aktionäre, dem Kämpfer gegen
die Unternehmenswillkür, an den Wagen gekarrt. Der Schluss aus dieser
Datenlage ist unvermeidlich: Hier soll ein lästiger Störenfried beseitigt
werden, wohingegen der Neue Markt von den Banken anscheinend
abgeschrieben ist. Die Fricks, Ochners, van Korffs und wie sie sonst
noch alle heißen sind für sie nicht mehr als Kasperlefiguren in einem
abgegrasten Geschäft.
Längst noch nicht abgegrast ist jedoch der globale Wettbewerb um die
internationalen Kapitalbewegungen. Und gerade die USA sind heftig
daran interessiert, die Kapitalflüsse auf ihr Land und ihre Währung zu
konzentrieren. Denn eine Leitwährung, die einem Land "vorsteht",
welches der größte internationale Schuldner ist, und der über exorbitante
Leistungsbilanzdefizite diese Schulden steig weiter erhöht, ist geschichtlich
betrachtet eine völlige Novität.
So etwas hat es noch niemals gegeben - und mit dem Anbruch von
Neuen Zeiten sollten wir ja nach den Erfahrungen des letzten Jahres
durchaus etwas vorsichtig sein. Natürlich kann die Stärke des Dollars
auch in dieser Konstellation noch lange anhalten, doch sicherer ist es
schon, für stetige Kapitalzuflüsse zu sorgen. Und nichts stimuliert
Kapitalzuflüsse mehr als eine gut laufende Wirtschaft. Doch wie kann man
beurteilen, ob eine Wirtschaft gut läuft? Genau, man schaut sich die
Zahlen an.
Doch hier zeigen die Statistiken der USA teilweise erstaunliche Dinge. So
hat man beispielsweise den "hedonistischen Preisindex" erfunden, der
Computerinvestionen - aufgrund stetiger Verbesserungen der Computer
bei gleichzeitig sinkenden Preisen - höher ausweist als sie tatsächlich - in
gezahlten Dollars gerechnet - ausgefallen sind. Zwei Drittel der
Zuwachszahlen der letzten Jahre sollen dabei nur auf dem Papier
stattgefunden haben.
Erstaunlich auch die sogenannte "Kerninflationsrate", über die im letzten
Jahr ausschließlich geredet wurde, und in der alle Komponenten, deren
Preise tatsächlich deutlich gestiegen sind - wie beispielsweise die
Energiepreise - einfach ausgeklammert wurden. Und last but not least: Bei
der letzten Berechnung der US-Arbeitsmarktzahlen, die mit nur 114 000
neuen Arbeitslosen viel besser ausgefallen waren als von den Experten
erwartet, findet sich plötzlich ein merkwürdiger "Anpassungsfaktor" von
155 000 Stellen, welcher jedoch ausschließlich auf der hypothetischen
Annahme beruht, dass viele kleine Jobs von der amtlichen Statistik nicht
erfasst werden.
Aber auch das entspricht sicherlich eher der amerikanischen als der
europäischen Mentalität: Nur nicht in die Tiefe gehen - Hauptsache es
sieht schön aus und strahlt Optimismus aus.
Richtig verlieren werden wir aus meiner Sicht gegen die USA jedoch erst
auf dem Gebiet der Gentechnik, wogegen unser "Zurückbleiben" in der
Kommunikationstechnologie sich als völlig harmlos erweisen wird. Denn
während diesseits des Atlantiks landauf landab über ethische Fragen
diskutiert wird, kann in den USA das Wunsch-Baby aus der Retorte
bereits bestellt werden.
Und genau das macht die gesamte Sache so tragisch: Jeder Blick zur
Seite, sei es auf die Arbeitsplätze oder auf die Ethik, würde im
internationalen Konkurrenzwettbewerb einen ebenso entscheidenden
Nachteil bringen, als wenn Jan Ullrich bei der Tour de France vom Rad
steigen würde, um eine Schnecke nicht zu überfahren. Schnecken müssen
vielmehr überfahren werden! Und Grenzen müssen gesprengt werden,
denn ansonsten wird sich die Spreu vom Weizen nicht trennen.
Doch genau darauf basiert unser gesamtes Wirtschaftssystem! Die USA
führen und dies an jedem Tag von Neuem vor. Es gibt daher für den
Anleger keine andere Wahl. Er muss dort investieren, wo sich die besten
Chancen bieten. Und zwar exakt bis zu dem Punkt, an dem uns das
gesamte Geschehen unwiederbringlich um die Ohren fliegt.
Von Bernd Niquet
Während wir Europäer tapsig und gutgläubig wie die Waschbären in die
Globalisierung hineinstolpern, führen uns die USA überzeugend vor, wie
man den Gegnern nach den neuen Spielregeln erfolgreich das Fell abzieht.
Die Erfahrung im Umgang mit den Indianern macht sich also ein weiteres
Mal in klingender Münze bezahlt: Erst Schnaps und Waffen liefern, und
wenn das nichts nützt, dann gibt es immer noch Reservate ...
Ein Reservat der ganz besonderen Art geworden ist der Neue Markt in
der Bundesrepublik, der jetzt bereits 90 Prozent Kursverlust von der
Spitze zu verzeichnen hat. Wobei dieses Problem jedoch hauptsächlich
hausgemacht ist: Man hat sich vom US-Euphorie-Virus anstecken lassen,
jedoch nicht bemerkt, dass man über keinerlei Medizin verfügt, im
Krankheitsfall gegensteuern und so den oder die Patienten am Leben
erhalten zu können.
Eine fast schon witzige Fußnote in dieser Hinsicht ist die Nachricht in
dieser Woche, dass die Büroräume des Würzburger
Wirtschaftsprofessors Ekkehard Wenger wegen des Verdachts auf
Insiderhandel durchsucht worden sind. Man muss sich das einmal
vorstellen: Alle die zwielichtigen Figuren, die mit ihren krummen
Machenschaften den Anlegern Milliardenverluste am Neuen Markt
zugefügt haben, sind bis auf ganz, ganz wenige Ausnahmefälle bisher völlig
unbehelligt, obwohl jedes Kind ihre Vergehen im Schlaf aufzählen kann.
Doch nun wird dem "Robin Hood" der Aktionäre, dem Kämpfer gegen
die Unternehmenswillkür, an den Wagen gekarrt. Der Schluss aus dieser
Datenlage ist unvermeidlich: Hier soll ein lästiger Störenfried beseitigt
werden, wohingegen der Neue Markt von den Banken anscheinend
abgeschrieben ist. Die Fricks, Ochners, van Korffs und wie sie sonst
noch alle heißen sind für sie nicht mehr als Kasperlefiguren in einem
abgegrasten Geschäft.
Längst noch nicht abgegrast ist jedoch der globale Wettbewerb um die
internationalen Kapitalbewegungen. Und gerade die USA sind heftig
daran interessiert, die Kapitalflüsse auf ihr Land und ihre Währung zu
konzentrieren. Denn eine Leitwährung, die einem Land "vorsteht",
welches der größte internationale Schuldner ist, und der über exorbitante
Leistungsbilanzdefizite diese Schulden steig weiter erhöht, ist geschichtlich
betrachtet eine völlige Novität.
So etwas hat es noch niemals gegeben - und mit dem Anbruch von
Neuen Zeiten sollten wir ja nach den Erfahrungen des letzten Jahres
durchaus etwas vorsichtig sein. Natürlich kann die Stärke des Dollars
auch in dieser Konstellation noch lange anhalten, doch sicherer ist es
schon, für stetige Kapitalzuflüsse zu sorgen. Und nichts stimuliert
Kapitalzuflüsse mehr als eine gut laufende Wirtschaft. Doch wie kann man
beurteilen, ob eine Wirtschaft gut läuft? Genau, man schaut sich die
Zahlen an.
Doch hier zeigen die Statistiken der USA teilweise erstaunliche Dinge. So
hat man beispielsweise den "hedonistischen Preisindex" erfunden, der
Computerinvestionen - aufgrund stetiger Verbesserungen der Computer
bei gleichzeitig sinkenden Preisen - höher ausweist als sie tatsächlich - in
gezahlten Dollars gerechnet - ausgefallen sind. Zwei Drittel der
Zuwachszahlen der letzten Jahre sollen dabei nur auf dem Papier
stattgefunden haben.
Erstaunlich auch die sogenannte "Kerninflationsrate", über die im letzten
Jahr ausschließlich geredet wurde, und in der alle Komponenten, deren
Preise tatsächlich deutlich gestiegen sind - wie beispielsweise die
Energiepreise - einfach ausgeklammert wurden. Und last but not least: Bei
der letzten Berechnung der US-Arbeitsmarktzahlen, die mit nur 114 000
neuen Arbeitslosen viel besser ausgefallen waren als von den Experten
erwartet, findet sich plötzlich ein merkwürdiger "Anpassungsfaktor" von
155 000 Stellen, welcher jedoch ausschließlich auf der hypothetischen
Annahme beruht, dass viele kleine Jobs von der amtlichen Statistik nicht
erfasst werden.
Aber auch das entspricht sicherlich eher der amerikanischen als der
europäischen Mentalität: Nur nicht in die Tiefe gehen - Hauptsache es
sieht schön aus und strahlt Optimismus aus.
Richtig verlieren werden wir aus meiner Sicht gegen die USA jedoch erst
auf dem Gebiet der Gentechnik, wogegen unser "Zurückbleiben" in der
Kommunikationstechnologie sich als völlig harmlos erweisen wird. Denn
während diesseits des Atlantiks landauf landab über ethische Fragen
diskutiert wird, kann in den USA das Wunsch-Baby aus der Retorte
bereits bestellt werden.
Und genau das macht die gesamte Sache so tragisch: Jeder Blick zur
Seite, sei es auf die Arbeitsplätze oder auf die Ethik, würde im
internationalen Konkurrenzwettbewerb einen ebenso entscheidenden
Nachteil bringen, als wenn Jan Ullrich bei der Tour de France vom Rad
steigen würde, um eine Schnecke nicht zu überfahren. Schnecken müssen
vielmehr überfahren werden! Und Grenzen müssen gesprengt werden,
denn ansonsten wird sich die Spreu vom Weizen nicht trennen.
Doch genau darauf basiert unser gesamtes Wirtschaftssystem! Die USA
führen und dies an jedem Tag von Neuem vor. Es gibt daher für den
Anleger keine andere Wahl. Er muss dort investieren, wo sich die besten
Chancen bieten. Und zwar exakt bis zu dem Punkt, an dem uns das
gesamte Geschehen unwiederbringlich um die Ohren fliegt.
Von Bernd Niquet