Luftfahrt 2001: Eine Branche inmitten schwerer Turbulenzen
Die Terroranschläge haben die bestehende Krise vieler Airlines nur noch verschärft Eine regelrechte Bruchlandung haben im vergangenen Jahr die Aktien der meisten Fluggesellschaften und Flugzeughersteller hingelegt, denn nicht erst seit den Terroranschlägen vom September befindet sich die Luftfahrt-Branche weltweit in einer Krise. Dennoch hat vor allem die Lufthansa langfristig gute Chancen, gestärkt aus dem sich gegenwärtig vollziehenden Konzentrationsprozess hervorzugehen.
Selten hat sich das Bild einer ganzen Branche von großer wirtschaftlicher Bedeutung innerhalb von nur zwölf Monaten stärker gewandelt als das der europäischen Luftfahrtindustrie im vergangenen Jahr 2001. Doch wer glaubt (oder glauben machen will), die Krise der europäischen und amerikanischen Airlines und Flugzeugbauer sei allein das Resultat der verheerenden Terroranschläge vom 11. September in den USA, greift eindeutig zu kurz. Seit langem schon herrscht unter den zahlreichen Fluggesellschaften ein harter Wettbewerb um die nicht zuletzt wegen der lahmenden Konjunktur immer weniger werdenden Passagiere. Illustriert wird die vorherige Existenz der Branchenflaute etwa durch die in der breiten Öffentlichkeit kaum registrierte Tatsache, dass die Maschinen jener amerikanischen Inlandsflüge, die von den Terroristen zu ihren Wahnsinnstaten mißbraucht wurden, jeweils nur zur Hälfte besetzt waren.
Das ganze Drama der Fluggesellschaften im Jahre 2001 lässt sich am Beispiel der deutschen Lufthansa hervorragend darstellen. ?Der Kranich lahmt?, titelte wallstreet:online bereits Anfang Juni, als das Management der einstigen Staatslinie ihre Anteilseigner völlig überraschend vor einem Ergebnisrückgang um bis zu 30 Prozent für das nunmehr abgelaufene Geschäftsjahr warnte. Der ohnehin von dem im Mai ausgetragenen harten Tarifstreit mit der Pilotengewerkschaft ?Cockpit? um deren hohe Gehaltsforderungen belastete Aktienkurs der Lufthansa wurde durch die Gewinnwarnung und einen durch sie ausgelösten Stimmungsumschwung unter den Analysten weiter beeinträchtigt.
Nach den beispiellosen Terrorakten kam es für die angeschlagene Branche dann tatsächlich knüppeldick: Tagelang waren wichtige Atlantikrouten komplett gesperrt, die Passagierzahlen brachen schlagartig ein und die Versicherer kündigten den Gesellschaften aufgrund der bislang undenkbaren neuen Gefahren die Verträge. Weltweit stürzten angesichts dieser Krise und der dahinterstehenden tiefgreifenden Verunsicherung über die weitere Entwicklung nicht bloß die Aktienkurse in den Keller. Während treue Lufthansa-Aktionäre ?nur? mit ansehen mussten, wie sich ihre Papiere zeitweise auf wenig mehr als 8 Euro verbilligten, kam für eine Reihe von einst so stolzen und traditionsreichen Fluggesellschaften gleich das dauerhafte Aus. Während der Konkurs der belgischen Sabena für Branchenkenner nicht gänzlich unerwartet erfolgte, sorgte der spektakuläre Zusammenbruch der Swissair-Gruppe und die wenig rühmliche Rolle der Schweizer Banken dabei doch für Aufsehen. Der Düsseldorfer Ferienflieger LTU konnte erst vor wenigen Wochen mit viel staatlicher Unterstützung vor dem Bankrott bewahrt werden.
Von den heftigen Turbulenzen, in die viele Airlines geraten sind, bleiben die Flugzeughersteller naturgemäß nicht unberührt. Inhaber von Aktien des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS , dem Hersteller der Airbus-Flugzeuge, müssen ebenso wie Lufthansa-Aktionäre einen Jahresverlust von mehr als 40 Prozent verkraften. Obwohl zum Jahresende einige Gesellschaften den Kauf von neuen Airbus-Großraumflugzeugen für ihren Linienbetrieb ankündigen, geht EADS für das kommende Jahr von rückläufigen Produktionszahlen aus . Ein besonders ärgerliches Kapitel in der Rückschau auf 2001 ist und bleibt das Tauziehen um die Produktion des neuen militärischen Transportflugzeuges Airbus A 400M. Nachdem die Italiener aus politischen Gründen aus dem Konsortium ausgeschieden sind und sich auf die Seite der Amerikaner geschlagen haben hat sich das Volumen des Auftrags von 225 auf nur noch 193 Flugzeuge verringert. Sollte eine weitere Regierung ausscheren, steht eine Unterschreitung der geplanten Mindeststückzahl von 180 Maschinen und damit das Ende des Projekts zu befürchten.
Für das kommende Jahr sind die Aussichten weiterhin ungewiss. Einer deutlichen Erholung des Passagieraufkommens steht die allgemeine Konjunkturschwäche ebenso im Wege wie die Tatsache, dass die Bedrohung des Luftverkehrs trotz der Zerschlagung der Hochburgen des Terrors in Afghanistan noch nicht gebannt zu sein scheint, wie der glücklicherweise rechtzeitig vereitelte Anschlagversuch auf eine American Airlines-Maschine kurz vor den Weihnachtsfeiertagen beweist. In Deutschland sieht sich die Lufthansa einer wachsenden Konkurrenz durch so genannte ?Billig-Flieger? wie der irischen Ryanair gegenüber. Ob es den Discount-Airlines tatsächlich gelingen wird, dauerhaft Marktanteile zu gewinnen, steht allerdings dahin, müssen doch deren Kunden mit erheblichen Serviceeinbußen und abgelegenen Regionalflughäfen vorliebnehmen. Momentan jedenfalls sehen Experten in der Lufthansa eine der wirtschaftlich gefestigtsten Fluggesellschaften weltweit. Am Ende des noch längst nicht abgeschlossenen Konsolidierungsprozesses in der Luftfahrtindustrie könnte sie daher besser denn je dastehen und langfristig auch ihren Unternehmens-, sprich Aktienwert wieder deutlich steigern.
Lufthansa (blaue Linie) im Performancevergleich mit dem Dax 2001:
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