Franklin Syrowatka musste in einem unbeheizten Kellerraum anfangen. Das war 1993 und mitten im kalten Winter.
Vor allem Mut: Liebeserklärung an Unerschrockene
Der Heizlüfter wärmte kaum, nur dicke Kreppsohlen unter den Schuhen halfen ein wenig gegen die Kälte. Der Schreibtisch eine Spanplatte, der Stuhl vom Sperrmüll, ein Pappkarton als Schrank - Kunden konnte der EDV-Profi in diesem Loch nicht empfangen, also lotste er sie unter allerlei Ausreden in Hotels. Sein einziger Angestellter handelte sich binnen zweier Monate eine Bronchitis und Depressionen ein - und kündigte. "An den Erfolg meiner Geschäftsidee, die Datenfriedhöfe der Unternehmen mit Managementinformationssystemen nutzbar zu machen, glaubte der Mann nicht mehr", so der Gründer der Firma MIS-Consulting Syrowatka.
Silvia Troska war so in Nöten, dass sich die Chefin der Kosmetikfirma Alessandro für ihren ersten Geschäftstermin eine Feinstrumpfhose leihen musste. Christoph Osterroth hätte um ein Haar sein neues Ökowohnhaus an die Gläubiger verloren. Der Chef der Newcycle Kunststofftechnik GmbH hatte fünf Anläufe genommen, um eine Maschine zu entwickeln, die alte CDs rentabel recycelt - und war fünf Mal gescheitert.
Alles Schnee von gestern. Beim sechsten Anlauf schaffte es Christoph Osterroth. Er recycelt heute Millionen von alten CD-ROMs. Silvia Troska wurde 1999 "Unternehmerin des Jahres". Sie macht inzwischen mit ihren Hand- und Nagelpflegeserien 14 Millionen Euro Umsatz. Franklin Syrowatka ging bereits 1993 eine Kooperation mit dem Softwarehaus MIS ein, das heute 650 Mitarbeiter weltweit beschäftigt. Das Darmstädter Unternehmen sitzt in einem mehrstöckigen Bürokomplex. Jeder Vorstandschef kann dort empfangen werden.
Osterroth, Troska und Syrowatka sind drei von über 200 Gründern, die die "WirtschaftsWoche" seit Februar 1996 in ihrer Rubrik "Schumpeter" vorgestellt hat. Unternehmer, die durch besondere Pionierleistungen auffielen und den Geist des großen Nationalökonomen Joseph Alois Schumpeter lebendig halten. Schumpeter, Mitarbeiter des WirtschaftsWoche-Vorläufers "Der deutscher Volkswirt", hatte den Prozess der schöpferischen Zerstörung und dessen Akteure, die Unternehmer, Anfang des vorigen Jahrhunderts als Motoren des Fortschritts entdeckt und eingehend beschrieben. Wer hohes Wachstum will, so der österreichische Wissenschaftler, der lange an der Harvard-Universität lehrte und heute als einer der bedeutendsten Wirtschaftstheoretiker des 20. Jahrhunderts gilt, braucht viele innovative Unternehmensgründungen.
In Erinnerung an den Ökonomen beschrieb und beschreibt die "WirtschaftsWoche" unter dem Namen Schumpeter findige Köpfe, geniale Spinner, Senkrechtstarter, umtriebige Jungunternehmer und Querdenker, die neue Produkte entwickeln, Herstellungstechniken revolutionieren, außergewöhnliche Absatzwege oder Bezugsquellen erschließen oder völlig neue Organisationsformen einführen, kurz: kreative Zerstörer.
Die Auswahlkritierien für die Aufnahme in die Rubrik sind hart: Die Unternehmen müssen etwas Neues zu bieten und möglichst schon Arbeitsplätze geschaffen haben. Sie dürfen keine Trittbrettfahrer sein, müssen erste Erfolge am Markt aufweisen und einen guten Leumund bei Auskunfteien sowie ihren Verbänden haben. Das Ziel dabei: Die Entrepreneure zu unterstützen und ihr Vorbild zu transportieren, um anderen Mut zur Nachahmung zu machen.
Was die "WirtschaftsWoche" auf journalistischem Wege versucht, verfolgt gleichzeitig auf wissenschaftlichem Terrain die International Joseph A. Schumpeter Society, die 1986 von den beiden Wirtschaftsprofessoren Horst Hanusch und Wolfgang Ferdinand Stolper gegründet wurde. Die Schumpeter-Gesellschaft untersucht die Rolle des dynamischen Unternehmers im Prozess des ökonomischen Fortschritts und analysiert die Rahmenbedingungen, unter denen diese am besten zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung von Volkswirtschaften beitragen können.
Das vorliegende Buch zieht nach fast sechsjähriger Berichterstattung Bilanz, was aus den Unternehmern geworden ist. Wir wollten wissen: Konnten sie sich mit ihren viel versprechenden Geschäftsideen tatsächlich durchsetzen und - im Sinne Schumpeters - etablierte Strukturen zerbrechen, um neue Märkte zu schaffen? Tragfähige Innovationen von Moden zu unterscheiden - das geht natürlich nur mit einem gewissen zeitlichen Abstand. Oder wie es der Schumpeter-Experte Wolfgang Stolper in seinem Werk "Joseph Alois Schumpeter - The Public Life of a Private Man" ausdrückt: "Der Bau der Eisenbahn, die Erfindung des elektrischen Motors oder die Vorherrschaft des Autos haben völlig neue Aussichten eröffnet, die zu weiteren Veränderungen geführt haben, die weder vorhersehbar noch vorhersagbar waren. All diese Innovationen fingen klein an. […] Sie wurden erst groß und nur in der Retrospektive können wir eine lange Welle bei einer oder wenigen dieser Erfindungen erkennen…"
Schon 1999 hat die "WirtschaftsWoche" in der Titelgeschichte "Deutschland - deine Gründer" (Ausgabe 46/1999) eine erste Zwischenbilanz gezogen. Damals waren von den bis dahin insgesamt 150 porträtieren Unternehmen noch 90 Prozent am Markt. Zur Vorbereitung dieses Buches starteten wir im Juli 2001 die zweite Umfrage unter den mittlerweile 200 vorgestellten Firmen und mussten feststellen: Die New-Economy-Krise und die allgemeine Wirtschaftsflaute haben Spuren hinterlassen. Das Ergebnis war dennoch erfreulich: Immerhin - über 80 Prozent aller seit 1996 in der Schumpeter-Rubrik präsentierten Unternehmen gelang es, die Klippen der kritischen Anfangsjahre zu umschiffen. Eine Quote, die über der allgemeinen Gründerstatistik liegt. Denn im Schnitt überleben nur etwa zwei Drittel die schwierigen ersten fünf Jahre.
Obendrein erwies sich bei der "WirschaftsWoche"-Umfrage das Gros der Schumpeter als wirtschaftlich gut aufgestellt: 97 Prozent gaben an, dass sich ihr Umsatz seit ihrer Vorstellung in der WirtschaftsWoche positiv entwickelt habe, 78 Prozent machen Gewinn. Jeder Zweite hat das selbstgesteckte Umsatzziel erreicht, jeder Dritte sogar übertroffen (siehe Gra?k Seite 16).
Nur Spott und Hohn erntete Ekkehard Streletzki, als er 1995 mitten im heruntergekommenen Berliner Industriebezirk Neukölln neben einem Schrottplatz sein durchgestyltes Vier-Sterne-Hotel Estrel eröffnete. Der Statiker und Bauplaner aus München hatte jedoch erkannt, dass es vielen Geschäftsreisenden aus Chicago oder Mailand gleichgültig ist, ob sie in einem Renommierviertel nächtigen oder nicht. Hauptsache Preis und Leistung stimmen. Im Jahr 2000 verbuchte das Estrel 55,2 Millionen Euro Umsatz - so viel wie noch kein anderes Haus in der deutschen Hotelgeschichte. Und der Hotelier hatte 650 neue Arbeitsplätze geschaffen.
Viele der porträtierten Schumpeter haben sich inzwischen einen Namen gemacht. Etwa Ulrich Dietz, der mit seiner "kleinen schwäbischen Softwarebude" - wie er selbst sein Unternehmen GFT gerne nennt - eine der wenigen festen Größen in der schwächelnden Dotcom-Gemeinde ist. Oder Werner Kieser. Der Diplomtrainer entwickelte eine spezielle Trainingsmethode für Rückenkranke und bewies gleichzeitig, dass Fitnessstudios auch ohne Körperkult und Spiegelfetischismus auskommen können. Sein spartanisches Konzept, nichts weiter als Kraftmaschinen, Dusch- und Umkleidekabinen anzubieten, motivierte selbst Sportmuffel zum Muskelaufbau. Der Berliner Verlag für Kinderspiele auf CD-ROM Tivola des Gründertrios Jürgen Thierig, Karsten Voelker und Barbara Landbeck eroberte nicht nur die Kinderzimmer in rund 50 Ländern, sondern gilt auch in Fachkreisen als bester seiner Zunft und wurde bereits mit etlichen Multimediapreisen überhäuft.
Doch solche Erfolgsstorys sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die innovativen Existenzgründer in der Regel ihre Ideen gegen erhebliche Widerstände durchsetzen müssen. Das zeigt auch die "WirtschaftsWoche"-Umfrage: Jeder zweite Gründer nannte die Finanzierung als eine der größten Schwierigkeiten bei der Umsetzung seiner Geschäftsidee (siehe Grafik links unten).
Statistisch nicht erfassbar sind die vielen kleinen und großen Rückschläge im Leben von Pionierunternehmern. Michael Hendricks musste erleben, dass seine eigene Sekretärin den Betrieb im Startjahr fast ruinierte: Auf mysteriöse Weise verschwand unter ihrer Buchführung ein sechsstelliger Betrag, während der Chef auf Akquisetour war. Die Folge: Der Düsseldorfer Jurist Hendricks musste sein Büro aufgeben und vorerst im privaten Keller weitermachen, um nicht zahlungsunfähig zu werden. Der Anbieter von Hotlines für Computer-, Gesundheits- und Rechtsberatung Markus Semm musste sich über ein Dutzend Prozesse und unzähligen, letztlich vergeblichen Versuchen der Anwaltsbranche erwehren, seine Telefonleitungen mit einstweiligen Verfügungen sperren zu lassen. Nachdem der Gründer der InfoGenie Europe AG das alles überstanden hatte, geschah ihm, was er nie für möglich gehalten hatte. Er wurde von seinem Aufsichtsrat aus dem eigenen Unternehmen herausgeworfen.
Eines haben alle Gründer der Schumpeter-Serie gemeinsam: Ihre Lebensläufe verliefen alle nicht nach Schema F. Kaum einer war bereit, klein beizugeben, auch wenn der Wind ihm noch so hart ins Gesicht blies. Doch auch das gibt es: Moms-Chef Ulrich Hauser machte seinen gut gehenden Versandhandel für Kunstartikel in Freiburg zu, als er 1998 in New York die Liebe seines Lebens kennenlernte. Dem freien Unternehmertum blieb er trotzdem treu: Heute importiert Hauser erfolgreich Designermöbel aus Deutschland sowie der Schweiz und verkauft sie an kunstbeflissene Amerikaner.
Dass das Wirtschaftsleben keine Puderzuckerlandschaft ist, mussten alle Unternehmer erfahren. Die glatte Erfolgsstory gibt es nicht. Fast alle waren gezwungen, ihr Produkt oder ihre Dienstleistung laufend zu verändern und den Marktgegebenheiten anzupassen. Nur wer sich dem permanenten Innovationsprozess stellt, bleibt bestehen. 60 Prozent der befragten Unternehmer gaben an, inzwischen zusätzlich neue Geschäftsfelder erschlossen zu haben. 63 Prozent sind mittlerweile sogar im Ausland aktiv (siehe Grafik unten).
Grund genug, die 100 spannendsten Unternehmerstorys noch einmal zu veröffentlichen und die Geschichten der Unternehmen weiterzuerzählen. Herausgekommen ist ein Porträt der deutschen Gründerszene, das über den Werdegang von Multimillionären berichtet, genauso wie über Unternehmer, die gescheitert sind. Sei es, weil ihre Innovation keine Kunden fand, Finanziers sie im Stich ließen oder sie selbst irgendwann die Bodenhaftung verloren und - wegen Konkursverschleppung oder Subventionsbetrug - vor Gericht landeten.
Die Bilanz bleibt aber positiv: Allein die 100 Unternehmer in diesem Buch haben 5600 neue feste Arbeitsplätze und zusätzlich noch 1500 Jobs für freie Mitarbeiter geschaffen. Das bedeutet im Schnitt 56 feste Stellen und 15 Jobs pro Unternehmen. Im Bundesdurchschnitt bringt jede Gründung laut der Deutschen Ausgleichsbank zehn bis zwölf Arbeitsplätze binnen fünf Jahren.
Das Buch will jedoch bewusst die Situation von Gründern in Deutschland nicht beschönigen. Bei der Auswahl der Porträts haben wir uns deshalb um eine möglichst realitätsnahe Mischung von Gründerbiografien bemüht. Das Buch kann gelesen werden als Momentaufnahme der deutschen Wirtschaft, aber auch als Lernfibel für angehende Unternehmer. In jedem Fall aber will es Mut machen, dem Beispiel der Schumpeter-Unternehmer zu folgen.
"Im Schnitt überleben nur zwei Drittel der Gründungen die ersten fünf Jahre"
"Ohne schöpferische Zerstörer ist eine gesunde Wirtschaft nicht möglich"
Vor allem Mut: Liebeserklärung an Unerschrockene
Der Heizlüfter wärmte kaum, nur dicke Kreppsohlen unter den Schuhen halfen ein wenig gegen die Kälte. Der Schreibtisch eine Spanplatte, der Stuhl vom Sperrmüll, ein Pappkarton als Schrank - Kunden konnte der EDV-Profi in diesem Loch nicht empfangen, also lotste er sie unter allerlei Ausreden in Hotels. Sein einziger Angestellter handelte sich binnen zweier Monate eine Bronchitis und Depressionen ein - und kündigte. "An den Erfolg meiner Geschäftsidee, die Datenfriedhöfe der Unternehmen mit Managementinformationssystemen nutzbar zu machen, glaubte der Mann nicht mehr", so der Gründer der Firma MIS-Consulting Syrowatka.
Silvia Troska war so in Nöten, dass sich die Chefin der Kosmetikfirma Alessandro für ihren ersten Geschäftstermin eine Feinstrumpfhose leihen musste. Christoph Osterroth hätte um ein Haar sein neues Ökowohnhaus an die Gläubiger verloren. Der Chef der Newcycle Kunststofftechnik GmbH hatte fünf Anläufe genommen, um eine Maschine zu entwickeln, die alte CDs rentabel recycelt - und war fünf Mal gescheitert.
Alles Schnee von gestern. Beim sechsten Anlauf schaffte es Christoph Osterroth. Er recycelt heute Millionen von alten CD-ROMs. Silvia Troska wurde 1999 "Unternehmerin des Jahres". Sie macht inzwischen mit ihren Hand- und Nagelpflegeserien 14 Millionen Euro Umsatz. Franklin Syrowatka ging bereits 1993 eine Kooperation mit dem Softwarehaus MIS ein, das heute 650 Mitarbeiter weltweit beschäftigt. Das Darmstädter Unternehmen sitzt in einem mehrstöckigen Bürokomplex. Jeder Vorstandschef kann dort empfangen werden.
Osterroth, Troska und Syrowatka sind drei von über 200 Gründern, die die "WirtschaftsWoche" seit Februar 1996 in ihrer Rubrik "Schumpeter" vorgestellt hat. Unternehmer, die durch besondere Pionierleistungen auffielen und den Geist des großen Nationalökonomen Joseph Alois Schumpeter lebendig halten. Schumpeter, Mitarbeiter des WirtschaftsWoche-Vorläufers "Der deutscher Volkswirt", hatte den Prozess der schöpferischen Zerstörung und dessen Akteure, die Unternehmer, Anfang des vorigen Jahrhunderts als Motoren des Fortschritts entdeckt und eingehend beschrieben. Wer hohes Wachstum will, so der österreichische Wissenschaftler, der lange an der Harvard-Universität lehrte und heute als einer der bedeutendsten Wirtschaftstheoretiker des 20. Jahrhunderts gilt, braucht viele innovative Unternehmensgründungen.
In Erinnerung an den Ökonomen beschrieb und beschreibt die "WirtschaftsWoche" unter dem Namen Schumpeter findige Köpfe, geniale Spinner, Senkrechtstarter, umtriebige Jungunternehmer und Querdenker, die neue Produkte entwickeln, Herstellungstechniken revolutionieren, außergewöhnliche Absatzwege oder Bezugsquellen erschließen oder völlig neue Organisationsformen einführen, kurz: kreative Zerstörer.
Die Auswahlkritierien für die Aufnahme in die Rubrik sind hart: Die Unternehmen müssen etwas Neues zu bieten und möglichst schon Arbeitsplätze geschaffen haben. Sie dürfen keine Trittbrettfahrer sein, müssen erste Erfolge am Markt aufweisen und einen guten Leumund bei Auskunfteien sowie ihren Verbänden haben. Das Ziel dabei: Die Entrepreneure zu unterstützen und ihr Vorbild zu transportieren, um anderen Mut zur Nachahmung zu machen.
Was die "WirtschaftsWoche" auf journalistischem Wege versucht, verfolgt gleichzeitig auf wissenschaftlichem Terrain die International Joseph A. Schumpeter Society, die 1986 von den beiden Wirtschaftsprofessoren Horst Hanusch und Wolfgang Ferdinand Stolper gegründet wurde. Die Schumpeter-Gesellschaft untersucht die Rolle des dynamischen Unternehmers im Prozess des ökonomischen Fortschritts und analysiert die Rahmenbedingungen, unter denen diese am besten zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung von Volkswirtschaften beitragen können.
Das vorliegende Buch zieht nach fast sechsjähriger Berichterstattung Bilanz, was aus den Unternehmern geworden ist. Wir wollten wissen: Konnten sie sich mit ihren viel versprechenden Geschäftsideen tatsächlich durchsetzen und - im Sinne Schumpeters - etablierte Strukturen zerbrechen, um neue Märkte zu schaffen? Tragfähige Innovationen von Moden zu unterscheiden - das geht natürlich nur mit einem gewissen zeitlichen Abstand. Oder wie es der Schumpeter-Experte Wolfgang Stolper in seinem Werk "Joseph Alois Schumpeter - The Public Life of a Private Man" ausdrückt: "Der Bau der Eisenbahn, die Erfindung des elektrischen Motors oder die Vorherrschaft des Autos haben völlig neue Aussichten eröffnet, die zu weiteren Veränderungen geführt haben, die weder vorhersehbar noch vorhersagbar waren. All diese Innovationen fingen klein an. […] Sie wurden erst groß und nur in der Retrospektive können wir eine lange Welle bei einer oder wenigen dieser Erfindungen erkennen…"
Schon 1999 hat die "WirtschaftsWoche" in der Titelgeschichte "Deutschland - deine Gründer" (Ausgabe 46/1999) eine erste Zwischenbilanz gezogen. Damals waren von den bis dahin insgesamt 150 porträtieren Unternehmen noch 90 Prozent am Markt. Zur Vorbereitung dieses Buches starteten wir im Juli 2001 die zweite Umfrage unter den mittlerweile 200 vorgestellten Firmen und mussten feststellen: Die New-Economy-Krise und die allgemeine Wirtschaftsflaute haben Spuren hinterlassen. Das Ergebnis war dennoch erfreulich: Immerhin - über 80 Prozent aller seit 1996 in der Schumpeter-Rubrik präsentierten Unternehmen gelang es, die Klippen der kritischen Anfangsjahre zu umschiffen. Eine Quote, die über der allgemeinen Gründerstatistik liegt. Denn im Schnitt überleben nur etwa zwei Drittel die schwierigen ersten fünf Jahre.
Obendrein erwies sich bei der "WirschaftsWoche"-Umfrage das Gros der Schumpeter als wirtschaftlich gut aufgestellt: 97 Prozent gaben an, dass sich ihr Umsatz seit ihrer Vorstellung in der WirtschaftsWoche positiv entwickelt habe, 78 Prozent machen Gewinn. Jeder Zweite hat das selbstgesteckte Umsatzziel erreicht, jeder Dritte sogar übertroffen (siehe Gra?k Seite 16).
Nur Spott und Hohn erntete Ekkehard Streletzki, als er 1995 mitten im heruntergekommenen Berliner Industriebezirk Neukölln neben einem Schrottplatz sein durchgestyltes Vier-Sterne-Hotel Estrel eröffnete. Der Statiker und Bauplaner aus München hatte jedoch erkannt, dass es vielen Geschäftsreisenden aus Chicago oder Mailand gleichgültig ist, ob sie in einem Renommierviertel nächtigen oder nicht. Hauptsache Preis und Leistung stimmen. Im Jahr 2000 verbuchte das Estrel 55,2 Millionen Euro Umsatz - so viel wie noch kein anderes Haus in der deutschen Hotelgeschichte. Und der Hotelier hatte 650 neue Arbeitsplätze geschaffen.
Viele der porträtierten Schumpeter haben sich inzwischen einen Namen gemacht. Etwa Ulrich Dietz, der mit seiner "kleinen schwäbischen Softwarebude" - wie er selbst sein Unternehmen GFT gerne nennt - eine der wenigen festen Größen in der schwächelnden Dotcom-Gemeinde ist. Oder Werner Kieser. Der Diplomtrainer entwickelte eine spezielle Trainingsmethode für Rückenkranke und bewies gleichzeitig, dass Fitnessstudios auch ohne Körperkult und Spiegelfetischismus auskommen können. Sein spartanisches Konzept, nichts weiter als Kraftmaschinen, Dusch- und Umkleidekabinen anzubieten, motivierte selbst Sportmuffel zum Muskelaufbau. Der Berliner Verlag für Kinderspiele auf CD-ROM Tivola des Gründertrios Jürgen Thierig, Karsten Voelker und Barbara Landbeck eroberte nicht nur die Kinderzimmer in rund 50 Ländern, sondern gilt auch in Fachkreisen als bester seiner Zunft und wurde bereits mit etlichen Multimediapreisen überhäuft.
Doch solche Erfolgsstorys sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die innovativen Existenzgründer in der Regel ihre Ideen gegen erhebliche Widerstände durchsetzen müssen. Das zeigt auch die "WirtschaftsWoche"-Umfrage: Jeder zweite Gründer nannte die Finanzierung als eine der größten Schwierigkeiten bei der Umsetzung seiner Geschäftsidee (siehe Grafik links unten).
Statistisch nicht erfassbar sind die vielen kleinen und großen Rückschläge im Leben von Pionierunternehmern. Michael Hendricks musste erleben, dass seine eigene Sekretärin den Betrieb im Startjahr fast ruinierte: Auf mysteriöse Weise verschwand unter ihrer Buchführung ein sechsstelliger Betrag, während der Chef auf Akquisetour war. Die Folge: Der Düsseldorfer Jurist Hendricks musste sein Büro aufgeben und vorerst im privaten Keller weitermachen, um nicht zahlungsunfähig zu werden. Der Anbieter von Hotlines für Computer-, Gesundheits- und Rechtsberatung Markus Semm musste sich über ein Dutzend Prozesse und unzähligen, letztlich vergeblichen Versuchen der Anwaltsbranche erwehren, seine Telefonleitungen mit einstweiligen Verfügungen sperren zu lassen. Nachdem der Gründer der InfoGenie Europe AG das alles überstanden hatte, geschah ihm, was er nie für möglich gehalten hatte. Er wurde von seinem Aufsichtsrat aus dem eigenen Unternehmen herausgeworfen.
Eines haben alle Gründer der Schumpeter-Serie gemeinsam: Ihre Lebensläufe verliefen alle nicht nach Schema F. Kaum einer war bereit, klein beizugeben, auch wenn der Wind ihm noch so hart ins Gesicht blies. Doch auch das gibt es: Moms-Chef Ulrich Hauser machte seinen gut gehenden Versandhandel für Kunstartikel in Freiburg zu, als er 1998 in New York die Liebe seines Lebens kennenlernte. Dem freien Unternehmertum blieb er trotzdem treu: Heute importiert Hauser erfolgreich Designermöbel aus Deutschland sowie der Schweiz und verkauft sie an kunstbeflissene Amerikaner.
Dass das Wirtschaftsleben keine Puderzuckerlandschaft ist, mussten alle Unternehmer erfahren. Die glatte Erfolgsstory gibt es nicht. Fast alle waren gezwungen, ihr Produkt oder ihre Dienstleistung laufend zu verändern und den Marktgegebenheiten anzupassen. Nur wer sich dem permanenten Innovationsprozess stellt, bleibt bestehen. 60 Prozent der befragten Unternehmer gaben an, inzwischen zusätzlich neue Geschäftsfelder erschlossen zu haben. 63 Prozent sind mittlerweile sogar im Ausland aktiv (siehe Grafik unten).
Grund genug, die 100 spannendsten Unternehmerstorys noch einmal zu veröffentlichen und die Geschichten der Unternehmen weiterzuerzählen. Herausgekommen ist ein Porträt der deutschen Gründerszene, das über den Werdegang von Multimillionären berichtet, genauso wie über Unternehmer, die gescheitert sind. Sei es, weil ihre Innovation keine Kunden fand, Finanziers sie im Stich ließen oder sie selbst irgendwann die Bodenhaftung verloren und - wegen Konkursverschleppung oder Subventionsbetrug - vor Gericht landeten.
Die Bilanz bleibt aber positiv: Allein die 100 Unternehmer in diesem Buch haben 5600 neue feste Arbeitsplätze und zusätzlich noch 1500 Jobs für freie Mitarbeiter geschaffen. Das bedeutet im Schnitt 56 feste Stellen und 15 Jobs pro Unternehmen. Im Bundesdurchschnitt bringt jede Gründung laut der Deutschen Ausgleichsbank zehn bis zwölf Arbeitsplätze binnen fünf Jahren.
Das Buch will jedoch bewusst die Situation von Gründern in Deutschland nicht beschönigen. Bei der Auswahl der Porträts haben wir uns deshalb um eine möglichst realitätsnahe Mischung von Gründerbiografien bemüht. Das Buch kann gelesen werden als Momentaufnahme der deutschen Wirtschaft, aber auch als Lernfibel für angehende Unternehmer. In jedem Fall aber will es Mut machen, dem Beispiel der Schumpeter-Unternehmer zu folgen.
"Im Schnitt überleben nur zwei Drittel der Gründungen die ersten fünf Jahre"
"Ohne schöpferische Zerstörer ist eine gesunde Wirtschaft nicht möglich"